September 1914 1. Bericht zu den städtischen Finanzen: Man hofft auf einen zumindest teilweise Erstattung der kriegsbedingte Auslagen. Armenpflege derzeit 15.000 M./Monat, von den zur Unterstützung Arbeitsloser bewilligten 30.000 M. sind bereits 25.000 verbraucht. In Fürth gibt es 7.000 Arbeitslose, Nürnberg hat genauso viele. Die Kriegsunterstützung an das Reich beläuft sich auf 30.000 bis 40.000 M. Den von den Gewerkschaften schon unterstützten Arbeitslosen sollen wöchentlich 3 Mk. (Ledigen 1 Mk.) zugezahlt werden.203 2. Auf die erledigte 2. Pfarrstelle bei St. Michael wird als Verweser Spieß aus Immelsdorf bei Heilsbronn berufen. - In Fürth befinden sich nun 700 Kriegsverwundete, davon in den Schulhäusern am Helmplatz 120, Rosenstraße 135, Schwabacherstr. 185, Pfisterstr. 60, Maistr. 40, Berolzheimeranium 40, im Versorgungshause 25, in der Turnhalle 84, im jüdischen Krankenhaus 20 und im städtischen Krankenhaus 26. Die Schulbaracke an der Jahnstr. wird in ein Lazarett umgewandelt. - „Der Sedanstag fand in hiesiger Stadt einen ungeahnten würdigen Abschluß. Als abends gegen 10 Uhr die Kunde sich verbreitete von Sieg, Sieg und wieder Sieg in Ost und West, da entfachte (sich) in Fürth eine noch nie dagewesene patriotische Begeisterung ... wie sie Fürth, das sonst so ernst und still ist, wohl noch selten, wenn überhaupt jemals, gesehen hat... Als gegen 10 1/4 Uhr die Rathausglocken zu läuten begannen, wuchs und wuchs die Masse zu Tausenden an. Auf dem Rathaus erschienen die Fahnen und viele Privathäuser brachten schon diese Zeichen der Freude heraus.“ Mehrfach bewegt sich die Menschenmenge zum Haus des Ersten Bürgermeisters (Feuerwehr), der patriotische Reden hält und mit Ovationen bedacht wird. Auch vor den Lazaretten spielten sich „unvergeßliche Szenen“ ab.204 4. Wiederum festliche Szenen auf der Straße nach der Besetzung von Reims.205 - Gründung einer Nürnberg-Fürther Kriegskreditbank, das „Wirtschaftsleben, das unter dem Eindruck der herrlichen Siegesnachrichten sich wieder zu regen beginnt“, soll damit gestützt werden.206 5. Gründung einer freien Sattlerinnung.207 – Beginn der Marneschlacht. 6. Beginn der Schlacht an den Masurischen Seen 7. Der erste in Fürther Lazaretten verstorbene Soldat wird unter „riesiger“ Anteilnahme der Bevölkerung beerdigt.208 9. Im Schaufenster einer Zigarrenhandlung in der Schwabacherstr. sind „kleine französische Siegestrophäen“ eines Fürther Soldaten ausgestellt: ein paar Gamaschen, mit Blut befleckte Mütze, Dum-Dum Geschosse etc.209 – Septemberprogramm von Reichskanzler Bethmann Hollweg: weitreichende Annexionen vorgeschlagen. 10. Weitere Verwundete treffen ein. - Geheimrat Humbser überweist dem städt. Hilfskomitee für die Arbeitslosenfürsorge 20.000 Mk.210 - Nach einem Gutachten können die Rathausglocken wieder geläutet werden, ohne daß ein schädlicher Enfluß auf die Standfestigkeit des Turmes zu befürchten sei. - Die Volksküchen geben derzeit 7.700 Portionen Essen täglich ab. - Karl Franz, Stürmer der Meisterelf (SpVgg), ist gefallen.211 12. Geschäftsbericht der Nürnberg-Fürther Straßenbahnen: 52 Millionen Personen wurden 1913 befördert.212 – Ende der Marneschlacht, Rückzug der deutschen Truppen zur Aisne, wo sie sich eingraben und den Gegeangriff standhalten, aber: Der deutsche Angriffsplan (Schlieffenplan) ist gescheitert. 13. Ankunft von weiteren 126 Leichtverletzten.213 14. Das Städt. Arbeitsamt u. die Arbeitslosenfürsorgestelle werden in das alte Bezirksamtsgebäude am Obstmarkt 214 verlegt. - Die freien Gewerkschaften zahlten seit Kriegsbeginn bis zum 1. September fast 69.000 Mk. Unterstützungsgelder für Arbeitslose. Die Zahl der arbeitslosen Mitglieder ist von 264 auf 2.631 männliche und von 85 auf 1.624 weibliche, also insgesamt von 349 auf 4.255 Personen gestiegen. - Besoldung der Soldaten: der monatliche Sold beträgt für Gemeine (unberitten) im Friedenszustand 9 Mk, im mobilen Zustand 15,90 Mk. Gefreite (unberitten): 10,50/18,90 Mk. Unteroffiziere: 25,20/40 Mk. Feldwebel 62,10/96 Mk. - Eine Kommission wird im kgl. Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten vorstellig, weil die Schnellzüge München-Berlin in Fürth nicht 215 halten. Es wird vom Verkehrsminister versichert, daß dies nur zeitweilig der Fall sein werde. – Nach dem Scheitern des Angriffsplanes im Westen und damit des gesamten strategischen Konzeptes sowie nach einem Nervenzusammenbruch wird Generalstabschef v. Moltke abgelöst, neuer Generalstabschef ist Erich v. Falkenhayn. 15. Eingreifende Änderungen im Schulbetrieb, da 50 Lehrer eingezogen sind und weitere 20 wohl demnächst „des Königs Rock tragen“ werden. Da viele Schulräume zu Lazarettzwecken umgestaltet wurden, stehen insgesamt derzeit 110 Lehrsäle für 149 Lehrkräfte zur Verfügung.216 – Ende der Schlacht an den Masurischen Seen: Russiche Njemen Armee geschlagen, aber nicht umfaßt und vernichtet, sie räumt östliches Ostpreußen 16. Das Kinderspital an der Theresienstraße besteht 25 Jahre - Im Interesse der Arbeitsbeschaffung wird der Kanalisationsbau noch in diesem Jahr fortgesetzt.217 17. Im Saale des Schwarzen Kreuzes beginnt das Ausmusterungs- und Aushebungsgeschäft des unausgebildeten Volkssturms. - Die „erste Liebesgabensammlung“ zur Unterstützung der Arbeitslosen, der Familien der Krieger und für das Rote Kreuz brachte fast 294.000 Mk. ein.218 - Im Gemeindekollegium wird die Gründung einer Kriegskreditbank Nürnberg-Fürth behandelt. Die Kasse soll es mit einem Grundkapital von 2. Mill. Mk. mittleren und kleinen Betrieben auch während des Krieges ermöglichen, sich „aufrecht zu halten“. Nürnberg zeichnet 20% (400.000 Mk.), Fürth soll auf Beschluß des Magistrats 100.000 Mk. zeichnen. Das Kollegium genehmigt ohne 140
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