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Da die Proteste gegen den Nürnberger Kunstmaler Pitt Cürlis nicht nachließen, kam es in den Räumen von Gemälde-Reiner zu einer Diskussion über das provokante Gemälde. Etwa 40 Fürther Bürger (vorwiegend ältere Leute) waren erschienen. Nach hitziger Debatte mit dem Künstler entfernte die Galeriechefin das Gemälde aus Sicherheitsgründen in ein stilles Kämmerchen. Die SpVgg verlor ihr Auswärtsspiel beim Angstgegner SSV Reutlingen mit 0:1. Damit beendete man das Jahr 1972 auf dem zehnten Tabellenplatz der Regionalliga Süd. Dienstag, 19. Dezember 1972 Nur 18 Monate konnte sich der amerikanische Brigadegeneral und Standortkommandant John F. Gerrity als Fürther fühlen. Jetzt wurde er in die Staaten zurückversetzt. OB Scherzer verabschiedete ihn mit einem Erinnerungsteller sowie der Ludwigseisenbahn in Zinn. Der gesellschaftlich-offizielle Höhepunkt für Fürther Meistersportler und Verantwortliche war die traditionelle Ehrung in der Aula der Berufsschule II. Über 30 Einzelsportler und 14 Mannschaften waren dazu aufgerufen. Den Reigen aufs Podium zu OB Scherzer führte erwartungsgemäß Olympiasieger Bernd Kannenberg an. Am Ende schritten 130 Sportler zur heißen Schlacht am kalten Büffet. Mittwoch, 20. Dezember 1972 Die Maler Karl Dörrfuß und Georg Weidenbacher erhielten im Fürther Rathaus aus der Hand von OB Scherzer das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik überreicht. Nach eineinhalb Jahren Bauzeit wurde der Bauzaun am Fürther Stadttheater abgerissen. Zum Vorschein kam der neue Anbau des Bühnenhauses. Bis zur Einweihung sollte es aber noch etwas dauern. „Klingelingeling“ und „O Tannenbaum“ waren out. Die Schüler der Staatlichen Realschule feierten Weihnachten mit Popklängen und Drummergedröhne. Und so ertönte zu zeitkritischen Texten „He's got the whole world in his hand“. Die Verantwortlichen des TV Fürth 1860 waren fündig geworden. Das Trainingslager der Leichtathleten im Frühjahr 1973 sollte im jugoslawischen Opatija sowie im sieben Kilometer entfernten Stadion von Rijeka stattfinden. Donnerstag, 21. Dezember 1972 In der Südstadt spielte sich ein blutiges Familiendrama ab: Ein 16-jähriger farbiger US-Oberschüler erstach nach heftigen Auseinandersetzungen seinen Vater, einen Sergeanten der US-Armee, mit einem Fleischermesser. Der jugendliche Täter wurde von der Militärpolizei festgenommen und der Fürther Kripo übergeben. Fürths ältester und eifrigster Naturschützer wurde 80 Jahre. Dr. Martin Wißmüller war seit 1945 Naturschutzbeauftragter und setzte sich als Wissenschaftler unermüdlich für die Erhaltung der Schöpfung ein. Von 1955 bis 1966 leitete er den Bund Naturschutz. Über 30 Jahre unterrichtete er am Hardenberg-Gymnasium Chemie und Biologie. Für seinen Einsatz für die Natur wurde ihm 1971 das Bundesverdienstkreuz verliehen. Die Stadt Fürth bürokratisierte den Reitverkehr im Stadtwald: Man erließ eine Satzung, nach der Pferde bei der Benutzung von Waldwegen wie Autos eine Zulassungsnummer zu tragen hatten. Dafür waren Gebühren von 30 DM (Erwachsene) und 18 DM (Jugendliche) zu entrichten. „Zulassungsstelle“ war die Stadtförsterei. Ab jetzt konnte man Reiter bei Verfehlungen auch mit einem eigens geschaffenen „Bußgeldkatalog“ zur Kasse bitten. Freitag, 22. Dezember 1972 Der Fürther Stadtrat beschloss nun offiziell den Abriss der ehemaligen Geismann-Mälzerei neben dem Stadttheater, um eine (vorübergehende) neue Parkfläche zu schaffen. Längerfristig dachte man an dieser Stelle an ein Parkhaus, noch nicht an ein Einkaufs-Center. Etwa 60 Jugendliche im Sitzungssaal des Rathauses demonstrierten für ein an dieser Stelle zu bauendes Kommunikationszentrum, allerdings ohne Erfolg. Die Fürther Tanzschule Streng stimmte das junge Publikum schon mal auf den neuen Faschingstanz „Tumba Tumbala“ ein. Der Schlager der kommenden Faschingssaison wurde auch als „Affentanz“ bekannt. Bei diesem Gehopse ging man in die Knie, schwang zunächst wild mit den Armen, um dann mit den Händen in der Luft zu krabbeln und imaginäre Bananen zu pflücken. (Schlagerstar Ralph Bendix hatte das passende Musikstück dazu geschrieben.) Schluss mit „La Bostella“! In den Läden tauchte zum Jahresende erstmals ein Sekt aus der DDR auf. „Schloss Freyburg“ sollte auch den Fürther Bereich erobern. Der Sektverbrauch in der Bundesrepublik war allein im Jahr 1971 um 19% gestiegen. Samstag, 23. Dezember 1972 Die Stadt Fürth machte ihren Bürgern ein seit Jahrzehnten ersehntes Weihnachtsgeschenk: Die Rednitzbrücke zwischen Schwabacher und Zirndorfer Straße wurde dem Verkehr übergeben und damit endlich ein zweiter hochwasserfreier Talübergang. Stolze 18 Mio DM kosteten die paar hundert Meter. Dieser Teil der heutigen Südwesttangente ist aus dem Verkehr der Städte Nürnberg und Fürth nicht mehr wegzudenken.

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