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Dienstag, 16. September 1969 Ungewöhnlich viel lokale Prominenz erschien beim „Festlichen Abend“ im Fürther Stadttheater. Die Städtischen Bühnen Nürnberg-Fürth warben dabei für ein repräsentatives Programm und einen Theaterumbau. Die meisten der 550 „oberen“ Fürther, in elegante Abendgarderoben gekleidet, stärkten ihr Theaterbewusstsein, einige nur ihren Magen. Von 102 Auszubildenden beim Großversandhaus Quelle hatten vier davon hervorragende Leistungen in ihrer Abschlussprüfung erzielt. Als Belohnung spendierte ihnen das Haus Quelle einen Badeurlaub auf Mallorca. Mittwoch, 17. September 1969 Die Israelische Kultusgemeinde Fürth hielt Rückschau auf das Jahr 5729 nach jüdischer Zählung. Gemeindevorsitzender Senator Jean Mandel bezeichnete den Besuch des israelischen Botschafters Asher Ben Natan in Fürth als einen der Höhepunkte. Jean Mandel selbst nahm auf einer Israelreise in der Knesseth an einem Frühstück mit Finanzminister Shareff teil. Außerdem besuchte eine Fürther Delegation den Kibbuz Maos Chaim, die Stadt Beithschaan sowie Kantara am Suez-Kanal. Senator Jean Mandel wurde eine weitere ehrenvolle Berufung zuteil: Er wurde als Nachfolger des verstorbenen Landesrabbiners Dr. Lichtigfeld zum Präsidenten des ORT (= organisation for rehabilitation through training) gewählt. Schwedische Kicker tauchten in der Kleeblattstadt auf: Das Team Kamratförening Grundig, eine Mannschaft der schwedischen Grundig-Niederlassung in Malmö, trat erstmals zum Fußball-Match gegen die hiesige GrundigBetriebssportgemeinschaft an. Auch nach einer 16-stündigen Bahnfahrt der Schweden hatten die Fürther Kollegen kein Erbarmen und siegten mit 8:1. Nachfolger für Dr. Frieda Vogel im Fürther Jugendamt wurde Philipp Schmidt. Er war bisher schon Stellvertreter dieser Behörde und seit 17 Jahren schon mit der Jugendarbeit verbunden. Er galt als Spezialist der „vorbeugenden Jugendfürsorge“. Der neue Amtsleiter wollte sich auch verstärkt um neue Pflegestellen bemühen. Der Fürther Stadtrat musste notgedrungen ein weiteres Darlehen in Höhe von einer Million DM genehmigen. Die Summe war notwendig geworden, um den Bau des neuen Wirtschaftsgebäudes am Stadtkrankenhaus weiter finanzieren zu können. Das Gebäude kostete jetzt schon 7,3 Mio DM. Wenn der Europakanal eines Tages fertig werden sollte, würde Nürnberg über einen sehr großen Staatshafen verfügen. Sollte Fürth nicht wenigstens über einen kleinen Sportboothafen verfügen? Das Interesse dafür war nicht groß. Von 43 angesprochenen Vereinen in Fürth bekundeten nur zehn ein Interesse. Das lag daran, dass Segeln, Wasserskifahren und Schwimmen vom Wasser- und Schifffahrtsamt von vorneherein verboten waren. Viele Motorbootfahrer gab es damals nicht. Donnerstag, 18. September 1969 Fürth erlebte seine größte, aber auch kürzeste Wahlversammlung. Gut dreitausend Fürther füllten den Platz der Fürther Freiheit, um Vizekanzler Willy Brandt (SPD) zu hören, der zwischen Würzburg und Nürnberg in Fürth für eine gute halbe Stunde anhalten ließ. Mit heiserer Stimme erläuterte er den Fürthern seine „Politik der kleinen Schritte“ gegen die „Politik der großen Worte“. Niemand wollte dem „Willy“ übel. Kein Zwischenruf, keine Sprechchöre gegen Brandt, die einzige Handgreiflichkeit war die Überreichung eines Straußes roter Nelken durch die Fürther SPD-Prominenz. Die SpVgg gewann ihr Mittwochsspiel beim SC Opel Rüsselsheim mit 3:1. Die Tore für Fürth erzielten Ondera (2) und Jäger. Damit verbesserte sich Fürth auf den 16. Tabellenplatz. Freitag, 19. September 1969 Die „Freunde des Fürther Theaters“ wurden aktiv. Man warb um Sympathisanten. Für einen Jahresbeitrag von 5 DM konnte man Mitglied werden. Zum Schulbeginn 1969 wurden in Fürth bei insgesamt 200 Klassen nur noch fünf Bekenntnisklassen gebildet. Sie waren alle an der Soldnerschule untergebracht. Im Vorjahr mussten noch 17 Bekenntnisklassen gebildet werden. Die Idee der Gemeinschaftsschule hatte triumphiert. Am Fürther Finanzamt an der Herrnstraße begann ein neuer Rationalisierungsversuch. Das Fürther Finanzamt sollte als erstes in der Bundesrepublik die Steuererklärungen nicht mehr wie bisher bis in die letzten Spalten auf Richtigkeit und Vollständigkeit prüfen, sondern die Steuererklärungen der Bürger zunächst als Grundlage der Steuerbescheide machen. Etwaige Ungenauigkeiten und falsche Festsetzungen sollten dann über eine spätere Prüfung korrigiert werden. Hoffentlich hatten bei Nachzahlungen die Steuersünder ihr Geld nicht schon längst ausgegeben. Im Filmprogramm zur Monatsmitte u.a.: „Köpfchen unters Wasser – Schwänzchen in die Höh“ mit Gila von Weitershausen und Helmut Förnbacher (Admiral), „Ein toller Käfer“ (Bambi), „Sartana ... bete um deinen Tod“ mit Klaus Kinski und Sidney Chaplin (Park) sowie „Warum hab ich bloß zweimal ja gesagt“ mit Ann Smyrner und Rainer Basedow (City).

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