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Was der bayerische Minister Streibl fest zugesagt hatte, war noch lange nicht in Sicht: Das Raumordnungsverfahren über die Tierkörperbeseitigungsanlage Mattecka nach Oberfranken war noch nicht abgeschlossen. Schlimmer war für Fürth, dass man nicht wusste, ob die Entscheidung für oder gegen die Verlegung des Betriebs war. Die Spendenaktion bei der SpVgg lief weiter. Kassier Linz meldete als Zwischenstand eine Summe von erreichten 40.000 DM. Auch die SPD konstituierte sich neu: Mit Uwe Lichtenberg wurde eines der jüngeren Mitglieder der SPD-Fraktion neuer Chef. Fritz Engel und Willi Müller wurden zu Stellvertretern gewählt. SpVgg-Ex-Trainer Werner Bickelhaupt erhob Einspruch gegen Führerscheinentzug und Geldbuße wegen 1,33 Promille festgestellter Trunkenheit im Straßenverkehr. Er wollte während der Fahrt wegen seines nervösen Magens einige Underberg getrunken haben. Sein Verteidiger forderte daher Freispruch. Das Gericht setzte die Geldstrafe auf 1200 DM herunter, ansonsten blieb es bei einer Führerscheinsperre von sechs Monaten. Montag, 3. Juli 1972 Mit dem Inkrafttreten der Gebietsreform verloren die nach Fürth eingemeindeten Orte ihre bisherige Postleitzahl. Aber viele Straßen mussten noch umbenannt werden. So gab es z.B. in Vach eine Sommerstraße genauso wie im Stadtgebiet Fürth. Durch die Eingemeindungen wuchs Fürth zum 1. Juli flächenmäßig um 42,3%. Ritzmannshof, Flexdorf, Vach, Herboldshof, Steinach, Stadeln, Bislohe, Sack und Braunsbach zählten nun zu Fürth. Der damit verbundene Bevölkerungszuwachs betrug 11.017 Personen und Fürth zählte nunmehr 104.845 Einwohner. Ein Wolkenbruch brachte böse Überschwemmungen. Bis auf die Bahnbrücke an der Schwabacher Straße standen alle Fürther Unterführungen unter Wasser. Der Verkehr erstickte in der Sintflut. Viele Keller liefen voll Wasser. Auf der Hardhöhe startete die Neun-Tage-Gaudi in Form des Sommerfestes. BM Heinrich Stranka erwies sich wieder einmal als „Anzapfer vom Dienst“. Beim Frühschoppen am Sonntag herrschte schon eine pfundige Stimmung. Im ersten Vorbereitungsspiel zur neuen Saison erzielte die SpVgg beim B-Klassenverein TSV Burghaslach einen 5:1-Erfolg. Tore für Fürth durch Ammon, Heubeck, Marchl (2) und Dennerlein. Dienstag, 4. Juli 1972 Heiner Eckert, wandelndes Original und dienstältester Übungsleiter des TV Fürth 1860, feierte in der Wiesenstraße 27 seinen 80. Geburtstag. Seine Vereinsliebe ging so weit, dass er einen Teil seiner Rente monatlich per Dauerauftrag an die 60er abzweigte. Der Verein bedankte sich bei dem rüstigen Jubilar mit Geschenkkorb und Spielmannszug. Dann ergoss sich eine ganze Invasion von Gratulanten über den rüstigen Turner. Der Fürther Bergsteiger Hartwig Erdenkäufer schaffte im „Wilden Kaiser“ eine Erstbegehung. An der Elmauer Halt durchstieg er in zweieinhalb Stunden die bisher noch nicht bezwungene Südostwand. Zusammen mit einem Münchner und einem österreichischen Seilkollegen gelangte Erdenkäufer zum Gipfel. Die Wand der höchsten Schwierigkeitsstufe hatte es in sich. Mittwoch, 5. Juli 1972 Auch in Fürth begannen die Eintragungen zum Volksbegehren „Rundfunkfreiheit“. Eine Burgfarrnbacherin glaubte, mit ihrer Unterschrift in Zukunft keine Rundfunkgebühren mehr bezahlen zu müssen. Als man ihr Sinn und Zweck dieses Volksbegehrens erläuterte, verweigerte sie die Unterschrift. Die größte Baustelle Fürths fand sich nun in Dambach. Der TV Fürth 1860 verwirklichte am Waldrand sein neues Großprojekt. Das Wort „Turnhalle“ war schlicht eine Untertreibung. Der gesamte Baukomplex einschließlich der Tennishalle hatte eine Länge von 107 m. Die Fertigstellung war für Juni 1973 vorgesehen. Zur Finanzierung des 3,3-Mio-DM-teueren Projekts musste der Verein nur ein Darlehen von 600.000 DM aufnehmen, der Rest stammte aus dem Grundstücksverkauf für das Gelände an der Turnstraße, staatlichen Zuschüssen und Spenden. Donnerstag, 6. Juli 1972 Ergriffenheit breitete sich im Rathaus aus, als OB Scherzer an zwei Frauen die vom Bundespräsidenten verliehene Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik überreichte. Die 67-jährige Anna Distler stand seit 50 Jahren als Hausangestellte in den Diensten der Familie von Liesl Kiesling, der Schwester von Dr. h.c. Gustav Schickedanz. Die ebenfalls 67-jährige Franziska Koller war seit 1938 Kursleiterin in Erster Hilfe beim BRK. Glückwünsche und Blumen gab es anschließend von allen Seiten. Die Verkehrsunfallstatistik für den vergangenen Juni ließ den Schluss zu, dass es gelungen war, die Zunahme der Unfälle etwas zu bremsen. Zwar stieg die Zahl der Schwerverletzten von 15 auf 18 Personen gegenüber dem Vorjahr, doch die Gesamtzahl der Unfälle verringerte sich von 244 auf 231. Völlig untypisch: Gefährlichster Unfalltag war im Juni der Sonntag, während am verkehrsreichen Samstag die wenigsten Unfälle passierten.

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