Bundesschießen am Lindenhain. - 800 Sänger des Gauverbandes „Vereinigte Sänger Fürths“ zogen mit wehenden Fahnen und in Begleitung von 2 Musikkapellen vom Rathaus zum Staatsbahnhof, um mit einem Extrazug die Fahrt nach Bamberg zum fränkischen Sängerbundesfest anzutreten.157 19. Haupttag des Bundesschießens, über 700 Schützen sind beteiligt, 13.000 Eintrittskarten verkauft und 86 Hektoliter Bier getrunken. Selbst ein „furchtbares“ Unwetter, das das ganze Schützenfest überschwemmte, kann die Feier nicht bremsen.158 20. 4.700 Eintrittskarten zum Schützenfest verkauft, 51 Hektoliter Bier ausgeschenkt.159 - Frankreichs Staatspräsident Poincaré zum Staatsbesuch in Petersburg. 22. Das Schützenfest am Schießanger, zu dem „wahre Volkerwanderungen“ unterwegs sind, wird durch Vorführungen der „Vereinigten Sänger Fürth“ verstärkt, aber wiederum durch ein Unwetter unter Wasser gesetzt.160 23. Die neue städtische Desinfektionsanstalt neben dem Gaswerk ist im Bau vollendet, Inbetriebnahme wahrscheinlich Ende des Jahres. - Der vermeintliche Bilderdiebstahl (s. 16.7.) ist durch den Hinweis von Paul Rieß aufgeklärt. Die vermißten Bilder stammten aus der Henleschen Stiftung. Der Stifter Henle ließ sich die Bilder jedoch 1889 wieder retour geben, wovon kein Vermerk gemacht wurde und was dem jetzigem Verwalter unbekannt war. Ende des Bundesschießens.161 - Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien, u.a. sollen österreichische Beamte in Serbien bei der Untersuchung des Attentates in Sarajevo beteiligt werden. 24. „In Fürth entfallen auf 1.200 Einwohner ein Schutzmann, während in anderen Städten auf die gleiche Zahl zumeist 2 fallen .“162 25. Ehrenabend der SpVgg für die siegreiche Elf. - „Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Oesterreich und Serbien versetzte die hiesige Bevölkerung in starke Aufregung. Die Depeschentafeln der Zeitungen waren fortgesetzt belagert. Extra-Blätter erscheinen. Man denkt allgemein, daß ein Weltkrieg zum Ausbruch kommt“.163 - Rußland garantiert Serbiens Souveränität. 26. „Auf den Straßen und in den Wirtschaften ging es heute lebhaft zu. Die hiesige Bevölkerung (ebenso im ganzen Deutschen Reich) sieht mit Spannung der Entwicklung des österreichisch-serbischen Konfliktes entgegen. Extraausgaben der Zeitungen erscheinen. Die Sympathie ist auf Seite Oesterreichs. Bis spät in die Nacht hinein wurden patriotische Lieder gesungen: Es braust ein Ruf wie Donnerfall - Die Wacht am Rhein - Deutschland, Deutschland über alles - Gott erhalte Franz den Kaiser. In Nürnberg wogten große Menschenmassen durch die Straßen und brachten vor dem Oesterreichischen Consulat und am Kriegerdenkmal Ovationen dar, während vor dem serbischen Consulat ein Gejohle und Pfuirufe ertönten.“164 28. Österreichische Kriegserklärung an Serbien. - Frau Caillaux, die im März den Chefredakteur des „Figaro“ erschossen hat, wird freigesprochen, die Tat sei ohne Vorsatz geschehen. 29. „Die Lage ist ernst. Gestern ist die Kriegserklärung an Serbien durch Oesterreich erfolgt.“ - Sozialdemokratische Volksversammlung. Resolution gegen den bayerischen Kultusminister in Sachen Moralunterricht sowie für die Einberufung des Reichstages, um dem Willen des Volkes auf Erhaltung des Friedens Nachdruck zu verleihen. - In der Verwendung von Automobilen in süddeutschen Städten steht Fürth an vierter Stelle: München 40, Stuttgart 23, Mannheim 12, Fürth 9, Nürnberg 8, Straßburg 7 etc.[wohl ausschließlich Privatfahrzeuge gemeint]165 30. „Die Lage ist kritisch. In der Stadt und am Bahnhof war gestern und heute reges militärisches Treiben. Alle Urlauber wurden einbezogen. Am Staatsbahnhof wimmelte es von Soldaten, die in ihre Garnision zurückkehren... In der hiesigen Bevölkerung entstand durch eine Falschmeldung eines Berliner Blattes, daß auch Deutschland mobil macht, große Unruhe und Ängstlichkeit über die nächste Zukunft. Lebensmittel wurden in großen Mengen gekauft. Die Läden der Kolonialwarengeschäfte wurden vom Publikum nahezu erstürmt. Wichtige Lebensmittel wie Salz, Mehl, Früchte waren in den meisten Geschäften vergriffen. Große Kolonialwarenhandlungen schlossen ihre Geschäfte, da sie vollständig ausverkauft waren. In den beiden Mühlen Wolfsgruber und Förster ist Mehl in ungeheuren Quantitäten eingekauft worden.“166 31. „Die politische Hochspannung ist groß. Die Kriegswirren haben schon jetzt ihre nachteiligen Folgen auf das hiesige Wirtschaftsleben geworfen. In mehreren große Fabriken wurde die Arbeitszeit gekürzt. Mit der Begründung, daß infolge der Kriegsgefahr keine Aufträge vorhanden sind, wurden einige ganz geschlossen. Die Erregung unter der Einwohnerschaft ist furchtbar... Nachmittags 1/2 3 Uhr wurde bekannt, daß Rußland allgemein mobilisiert und dadurch ist Deutschland gezwungen, sich auch kriegsbereit zu machen. Durch Extrablätter wurde bekanntgegeben, wie schicksalsschwer die Zeit sich gestaltet. Abends 7 Uhr wurde in allen Straßen der Stadt durch Schutzleute ... die Verhängung des Kriegszustandes über Bayern ... verkündet. Die Bekanntmachungen sind von den Menschenmassen mit großen Ernst entgegengenommen worden. Die städt. Collegien bewilligten in einer außerordentlichen Sitzung 300.000 M. zur Lebensmittelversorgung der Stadt...“167 - Deutsche Ultimaten an Rußland und Frankreich. - Ein Rechtsradikaler ermordet den französischen Sozialistenführer Jean Jaurès. Jaurès propagierte einen internationalen Generalstreik gegen den Krieg. Gewerbliche Statistik Juni 1914: Der Arbeitsmarkt verschlechtert sich allgemein schon vor Einsetzen der Kriegswirren. V.a. das Baugewerbe entläßt, weibliche Dienstboten werden ebenso in größerer Zahl antlassen. Im 136
Seite:Rieß-Chronik 1914 (Überarbeitung Alexander Mayer).pdf/10
Aus FürthWiki