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Baum, in der sich 159 von 164 Anwesenden dafür aussprechen, an dem gefaßten Beschluß auf Zurückeichen der Gläser festzuhalten (vgl. 6.7.).176 22. Die Bäckerinnung beklagt sich über den jüngst gefaßten Magistratsbeschluß, wonach die nach Fürth kommenden Landlehrlinge mit 7jährigen Schulbesuch und mit dem behördlichen Schulentlassungsschein versehen, ein achtes Schuljahr nachholen müssen, wenn sie hier in die Lehre treten. Diese Vorschrift greife tief in das Erwerbs- und Wirtschaftsleben ein, alle in Fürth ansäßigen Gewerbe würden sich dadurch geschädigt fühlen (s. 24.7.)177 24. Zu den Feierlichkeiten anläßlich der Jahrhundertfeier an der Befreiungshalle in Kelheim sind auch von hier viele Personen gereist. - Die Zirndorfer Lokalbahn befördert anläßlich der Zirndorfer Kirchweih 14.000 Personen, der größte Tagesverkehr seit Bestehen der Bahn.178 25. Namenstag von Prinzregent Ludwig. Festgottesdineste in den Kirchen und der Hauptsynagoge, Beflaggung der öffentlichen Gebäude. - Im „Schaummaßkrieg“ nimmt nun auch das Gewerkschafts-Kartell gegen die Wirte Stellung. Sie könne die Wirte nicht darin unterstützen, durch die Zurückeichung der Halblitergläser auf 0,45 Liter ihre „Lebenslage“ auf Kosten der Konsumenten zu verbessern (vgl. 20.7.). - Die städtischen Kollegien beschließen zur Linderung der Not von Arbeitslosen Notstandsarbeiten (Zerkleinerung von Basalt). Von nahezu „2000 Arbeitslosen“ melden sich nur 15 Mann.179 26. Versammlung der städtischen Licht- und Stromkonsumenten. Es wird eine Protestnote gegen die neue Strompreisvorlage beschlossen (s. 16.8.) und eine neue Vorlage auf Grundlage der Nürnberger Tarife gefordert.180 30. Das Stadtwappen und die Initialen des Stifters der Glocken und des Gitters (Leonh. Büttner und seine Ehegattin) auf dem Turm der Auferstehungskriche wurde frisch vergoldet und wieder angebracht. - Das Hotel National, das zur Zeit bis auf die Umfassungsmauern innen vollständig umgebaut wird, erhält vom neuen Besitzer nach der Umgestaltung den Namen „Parkhotel“ (s. 21.4.).181 31. Paul Rieß vermerkt: „Die neue Herrenmode, daß circa 10 Ctm breite Hemdumlegekragen über dem Rockkragen herausgeschlagen werden, wird auch hier von vielen jungen Leuten eingeführt. (Es ist bis jetzt die höchste Leistung in der Verunglimpfung der Herrenkleidung, es sieht unschön u. mädchenhaft aus)“.182 - Die BASF nimmt die Ammoniumffabrik in Oppau in Betrieb, die erstmalig die Herstellung von Sprengstoff und Munition ohne Importe aus Übersee ermöglicht. Gewerbliche Statistik: Erfreuliche Besserung bei der Holzindustrie und im Handelsgewerbe, auch in der Metallindustrie wurde im August eingestellt. Ansonsten zumeist weitere Verschlechterung, v.a. im Baugewerbe, was mit der Beendigung der großen Kanalisationsbauten zusammenhängt, soweit ungelernte Arbeiter beschäftigt werden konnten. Bei der Unterführung des Kanals unter dem Staatsbahnhof können nur gelernte Arbeiter verwendet werden.183 Städtisches Arbeitsnachweisamt: auf 800 männliche Arbeitssuchende kamen 353 offene Stellen und 298 vermittelte Stellen, auf 357 weibliche Arbeitssuchende 244 Stellen und 159 vermittelte Stellen. „In der Holz- und Glasindustrie ist eine leichte Besserung eingetreten, dagegen hält bei den anderen Berufszweigen die Depression noch an. Auch in der weiblichen Abteilung sind mehr Stellensuchende als offene Stellen zu konstatieren, was früher niemals der Fall war.“184

September 1913 1. Mit der Untertunnellung des Bahnkörpers am Hauptbahnhof zur Durchführung des Sammelkanals wird begonnen. - Unterrichtsbeginn an den Volksschulen (Neuanmeldung von 738 Knaben und 799 Mädchen).185 2. Die Brauereibesitzer drohen allen Wirten, die Pächter brauereieigener Wirtschaften sind, die Kündigung an, falls sie ab 1. Oktober die neuen 0,5 Litergläser nicht einführen (s. 25.8.). - Im Gegensatz zu Kaiser Wilhelm nimmt der Prinzregent ein am 13.8. an ihn gesandtes Geschenk des Kartonagefabrikanten Spiegelberger nicht an (Rahmen aus gepreßten japanischen Leder mit einem Foto der königlichen Familie): Kgl. Hoheit müsse sich die Annahme von Geschenken versagen. Das zurückgesandte Geschenk erhält der Kriegsveteranenverein (vgl. 21.7.).186 3. Der Magistrat erläßt eine Gebührensatzung für Benützung der städt. Kanäle.187 4. Die Umwandlung der hiesigen kgl. Realschule in eine Oberrealschule wurde von der Kgl. Regierung abgelehnt.188 6. Von den Einwohnern Zirndorfs wird an die Betriebsleitung der Lokalbahn die Bitte gestellt, geeignete Verbindung herzustellen, damit das Stadttheater in Fürth besucht werden kann.189 7. III. Mittelfränkischer Kreisverbandstag des evangelischen Sängerbundes. - 48jähriges Stiftungsfest des katholischen Gesellenvereins.190 - Kaisermanöver in Schlesien. Gespräche zwischen deutschen, östereichischen und italienischen Militärs. Zur Debatte stehen die Ausdehnung Serbiens, die Einführung der dreijährigen Militärzeit in Frankreich und die Vorbereitung einer Marinekonvention zwischen Großbritannien und Rußland. Die Dreibundstaaten wollen Serbien zum Rückzug aus Albanien zwingen. Trotz der Gebietsforderungen Italiens an Österreich (Südtirol und Trient) kommt es zu einem österreichisch-italienischen Mittelmeerabkommen. Italien tritt Zweifeln an seiner Bündnistrue entgegen. 8. Gesamtschülerzahl der israelitischen Realschule 114, 27 Neueintritte, 46 Schüler in der Vorschule.191 109