Montag, 7. Juni 1971 Nach einem aufsehenerregenden Indizienprozess wurde ein 26-jähriger geschiedener Mechaniker aus Fürth zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte die 19-jährige Schneiderin Christine Weichselbaum, die von ihm schwanger war, heimtückisch ermordet. Beide waren Mitglied einer Faschingsgesellschaft. Ganz ohne Theater ging es in Fürth im Sommer doch nicht! Die Studiobühne der Volkshochschule stellte Ionescos „Der König stirbt“ auf die Bühne des Berolzheimerianums. Unter Karlheinz Schäfers Regie starb der König in sich gekehrt zur Beatmusik. Die Reiter-Union Fürth rief, und über 120 Pferde aus ganz Nordbayern kamen zur Pferde-Leistungsschau, um ihr Können in Dressur und im Springen zu zeigen. Die Leistungen lagen dabei vielfach über dem Durchschnitt. Es war die größte reitsportliche Veranstaltung, die Fürth bis dahin erlebte. Eine wahre Herausforderung an die beteiligten Organisatoren. Dienstag, 8. Juni 1971 Das zwölfte Schlosskonzert des Gesangvereins Burgfarrnbach 1865 geriet zur Parkserenade, weil die unansehnliche Schlossbaustelle doch nicht die rechte Kulisse abgab. Die überaus zahlreichen musikbeflissenen Burgfarrnbacher saßen auf langen Bänken und klatschten den Mitwirkenden begeistert Beifall. Zum Abschluss des stimmungsvollen Abends sangen alle gemeinsam unter den alten Bäumen „Guten Abend, gute Nacht“. Heute unvorstellbar. Wir Deutschen – ein Volk der Extreme? Kaum hatte man das Problem der allgemeinen Umweltverschmutzung erkannt, skizzierte man schon sehr düstere Zukunftsbilder. Im Hochhauscafé der Hardhöhe prophezeite die kommunalpolitische Arbeitsgemeinschaft der Fürther SPD die absolut letzten Tage der Menschheit, sollten Gegenmaßnahmen nicht schnellstens eingeleitet werden. Hurra, wir leben noch. Mittwoch, 9. Juni 1971 Der Radio-Amateur-Club Nürnberg-Fürth beteiligte sich am europäischen „field day“. Ein Garten am Fürther Brünnleinsweg diente deshalb als Funkstation. Es kam dabei darauf an, mit einem netzstromunabhängigen 25Watt-Sender möglichst viele Funkkontakte in aller Welt zu sammeln. Über eine riesige Antenne empfing man piepsende Morsezeichen. Insgesamt konnten an diesem Tag 345 Funkkontakte in den Logbuchblättern festgehalten werden. 49 Jugendleiter und Nachwuchskräfte des Kreisjugendringes Fürth verbrachten in der britischen Hauptstadt London einige schöne Tage. Bei der Ärmelkanal-Überquerung nach Zeebrügge wurden die Fürther stark durchgebeutelt, denn ein heftiger Sturm ließ die Fähre erheblich schlingern. Dies tat der erlebnisreichen Reise jedoch keinen Abbruch. Die Polizei beschlagnahmte bei einem Fürther Kioskhändler zwei Exemplare des indizierten Buches „Josephine Mutzenbacher und ihre 365 Liebhaber“. Durch Strafbefehl zur Kasse gebeten erhob der Betroffene Widerspruch und zog mit einem zum Verkauf erlaubten Hamburger Sexblatt (St. Pauli-Nachrichten) vor Gericht. Der Richter staunte nicht schlecht, was ihm darin alles geboten wurde. Vor Schreck stellte er das Verfahren unter dem Vorwand ein, es handle sich bei dem Buch sowieso nur um einen geringen Restbestand. Donnerstag, 10. Juni 1971 Wolkenbruchartiger Regen, der Tage zuvor im Oberen Zenntal niederging, erreichte am Mittwoch als Flutwelle das Fürther Stadtgebiet bei Atzenhof. Die Panzerstraße nahe Stadeln sowie die Atzenhofer Straße in Ritzmannshof mussten gesperrt werden. Gespenstisch wirkten in den überfluteten Wiesen die vielen Heuhaufen, die wie von Geisterhand durch das Hochwasser trieben. Gegensätze pur: Der Jugendwohlfahrtsausschuss begab sich auf seine jährliche Reise. Wurde am Vormittag die Jugend-Strafanstalt Ebrach besucht, deren Insassen mit Fortbildungskursen, Urlaub oder Sport geködert wurden, um eines Tages effektiv wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden zu können, so war das katholische „Liebfrauenhaus“ in Herzogenaurach schon ein sanfteres Gegenstück. Waisenkinder oder Nachwuchs mit starken Erziehungsschwierigkeiten wurden hier liebevoll betreut. So mancher Stadtrat sah in beiden Institutionen den einen oder anderen „alten Bekannten“ aus Fürth wieder. Die Fürther Künstlerin Gudrun Kunstmann hatte für die neue katholische Kirche in Eltersdorf eine neue Madonna geschaffen. Die schwere Statue stand auf Rollen, so dass man sie immer „ins rechte Licht“ rücken konnte. Freitag, 11. Juni 1971 Die Fürther Friedrichstraße bekam Luft. Bauarbeiter legten zwischen Fürther Freiheit und Maxstraße Parkbuchten an, in denen dann die bereits vorhandenen Parkuhren wieder aufgestellt wurden. Die donnerstägliche Fronleichnamsprozession geriet zum Zug der Regenschirme. Doch weder das schlechte Wetter noch die vielen Umzugsabsagen aus anderen Städten hielten Fürths katholische Bevölkerung davon ab, in
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