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(Schmuckkästchen in Form eines Jagdschlößchens, hergestellt aus 32 Holzsorten) das Kgl. Preuß. Verdienstkreuz in Gold.152 22. Das Gemeindekollegium lehnt die Bereitstellung von 10.000 Mark für die Arbeitslosenunterstützung ab. Es sollen vom Magistrat Vorschläge gemacht werden, wie durch die Stadt den Leuten Arbeit gegeben werden kann. „In Arbeiterkreisen hat die Nichtbewilligung große Erbitterung hervorgerufen.“153 - Das Osmanische Reich greift Bulgarien an und erobert Adrianopel (Edirne) zurück. 23. Das Kriegsministerium wählt das Gelände für die neu zu errichtenden Infanterie- und Artillerie-Kasernen. Erstere kommt in die Nähe der jetzigen Infanterie-Kaserne, letztere wird in der äußeren Schwabacherstr. auf der Straßenseite gegen Höfen zu errichtet (s.14.3.).154 24. In der Magistratssitzung bedauert OB Kutzer die Nichtbewilligung der einmaligen Arbeitslosenunterstützung durch das Gemeindekollegium. Auf Antrag von Stadtbaurat Zizler wird die Kanalisation der Gebhardtstraße schon in nächster Zeit ausgeführt, um Arbeitslose beschäftigen zu können. Es werden 78.000 Mark dafür bereitgestellt. - Der Magistrat beschließt, daß die 8jährige Schulpflicht auch auf junge Knaben ausgedehnt wird, die nach 7jähriger Schulpflicht vom Lande in die Stadt kommen.155 - Die Müllverbrennungsanlage wird von amerikanischen Ingenieuren besichtigt.156 27. Olympische Wettkämpfe um den Titel „Nordbayerischer Meister 1913“ auf dem Sportplatz des Fußballklubs Fürth. Von 15 Titeln erringen die Fürther Sportvereine 6.157 28. Die aufwendige Dekoration der Häuser und Straßen zum Prinzregentenempfang wird von Bauamt und Privaten mit Hochdruck betrieben. An der Stadtgrenze Nürnberger Straße wurde eine über die ganze Straßenbreite reichende und 10 Meter hohe Empfangspforte errichtet, eine mächtige Krone aus rot und gold verzierten Tannenzweigen bilden ihren Abschluß. In der Nürnberger und Königstraße sind zu beiden Seiten in kurzen Abständen freistehende Masten mit den Stadt- und Landesfarben errichtet. Das Rathaus ist mit „kollossalen“ Kränzen und Girlanden drapiert. Der Balkon, von dem aus die hohen Herren die Huldigung der Sänger entgegennehmen, wird mit einem roten Baldachin überdacht. Die Schwabacher Straße gleicht durch Girlanden und Bänder einem Laubengang, etc. etc. - Im Evorasaal verabschieden die Gewerkschaften eine Resolution, derzufolge mit Entrüstung die Ablehnung des Betrages von 10.000 Mark für die einmalige Unterstützung von Arbeitslosen seitens der bürgerlichen Mehrheit der Gemeindebevollmächtigten zur Kenntnis genommen wird, während gleichzeitig 5.000 Mark für den Empfang des Prinzregenten bereitgestellt werden. Die Gewerkschaften zahlen den ausgesteuerten Arbeitslosen nun je 10 Mark und den nicht Bezugsberechtigten je 5 Mark Unterstützung pro Tag, vermerken jedoch, daß die Gewerkschaften durch die große Arbeitslosigkeit an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sei, alleine im ersten Halbjahre 1913 habe man 39.402 Mark Arbeitslosenunterstützung ausgegeben. Die Gewerkschaftsführer forderten die Arbeiter auf, dem morgigen Einzug des Prinzregenten fernzubleiben und auch die Kinder abzuhalten. 158 - Die deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit warnt vor besonders hohen Arbeitslosigkeit im Winter 1913/14 und fordert die Kommune auf, schon jetzt die Möglichkeiten zu Notstandsarbeiten zu schaffen. 159 - In einem Vertrag mit Großbritannien erklären Deutschland und das Osmanische Reich, daß die Bagdadbahn nur bis Basra gebaut wird. Die Briten verfolgten das Projekt mit Mißtrauen, da mit ihr Deutschland als Konkurrent bei der Erschließung Persiens auftreten könnte. 29. „Prinzregent Ludwig besuchte heute mit seiner hohen Gemahlin und seinen erlauchten Töchtern, den Prinzessinen Adelgunde, Hildegard, Wiltrud, Helmtrud und Gundelinde unsere Stadt. Früh 8,35 Uhr gelangten die hohen Gäste in drei vierspännigen Hofwagen von Nürnberg kommend an der Stadtgrenze bei der dort errichteten Ehrenpforte an und wurden von weißgekleideten hiesigen angesehenen Bürgerstöchtern mit dem Hofknie begrüßt. Fräulein Grabert trat an den Hofwagen des Regenten und trug ein Gedicht vor, das mit den Worten endete: Grüßend neigt sich die treue Stadt Fürth. Hierauf wurden die Prinzessin Ludwig und den Prinzessinen Töchtern prächtige Buketts von Rosen und Nelken überreicht. Alsbald setzte sich der Zug unter Glockengeläut und Salutschießen der Artillerie in Bewegung. Hochrufe erklangen aus tausenden von Kehlen... So ging es unter fortwährenden brausenden Hochrufen und Tücherschwenken die schön geschmückte Nürnberger- und Königstraße entlang dem Rathause zu. An den beiden Seiten dieser langen Straße bildete die hiesige Schuljugend Spalier. Von der Peterstraße [von 1927 bis 1977 Bahnhofstr., dann Gustav-Schickedanz-Str., bei Großteilen der Bevölkerung nach wie vor Bahnhofstraße; Anm A.M.] an der Männerturnverein, der Turnverein 1860, die Schüler des Gymnasiums, die Veteranen der Soldatenvereine, die Schützengesellschaft, die Schülerinnen der höheren Mädchen- und der Handelsschule und die Wehrkraftjungen. Beim Rathause hatten weiß gekleidete junge Damen, die Offiziere der hiesigen Garnision und die Ehrenwache Platz genommen. Gegenüber hatten sich die vereinigten Sänger des Gauverbandes Fürth mit ihren Fahnen aufgestellt. Als die hohen Herrschaften vor dem Rathause angelangt waren, wurden sie von Herrn O.B. Kutzer im Namen der Stadt empfangen und von den dort stehenden, nach vielen Tausenden zählenden Personen mit ungeheurem Jubel begrüßt. Vom Turme spielte die Artilleriemusik herab. Es war eine feierliche Stunde, die jedem der Beiwohnenden unvergeßlich sein wird. Helle Freude und Patriotismus war auf allen Gesichtern ausgeprägt.“ Im Sitzungssaal hält OB Kutzer ein Ansprache, neben Lobpreisungen des Gastes klangen aber auch besorgte Töne an: 107