Samstag, 26. April 1969 In einem Leserbrief an die FN beschwerten sich die Heimatvertriebenen über den großen Aufwand, den die Stadt mit ihrer schottischen Patenstadt Paisley betrieb. Man erinnerte daran, dass vor etwas mehr als einem Jahrzehnt Fürth mit der oberschlesischen Stadt Cosel eine Patenschaft eingegangen war. Warum wollte man sich daran überhaupt nicht mehr erinnern? In einem unscheinbaren Fürther Doppelgebäude wurde an Europas gemeinsamer Zukunft gewirkt: Seit fünfzehn Jahren hatte die Zoll-Lehranstalt der Oberfinanzdirektion Nürnberg Ecke Luisen- und Gebhardtstraße in vier Etagen ihren Sitz. Die Beamten waren für die Ausbildung sowie für die zolltarifliche Warenbegutachtung zuständig. Jährlich kamen damals zwischen 400 und 500 Teilnehmer zu Lehrgängen in die Kleeblattstadt. Mit dem Schlagwort „Die Zukunft Ihrer Söhne und Töchter ist gefährdet!“ wandten sich Studenten der Wirtschaftswissenschaften an die Fürther Bevölkerung. Mit Unterschriftenlisten baten sie auf der Fürther Freiheit um Unterstützung in ihrem Kampf gegen die „unhaltbaren Bildungszustände“ in Bayern. Montag, 28. April 1969 Damit hungernde Indios im Hochland von Bolivien etwas zu essen bekamen, schüttelten sich an die tausend Langund Kurzmähnige auf dem Schwingboden der MTV-Grundig-Sporthalle. Die Beatbands „Improved Sound Limited“ und „Quiets“ spielten zugunsten der lateinamerikanischen Armenprovinz „Ayopaya“. Die jungen Leute brachten die Halle trotz Sardinenbüchsen-Gemütlichkeit zum Kochen. Nie hatten die Veranstalter damit gerechnet, dass ein derartiges Missionsfest so viele junge Menschen aktivieren könnte. Wo früher der Südwestwind über die freie Kreuzung pfiff, standen jetzt ein Hochhaus und drei weitere Wohnblöcke im gleichen „Gewand“. Nach 14-monatiger Bauzeit waren die 60 Wohnungen an der Kreuzung Hard-/Berlinstraße bezugsfertig. Der „Bauverein“ investierte hierfür mehr als 3,3 Mio DM Im Wochenprogramm des Fürther Stadttheaters: Die Komödie „Die Vögel“ von Aristophanes sowie die Parabel „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ von Bert Brecht. Beide Aufführungen als Wiederholungen in der bisherigen Besetzung. Die SpVgg verlor ihr Heimspiel im Ronhof vor 5000 Zuschauern gegen den SC Opel Rüsselsheim mit 1:2. Das Tor für Fürth erzielte Klump. Damit blieb man auf Rang fünf der Tabelle, verspielte aber mit dieser Niederlage die letzte Chance auf ein Erreichen der Aufstiegsrunde zur Bundesliga. Trainer bei Rüsselsheim war damals übrigens Bert Trautmann, der es in England vom Kriegsgefangenen bis zum bekanntesten ausländischen Torhüter (Manchester City) gebracht hatte. Dienstag, 29. April 1969 Die „Jahreskonferenz“ des Stadtvereins Hardhöhe geriet zur Protestversammlung. An die Adresse der Stadt Fürth richtete sich eine geharnischte Resolution mit dem Ziel, auf dem freien Platz im Herzen der Hardhöhe ein Gemeinschaftszentrum zu errichten. Tausende von Neubürgern hätten eine Wohn- und Schlafstätte, sonst nichts! Heute dient die freie Fläche als schmuckloser Parkplatz. Große Empörung bei den Feuerwehren: Bei einem Scheunenbrand 1967 in Mannhof leitete der stellvertretende Feuerwehrkommandant der Freiwilligen Feuerwehr Mannhof den Einsatz seiner Männer. Plötzlich sank er um. Ein Herzschlag hatte seinem Leben ein Ende gesetzt. Zwei Jahre später hatten die Witwe und ihre beiden Kinder noch immer keine Versorgung zugesprochen bekommen. Die Versicherung lehnte Versorgungsansprüche ab, weil ihrer Ansicht nach „der eingetretene Tod in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand“. Keine Werbung für ein Ehrenamt! Mittwoch, 30. April 1969 Im Gebäude des ehemaligen Kaufhauses Weißer Turm am Kohlenmarkt eröffnete „Norma“ einen DiscountSupermarkt. 1969 hatte Norma in ganz Süddeutschland bereits 100 Supermärkte in Betrieb. Der abgelaufene Monat März erwies sich in der Wetterstatistik als ein verspäteter Wintermonat. In 20 Nächten kam es zu leichtem bis mäßigem Frost bis minus acht Grad. Nur wenige Tage herrschte wolkenloser Himmel mit Sonnenschein. Meist zeigte die Quecksilbersäule Werte zwischen drei und zehn Grad an. Foto-Porst eröffnete jetzt auch in Fürth eine Filiale in der Rudolf-Breitscheid-Straße 10 neben dem Café Wölfel. Mit sensationell günstigen Eröffnungsangeboten lockte man die Fürther aus ihrer Kaufzurückhaltung. Der Schulnotstand auf der Schwand vereinigte alle Parteien im Fürther Stadtrat. Die Stadträte erteilten einstimmig den Planungsauftrag für die Errichtung einer zweiten Bildungsstätte im Siedlungsgebiet des „Eigenen Heims“. Es sollte eine zwölfklassige Hauptschule sowie eine neunklassige Sonderschule entstehen. Der Schülerzuwachs entwickelte sich aufgrund der Zuzüge in die Neubaugebiete beängstigend. Mit den Eröffnungen von Supermärkten kam man kaum nach. Jetzt firmierte ein brandneuer „Edeka-Backdie“Supermarkt im ehemaligen Alhambra-Kino in der Fichtenstraße. Die Warenfülle einschließlich Frischfleischabteilung verteilte sich auf 350 qm. Die „Backdie-Gruppe“ im Rahmen der Edeka Nürnberg ist heute längst vom Markt verschwunden.
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