Richtung Fürth waren jetzt alle groben Erdarbeiten nahezu abgeschlossen. An den Böschungen fehlte nur noch die schwarze Asphaltdichtung. Als wahres „Pumpgenie“ erwies sich nach Angaben der Kripo ein 40-jähriger Behördenangestellter: Im Lauf mehrerer Jahre gelang es ihm, von mindestens 500 (!) Personen Darlehen in Höhe von insgesamt 80.000 DM zu erhalten. Mit den neuen Krediten zahlte er immer wieder Altschulden zurück. Durch die Darlehens-Reiterei blieben etwa 40.000 DM an Forderungen offen. Mittwoch, 23. Juni 1971 Bisher wurden in Fürth neue Telefonbücher nur gegen Rückgabe der alten Fernsprechbücher ausgegeben. Erstmals verzichtete die Post nun auf diese Umtauschform. Leider führten die meisten Fürther damals die alten Telefonbücher nicht den BRK-Papiersammlungen zu, sondern warfen die alten Telefonbücher einfach in den Hausmüll. Die Idee der Wiederverwendung von Rohstoffen war damals nur schwach ausgeprägt. Heute beträgt die Recyclingqoute bei Altpapier bundesweit 85%. Der Heimatverein „Alt-Fürth“ ging wieder auf große Fahrt. Diesmal besuchten etwa 100 Teilnehmer in zwei Bussen das Städtchen Seßlach, Schloss Tambach, die Burg der Herren von Streitberg in Ahorn sowie die Veste Coburg, die „Krone Frankens“. Archivdirektor a.D. Dr. Schwammberger erläuterte den Teilnehmern wie stets die geschichtlichen Zusammenhänge. Donnerstag, 24. Juni 1971 Im Fürther Westen, wo die Geografie im Umbruch war wie in einem historischen Film, ließ OB Scherzer bei einer Bürgerversammlung in der Gaststätte „Kirschbaum“ in Unterfürberg keine Illusionen aufkommen: „Wünsche, die viel Geld kosten, sind 1971 nicht drin.“ Die Darlegungen über die schlechten Finanzen der Stadt dämpfte die Lust zur Anmeldung von Wünschen. Schnell lichteten sich die Tischreihen. Vier Tage schmiedete eine Fürther Delegation in Paisley wieder an den Banden deutsch-schottischer Freundschaft. Ein wahres Blumenmeer empfing die sechsköpfige Fürther Stadtratsgruppe um BM Stranka. Sogar das Fürther Stadtwappen war als Blumen- und Pflanzenmuster vor der schottischen Stadthalle perfekt ausgelegt. Die Freundschaft der „twin-towns“ blühte. SDAJ und SMV zweier Fürther Gymnasien veranstalteten einen Informationsabend zum Vietnamkrieg. Zu den vorgebrachten Vorwürfen gehörte, dass man in Südvietnam Soldaten an deutschen Flammenwerfern ausbilden würde und deutsche Chemiekonzerne Napalm für die Amerikaner produzierten. Freitag, 25. Juni 1971 Die Johannisfeier auf dem Fürther Friedhof sollte stets ein eindrucksvolles Bekenntnis zum evangelischen Glauben werden, doch die Reihen der Mitfeiernden lichteten sich von Jahr zu Jahr. Pfarrer Polster hielt die Predigt, Chor und Posaunenchor unter der Leitung von Kantorin Luise Leikam trugen zur stimmungsvollen Gestaltung der Feier bei. Schneidige Kadetten begeisterten auf der Hardhöhe und der Freilichtbühne im Fürther Stadtpark: Junge Osloer Musiker in farbenfrohen Uniformen aus dem Jahre 1804 gaben zwei Konzerte. Die Gäste aus Norwegen ließen das Publikum strömen. Die Norweger sahen nicht nur schneidig aus, die spielten auch dementsprechend. Samstag, 26. Juni 1971 Die Fürther Geschäftswelt konnte wieder ruhig schlafen: Eine Bande, die in den letzten Wochen wiederholt spektakuläre Schaufenstereinbrüche beging, wurde dingfest gemacht. Drei der Täter kamen aus dem Landfahrermilieu. Das „Sechserteam“ flog auf, als ein Mitglied in München bei einem Geschäftseinbruch auf frischer Tat ertappt wurde. Das Werk Stadeln der Dynamit Nobel AG erlebte den ersten Streik seit Jahrzehnten. Rund 500 gewerbliche Arbeitnehmer der 2000-Mann-Belegschaft traten nach der Mittagspause in den Ausstand. Die Streikenden glaubten, die Firma wolle die seither geleisteten Erfolgsbeteiligungen abbauen, dabei wurden auf sie nur jetzt tariflich verankerte vermögenswirksame Leistungen angerechnet. Ein Missverständnis, der Betriebsrat hatte dieser Regelung vorher ausdrücklich zugestimmt. Nach Klärung des Sachverhalts zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung ging der spontane Streik friedlich zu Ende, die Werksleitung sah über die Ausfallzeiten großzügig hinweg. Montag, 28. Juni 1971 Eine „Abiturfeier“ im herkömmlichen Stil war nun auch in Fürth nicht mehr gefragt. Klimbim und Trara waren verpönt. Meist wurden jetzt im Foyer der Schule die Abiturienten im kleinen Rahmen verabschiedet, denn so ganz ohne alles wollten die jungen Leute nach mindestens neun Jahren gelebter Gemeinsamkeit doch nicht auseinanderlaufen. Beweihräucherungen durch die Schulleitung fielen weg, aber auch Beschimpfungen der Lehrer
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