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Die schwerste Richtkrone, die jemals über Fürther Luft flatterte, schwebte über dem Rednitztal. Unter dem Kranz hing nämlich das 15 Tonnen schwere letzte Trägerstück der riesigen Trogbrücke. Die Südwesttangente mit ihrer Brücke der Superlative zwischen Dambach und der Fürther Südstadt war bis dahin das längste, breiteste und wohl auch schönste Bauwerk dieser Art in Deutschland. Darüber konnte man die Baukosten in Höhe von 18 Mio DM fast vergessen. Mittwoch, 26. März 1969 So eindrucksvoll das zweite Hallen-Leichtathletiksportfest der mittleren und höheren Schulen auch war, es gab in ganz Bayern keine Nachahmer. Fürth war die einzige Stadt, die ihre Talente zum leichtathletischen Wettstreit in der Halle antreten ließ. Niemand wollte außer den Fürthern wahrhaben, dass man für die Förderung von Spitzensportlern erst einmal Talente dazu „entdecken“ musste. Fürth feierte eine Neuauflage der Geschichte des Hauptmanns von Köpenick: Seit zwei Jahren ging ein per Haftbefehl gesuchter Betrüger bei der Fürther Polizei und anderen Behörden aus und ein, obwohl ihn die Polizei fieberhaft suchte! Der betrügerische Fotograf und freie Reporter holte sich beim Chef der PolizeiFahndungsabteilung Pressemeldungen ab, während im Fahndungszimmer nebenan sein Name wegen Betrügereien im Fahndungsbuch eingetragen war. Mit der Prominenz stand „Retep“ (so signierte er seine Fotos) auf gutem Fuße. So reiste er mit OB Scherzer und einer Stadtratsdelegation ins schottische Paisley, saß beim amerikanischen Standortkommandeur Oberst Field mit am Tisch, wirkte in der Jury bei der Wahl zur Miss Franken oder war einziger zugelassener Fotograf bei einem Übungsflug des neuen „Phantom“-Düsenjägers. Jetzt war er nach Rumänien abgetaucht. Als er abflog, wünschte ihm ein Fürther Kriminalbeamter noch „guten Urlaub, Peter, und komm gut zurück“. Er hoffte, dass dieser Wunsch in Erfüllung ging, denn ihm war jetzt die Verhaftung des Betrügers anvertraut worden. Donnerstag, 27. März 1969 Der TV Fürth 1860 veranstaltete zusammen mit dem ESV West ein Boxturnier in der TV 60-Vereinsturnhalle. Beteiligt war auch ein Nationalstaffelboxer. Nachdem man dazu mit Erlaubnis von 200 Grundstückseigentümern 200 Plakate im gesamten Stadtgebiet aufgehängt hatte, wurden 199 davon über Nacht systematisch entfernt. Nur an der Fürther Freiheit hatten die unbekannten Täter ein Plakat übersehen. Freitag, 28. März 1969 Der Fürther Stadtrat sorgte für eine Sensation: Die SPD brachte mit Unterstützung von FB und DFU nach einer dramatischen Kampfabstimmung mit 22:21 Stimmen den Etat zu Fall. Dazu hatte man eigens SPDFraktionsmitglied Hildegard Fritsch aus dem Krankenhaus geholt. Sie half mit ihrer Stimme, von zwei Männern auf der Treppe gestützt, den Haushalt niederzustimmen. Hauptgrund für die Ablehnung war die verweigerte Erhöhung der Gewerbesteuer auf 330 Punkte. Damit wurde in Fürth eine Situation geschaffen, die für die Stadt einmalig in der Nachkriegsgeschichte war und für die es auch in Bayern kaum ein Beispiel gegeben haben dürfte. Guter Rat war teuer. Aufgrund der verhärteten Positionen lag eine Einigung in weiter Ferne. Sollte womöglich die Regierung von Mittelfranken eingreifen? Als letzte Konsequenz drohte bei Nichtvorlage eines gültigen Haushalts die Auflösung des Stadtrats. Samstag, 29. März 1969 Der Stadelner Bürgermeister protestierte: Zwar lag die ins Auge gefasste Müllzerkleinerungsanlage auf Atzenhofer Gebiet, doch wäre die Anlage nur 600 m von der Ortsmitte Stadelns entfernt. Aus hygienischen Gesichtspunkten müsse aufgrund der häufigen Westwinde die Bevölkerung Stadelns die Anlage als Zumutung empfinden. Die Arbeiterwohlfahrt Fürth eröffnete in der Hirschenstraße 24 eine neue Alten-Tagesstätte. Zwei Räume mit insgesamt 35 qm Größe beinhalteten Bücher, Spiele und einen Musikschrank. Die Umgestaltung der ehemals privaten Räume kostete 7500 DM. Damals eine Art zweite „Wärmestube“, um die drohende Gefahr von Vereinsamung zu bannen. Der „China-Laden“ in der Königstraße 2 in Nürnberg warb in Anzeigen für den Kauf von Trauerkleidung in reiner Seide. Im schwarzen Kimono zur Beerdigung? Montag, 31. März 1969 Im Alter von 69 Jahren verstarb Schwester Clodulfa Kaufmann von der katholischen Gemeinde „Unserer Lieben Frau“. Vier Jahrzehnte lang hatte die ausschließlich in Fürth tätige Krankenschwester unzählige Krankenbesuche abgestattet, um den leidenden Mitmenschen Trost und Hilfe zu bringen. Bei der Jahreshauptversammlung der SpVgg-Handballer blickte man auf eine erfolgreiche Saison zurück. Die Herren erreichten in der Landesklasse Nord den zweiten Platz, die Damen qualifizierten sich für die zweithöchste

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