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schien. Was kostete damals in Fürth der Festbraten zu Weihnachten? Bei Lebensmittel Georg Roth konnte man ungarische Gänse (2,6 kg) zum Stückpreis von 11,50 DM kaufen, polnische Gänse (2,8 kg) zu 10,50 DM. In einem Leserbrief an die FN beschwerte man sich über den unzureichenden „Service“ der Fürther Gastronomen. In dem angesprochenen Fall wurden die Gäste am Kirchweihsamstag in einem Lokal um 23.30 Uhr abkassiert und aus dem Lokal gewiesen. Der Wirt erklärte, dass ja am nächsten Tag (Bauernsonntag) für ihn der größte Geschäftstag sei und er deshalb bald aufstehen müsse. Die Staatliche Realschule an der Ottostraße erlebte eine Feueralarmprobe mit Mängeln. Zwar dauerte es nur gut fünf Minuten, bis alle 780 Schüler und Schülerinnen das Gebäude verlassen hatten, doch das Anfahren der Löschzüge der Feuerwehr erwies sich als Katastrophe. Die Toreinfahrt war zu eng und die Ottostraße beidseitig zugeparkt, der Einschlagradius war für die Löschzüge nicht groß genug. Ergebnis: Komplettes Parkverbot im Bereich der Hofeinfahrt. Donnerstag, 23. Dezember 1971 Eine große Glückwunschwelle schwappte aus den Fürther Haushalten und Betrieben in die Postsäcke. Die weihnachtlichen Grüße überschwemmten das Fürther Hauptpostamt. Allein am 20. Dezember wurden in Fürth 147.000 Briefe und Karten ausgeliefert. Um die Grußlawine halbwegs aufzufangen, wurden die Briefkästen außerhalb der Leerungszeiten mehrfach zusätzlich geleert. Der Fürther St.-Johannis-Verein sorgte kurz vor Weihnachten für eine Überraschung: Man beschloss, das ehemalige Kinderspital an der Theresienstraße zu einem Altenwohnheim für rüstige Menschen umzubauen. Sie sollten mindestens 55 Jahre alt sein und möglichst aus der Altstadt stammen. 40 Wohnplätze mit Kochmöglichkeiten waren vorgesehen. Der Kostenaufwand war mit 500.000 DM kalkuliert. Auf dem Gelände der abgebrannten Turnhalle des TV Fürth 1860 an der Turnstraße entstand eine moderne Wohnanlage terrassenförmig abgestuft in Flachbauweise. Alle 52 Eigentumswohnungen verfügten über eine Loggia nach Südwesten mit Ausblick auf das Rednitztal. Bei Baubeginn waren schon 25% der Wohnungen verkauft. Freitag, 24. Dezember 1971 Fußballtrainer leben gefährlich. Beim Hallentraining, an dem er selbst mitmachte, holte sich Fürths Trainer Werner Bickelhaupt eine Prellung und einen Anriss der Innenbänder. Der Arzt verschrieb ihm zu Weihnachten und für die Dauer von fünf Wochen einen Gehgips. In Fürth existierte noch eine „Puppenklinik“ und ein „Puppendoktor“. Heinrich Winterbauer in seinem Geschäft in der Sternstraße 16 galt damals als einsame Kapazität im Frankenland. Etwa 150.000 Puppenpatienten waren schon über seinen „Chirurgentisch“ gegangen. Die vielen Schachteln in den Regalen waren mit Stichworten beschriftet wie „Beine Größe 40 – 50“, oder „Mamastimmen“. „Chefarzt“ Winterbauer stand schon fünf Jahrzehnte im Dienst. Hochbetrieb herrschte stets vor den Weihnachtstagen, wenn Kunden aus nah und fern ihre defekten uppen reparieren ließen. Die Beschäftigten im Einzelhandel stöhnten: Sie waren an den letzten vier Samstagen zusätzlich zu ihrem täglichen Pensum der Kaufwut der Kunden ausgesetzt, die ihre Gratifikationen unter die Leute brachten. Die meisten Verkäufer forderten an Samstagen ein Ende der Arbeitszeit um 16 Uhr. Danach plätschere das Geschäft nur noch so dahin. Ältere Jahrgänge empfanden die Arbeitszeit 1971 aber schon als Fortschritt, gab es doch früher sogar verkaufsoffene Sonntage bei einer Wochenarbeitszeit von weit über 50 Stunden. Montag, 27. Dezember 1971 Die Fürther mussten Weihnachten ohne Schnee feiern, Frau Holles Wolkenheim blieb dicht. Dafür regnete es jede Menge Weihnachtsgaben, die unter mindestens 12.000 Fürther Lichterbäumen lagen. Wer keine Angehörigen hatte, den lud die Arbeiterwohlfahrt per Omnibus ins Waldheim Sonnenland nach Oberfürberg ein. Dort gab es an geschmückten Tischen Kaffee und Weihnachtsgebäck. Nach einem musikalischen Programm konnte man sich dann an einem piekfeinen Abendessen samt Punsch laben. Tätige Nächstenliebe statt Konsum! In Fürth waren ökumenische Gottesdienste noch nicht angesagt, wohl dagegen in der Nürnberger Sebalduskirche. Am Heiligen Abend feierten dort Protestanten und Katholiken eine gemeinsame Christvesper. Die beiden Dekane stellten Verbindendes in den Mittelpunkt ihrer Weihnachtspredigten. Die kirchlichen Jugendorganisationen sowie der Kreisjugendring luden hiergebliebene ausländische Gastarbeiter und US-Soldaten ein. Aufatmen bei der Fürther Berufsfeuerwehr: Außer einem Ölofenbrand in der Ritterstraße musste man sich über die Festtage nur mit „Kleinigkeiten“ befassen, so z.B. mit der Befreiung zweier älterer Leute aus einem Badezimmer, aus dem sie wegen einer klemmenden Tür nicht mehr herauskamen. Dienstag, 28. Dezember 1971 Der 41-jährige Fürther Fußball-Nationalspieler Herbert Erhardt übte sich auf einem Nebenplatz des TV Fürth 1860

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