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Der Sommerschlussverkauf in Fürth begann nicht so heiß wie das Sommerwetter vielleicht erwarten ließ. So kurz vor „dem Ersten“ war Bargeld knapp. Viele ausländische Gastarbeiter suchten nach Schnäppchen, hatten aber mitunter sprachliche Schwierigkeiten, „Schlips“ und „Slips“ zu unterscheiden, wie eine Verkäuferin der Presse gegenüber äußerte. Die Diskussionen um eine kommende Gebietsreform schlugen immer höhere Wellen. Lokalpatrioten aller politischen Schattierungen fühlten sich aufgerufen, das eigene Territorium gegen die „Angriffe der Feinde“ (Nachbargemeinden) zu verteidigen. Gleichzeitig starteten sie Angriffsfeldzüge, um selbst Gemeinden oder Landkreisteile in ihre bisherigen Gebiete einzuverleiben. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen wurden dabei überhaupt nicht berücksichtigt getreu dem Motto: Ein neuer Lebensraum wird sich schon seiner Verwaltung anpassen. Mittwoch, 28. Juli 1971 Seit Monaten tickte eine Zeitbombe, die jetzt von OB Scherzer entschärft werden konnte: Mehrere Mitglieder des Stadtausschusses für Leibesübungen hatten seit geraumer Zeit ihren Rücktritt eingereicht. Als wesentliche Begründung wurde das „unterkühlte“ Verhältnis zu Sportreferent Senator Karl Hauptmannl bezeichnet. Man verkehrte nur noch schriftlich miteinander und sah keine Grundlage mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Nach der in jeder Beziehung „heißen“ Sitzung hatte man sich auf Vermittlung des Stadtoberhauptes aber wieder lieb und die Rücktritte landeten im Papierkorb. Wer es möglich machen konnte, stürzte sich angesichts der tropischen Temperaturen in die kühlen Fluten. Das Sommerbad am Scherbsgraben zählte in den letzten drei Wochen 92.000 Badegäste. Die Fürther Brauereien konnten ihren Bierausstoß fast verdoppeln. Donnerstag, 29. Juli 1971 Der Fürther Sprinter Harald Werner vom LAC Quelle im TV Fürth 1860 erzielte bei einem Abendsportfest in Eckenhaid 10,4 Sekunden handgestoppt über 100 m. Damit stellte er den mittelfränkischen Rekord ein. Ein weitgereister Fürther kehrte über 80-jährig in seine Heimatstadt zurück. Sigmund May, aus Fürth stammender Selfmademan und Globetrotter schaffte es vom Lagerarbeiter zum gutsituierten Geschäftsmann. Als kubanischer Staatsbürger und mexikanischer Unternehmer stürzte er jahrzehntelang von einem Abenteuer in das nächste. Weltbekannt wurde er als „Fischzähmer vom Lago Maggiore“, wo ihm die Fische täglich aus der Hand fraßen. Seine unglaublichen Erlebnisse hatte er in seinem in der Schweiz veröffentlichten Buch „Wille und Schicksal“ niedergeschrieben. Seinen Lebensabend verbrachte er nun in einem Altenheim. Freitag, 30. Juli 1971 Zum Kirchweih-Fußballspiel der Burgfarrnbacher gegen eine Bundeswehr-Auswahl warf US-Oberst Miller den Ball aus einem Hubschrauber über dem Mittelkreis des Fußballplatzes ab. Damit nicht so viel Staub aufwirbelte, hatte ein Wasserwerfer der Fürther Polizei den Platz vorher unter Beschuss genommen. Im Fürther Stadtrat stellte Dr. Joachim Mertens den Antrag, der Tierkörperbeseitigungsanstalt Mattecka in der Vacher Straße die Betriebserlaubnis mit sofortiger Wirkung zu entziehen. Der Stadtrat fand den Antrag unzulässig und irreal. Die Stadt besäße dazu keine rechtliche Handhabe. Der Antrag wurde abgeschmettert. Nach einer Zurechtweisung durch OB Scherzer hatte Dr. Mertens laut protestierend den Sitzungssaal verlassen. Hämische Bemerkungen („Kasper“) wurden ihm nachgereicht. Der Fürther Stadtrat genehmigte einstimmig die Renovierung des Kindergartens an der Ottostraße. Außerdem sollte an der Badstraße eine moderne „Spielburg“ für Kinder entstehen. Nachdem diesseits und jenseits der Schwabacher Unterführung Passanten von Autos angefahren wurden, versuchte die Stadt die Gefahrenquelle zu entschärfen. Dazu sollten zwischen Theresien- und Karolinenstraße Sperrketten auf beiden Seiten ein Überschreiten der Schwabacher Straße verhindern. Samstag, 31. Juli 1971 Trotz der Urlaubszeit machte das Spendenkonto für den Fürther Theaterumbau erfreuliche Sprünge. Innerhalb von acht Tagen betrug der Zuwachs über 18.000 DM und der Kontostand lag nun bei 88.283 DM. Eine Fürther Firma hatte ihre Erstspende von 1000 DM sogar auf 10.000 DM aufgestockt. Das mittlerweile über die Region hinaus bekannte „Conny-Wagner-Sextett“ feierte sein erstes Funkjubiläum. Die Sendung wurde im Studio Nürnberg aufgezeichnet. Die Band trat auch schon in Österreich und in der Schweiz auf. Die sechs Musiker beherrschten insgesamt 30 Instrumente. Die Band bestand seit November 1969. Die deutsche Version des Schweizer „Hazy-Osterwald-Sextetts“ trat anfangs nur vereinzelt auf, inzwischen war man das ganze Jahr mit Auftritten ausgebucht. Das Kleeblatt in Rot: Fürths Blätterwald bekam Zuwachs. Das „rote Fürther Kleeblatt“ wurde von der Fürther Sektion der DKP aus der Taufe gehoben. Stadtrat Werner Riedl stand dem Blatt als verantwortlicher Herausgeber vor.

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