Seite:Kuntermann 1971.pdf/64

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen.

Der Winter in Fürth kam nach dem Mittagessen. Heftiges Schneetreiben zwang den Sonntagsdienst des städtischen Bauhofs, die Schneeräumarbeiten aufzunehmen. An den Steigungen der Zirndorfer- und der Hochstraße hingen Busse und Lastwagen. Wegen DFB-Pokalspielen war die Mannschaft der SpVgg war an diesem Wochenende spielfrei. Dienstag, 23. November 1971 Das Kinderheim St. Michael, bei den Fürthern schlicht „Waisenhaus“ genannt, beherbergte etwa 120 Kinder. Kurz vor Weihnachten entdeckten meist auch die Fürther ihr gutes Herz und versuchten ihr Gewissen zu beruhigen, indem sie für die Weihnachtstage ein Waisenkind in ihren Haushalt aufnahmen. Rund 60 Waisenhauskinder kamen so zu einem weihnachtlichen Familienanschluss. Ein riesiges Lebensmittellager mit allerfeinsten Delikatessen, aber auch Lederbekleidung stellte die Polizei in der Wohnung eines 38-jährigen Fürthers sicher. Der Einbrecher hatte seit Juni in der Fürther Südstadt 24 Kellerabteile aufgebrochen und sich mit Nahrungs- und Genussmitteln bedient, wobei er sich als Gourmet erwies. Jetzt wurde er auf frischer Tat ertappt und festgenommen. Die Sänger-Abteilung der SpVgg feierte ihr 60-jähriges Bestehen. Viel Lob von allen Seiten für den erfolgreichsten Männerchor der Stadt. Richard Friedrich wurde für sein Engagement von 25 Jahren als Chorleiter geehrt. Rührend: Gründungsmitglied Rektor a.D. Hans Braun griff im Alter von 83 Jahren noch einmal zum Stab und dirigierte den von ihm aus der Taufe gehobenen Chor. Mittwoch, 24. November 1971 Der ASV Fürth zeigte sich dankbar: Der Verein benannte den neuen B-Platz nach seinem verstorbenen Gönner „Karl Leupold“. Die Witwe bedankte sich dafür mit einem Scheck. Das „Kättala aus der Nürnberger Gartenstadt“ wurde geehrt: Die deutsche Fischwirtschaft zeichnete Bundesministerin Käte Strobel mit der „silbernen Glocke“ aus. Man würdigte damit ihr Eintreten für gesunde Ernährung. Früher hieß die Wirtschaft in der Unterfarrnbacher Straße 199 schlicht „Grimmsgütlein“, später „Linden-Klause“. Ab 26. November 1971 firmierte man unter dem Namen „Diskothek Peggy Sue“. Das Lokal überlebte auch diese Zeit. Die Amerikaner an der äußeren Schwabacher Straße nahmen ihr neues Gefängnis in Betrieb. Der weiße zweigeschossige Bau sah von weitem aus wie ein modernes Fabrikgebäude. Hölzerne Wachtürme und ein doppelter Zaun mit einem „Todesstreifen“ erinnerten dagegen mehr an die Grenze zur DDR. In Omnibussen wurden die ersten Gefangenen mit nummerierten Schildchen wie Postpakete angeliefert. In der städtischen Volksbücherei im Berolzheimerianum erfolgte die 100.000. Buchausleihe des Jahres 1971. Die „Jubiläumsausleiherin“, eine 11-jährige Schülerin, erhielt deshalb von Stadtschulrat Senator Karl Hauptmannl einen Franken-Bildband überreicht. Donnerstag, 25. November 1971 Seit Jahren war das Grundstück am Finkenschlag für die neue Schwandschule schon ausgespart, jetzt rückten die Bagger und Bauwagen an – und wieder ab. Grund: Ein Schreiben der mittelfränkischen Regierung war bei der Stadt Fürth eingetroffen. Dort hieß es: „Es wird ausdrücklich ersucht, mit der Baumaßnahme erst zu beginnen, wenn eine staatliche Beihilfe zugesichert ist.“ Die Kassenlage ließ momentan keine andere Möglichkeit zu. Ein nicht gerade befriedigendes Ergebnis für die Gegner einer Gebietsreform: Nur 22% der wahlberechtigten Landkreis-Bevölkerung hatte sich in die Listen zum Volksbegehren eingetragen, dies waren 12.329 Personen, die gegen die Pläne des Innenministeriums in der vorgesehenen Form waren. In der Stadt Fürth hatten sich ganze 161 Bürger eingetragen! Der aus Fürth stammende und einige Jahre auch am Hardenberg-Gymnasium unterrichtende Englischlehrer Dr. Bruno Opel wurde neuer Schulleiter des Wolfram-von-Eschenbach-Gymnasiums in Schwabach. Er war dort schon seit 1959 tätig. Freitag, 26. November 1971 Wer auf der neugebauten Trogbrücke des Europakanals über der äußeren Schwabacher Straße stand, fühlte sich an Highways von Los Angeles erinnert. Autobahnähnliche Doppelfahrbahnen prägten das südliche Ausfallstor der Stadt. Nur ein leises Summen der Motorgeräusche drang zur Trogbrücke nach oben. Der Albtraum der ehemals einspurigen und völlig überlasteten äußeren Schwabacher Straße gehörte der Vergangenheit an. Samstag, 27. November 1971 Die SPD-Frauen eröffneten zu den verkaufsoffenen Samstagen vor Weihnachten wieder ihren „JedermannsKindergarten“. In der Hirschenstraße 24 betreuten die ehrenamtlichen Helferinnen von 9 bis 18 Uhr kostenlos den Nachwuchs, damit die Eltern in Ruhe einkaufen konnten. Die Bäckerei Wölfel spendete dazu süße Sachen und

64