ist vom Juli 1913 bis Juli 1916 erneuert worden.169 11. Die Bäckermeister lehnen die Forderungen der Gehilfen weiterhin ab. Das Gewerkschaftskartell läßt Flugblätter in verschiedenen Stadtbezirken verteilen, die zum Boykott der Bäckermeister auffordern, die die Forderungen nicht anerkennen. So wurde beispielsweise die Forderung abgelehnt, „statt der Naturalienverpflegung den baren Lohn“ auszuzahlen. Weiter heißt es: „Es ist wohl jedermann bekannt, daß die größten Sklaven unter den Arbeitern die Bäckergehilfen sind. Erstens verrichten sie ihre Arbeit bei Nacht, zweitens arbeiten sie 7 Tage in der Woche, drittens unterliegen sie noch dem Kost- und Logiszwang beim Arbeitgeber.“ Die Bäckermeister hätten zudem die Vermittlung des Gewerkschaftskartells abgelehnt, deswegen unterstützt das Gewerkschaftskartell die Bäckergehilfen. Abschließend ein Aufruf „Genossen, weist den Bäckermeistern, die unten verzeichnet sind, die Tür.“170 12. Die geringe Baulust in Fürth wird allgemein beklagt, an größeren Gebäuden werden nur die Realschule und das Großkraftwerk Franken in Gebersdorf errichtet.171 13. Die Forderungen der in Spielwarenexport beschäftigen Arbeiter wurden von den „Prinzipalen“ nicht beantwortet. Die Arbeiter beschließen eine Kündigung (des Tarifvertrages).172 - Eine neuerliche Diskussion über die Frage des Brückenbaus über die Pegnitz wird von den bürgerlichen Fraktionen sabotiert, indem sie den Sitzungssaal verlassen, wodurch die Sitzung nicht mehr beschlußfähig war.173 14. Marinetruppen der USA besetzen Nicaragua, um einer europäischen Intervention wegen der Schulden des Landes zuvorzukommen. Banken aus den USA übernehmen die Bürgschaft für die Zahlungsverpflichtungen. 15. Der Magistrat als Aufsichtsbehörde hat die Kasse der Ortskrankenkasse einer gründlichen Revision unterzogen. Ernstliche Beanstandungen haben sich nicht ergeben, die Kasse wurde ordnungsgemäß geführt. „Durch die Revision stehen Vorstandschaft und Kasse nach jeder Richtung hin gerechtfertigt da. Die Beschwerde der Arbeitgebervertreter ist somit hinfällig.“ - Der Krankenstand in Fürth ist tatsächlich doppelt so hoch wie in Nürnberg (vgl. 10.8., 9.8.).174 Der österreich-ungarische Außenminister Leopold Graf Berchthold schlägt eine Konferenz der Großmächte vor, um einen Balkankrieg zu verhindern. 16. Im Schwarzen Kreuz findet eine „äußerst stürmisch verlaufene“ außerordentliche Generalversammlung der Allgemeinen Ortskrankenkasse statt, die bis in die frühen Morgenstunden dauert. Mehrere Arbeitgeberdelegierte bezweifeln den Revisionsbefund des Magistrats. Ansonsten wird nach wie vor der Hauskauf kritisiert, für den zu viel bezahlt und Geld mit zu hohem Zinssatz aufgenommen wurde. Dieser Vorwurf wird von Vorstand Bauer zurückgewiesen, aber sachlich nicht entkräftet. Vorstandsmitglied Mörsberger hält es für eine Skandal, „wie man die Oeffentlichkeit in dieser Sache aufgeregt hat ... In ganz Deutschland wird von einer sozialdemokratischen Mißwirtschaft der Ortskrankenkasse Fürth gesprochen... Nach dem Revisionsbefund dürften die Arbeitgeberdelegierten allen Anlaß haben, den Rückzug anzutreten.“175 20. Paul Rieß vermerkt, daß sein Vaterhaus, das Johann Rieß'sche Haus, Gustavstr. 10, durch Kauf an den Kartonagefabrikanten Pemsel übergeht. Seit dem Jahre 1845 [Bleistifteintrag: 1858] wird in dem Haus ein Woll- und Kurzwarenhandel betrieben.176 22. Der Magistrat bewilligt nun doch 165.000 Mark für den Bau eines Betriebs- und Lagergebäudes für das städtische Installationsgeschäft an der Theresienstraße, was noch am 1. August abgelehnt wurde und zum Rücktritt von Baurat Tillmetz führte. - Im Krankenhaus sind Privatzimmer eingerichtet worden, der Magistrat setzt den Verpflegungssatz fest: erste Klasse täglich 7 Mark, zweite Klasse 5 Mark. - Die Direktion der König-Ludwig-Quelle will an der Kurgartenstraße ein 70 Meter langes Badehaus errichten.177 23. Friedensgespräche zwischen osmanischen und italienischen Unterhändlern in Caux (Schweiz). 24. Die König-Ludwig-Quelle wurde von der kgl. Staatsregierung als staatliche Heilquelle anerkannt. - 25jähriges Stiftungsfest des Vereins „Männerbund Waldfreunde“.178 25. Unruhen im osmanischen Mazedonien. Die osmanische Regierung siedelt Moslems aus Albanien an, die Bulgaren in Mazedonien erbitten Hilfe von der bulgarischen Regierung. 26. 2 Riesenpilze (60 cm Durchmesser, 16 Pfd. Gewicht) werden „in der Nähe des alten Weidenbaums am Karlssteg gefunden und der Natur-Wissenschaftlichen Gesellschaft (Lokal Restauration Haagen ´Zum Ludwigsbahnhof´) übergeben“. Grund für solche Wildwüchse könnte in der „anhaltend unheimlichen, kalten, regnerischen Witterung“ liegen.179 - Streik der Packer, Einbinder und Arbeiter der Spielwarenexportgesellschaften und der Messingschleifer bei Max Offenbacher, Kanalstraße. Schutzleute patroullieren vor den betreffenden Geschäftshäusern zum Schutze der Arbeitswilligen. - In dem Restaurationsanwesen zum Schlößla an der Vacherstr. sowie im Schustersgärtla an der Erlangerstraße stehen die Apfelbäume zum zweiten Mal in Blüte.180 27. Die Arbeiten zur Unterführung an der Luisenstraße beginnen. - 25jähriges Jubiläum von Sommertheater-Direktor Bernhard Weindl. Das Theater residiert im Geismannssaal. „Der Besuch ließ manchmal viel zu wünschen übrig“. 28. Paul Rieß gibt einen Zeitungsbericht über die Wirtschaftsverhältnisse einer Familie mit acht Kindern wieder: Einkünfte 25 Mark wöchentlich, davon Abzüge: 3,50 Mark Miete, 0.50 Mk. Versicherung, 0,80 Mk. Verband, 0,37 1/2 Mk. Steuer, 0,22 1/2 Mk. Zeitung, unter dem Strich bleiben 19,60 Mk. Davon gehen für die Grundnahrungsmitteln Brot, Semmeln, Milch und Kartoffeln 11,58 Mk. ab. Die restlichen 8,02 Mk. müssen für 81
Seite:Rieß-Chronik 1912 (Überarbeitung Alexander Mayer).pdf/11
Aus FürthWiki