Oktober 1914 1. Städtische Höhere Mädchenschule 252 Schülerinnen, Handelsschule für Mädchen 182 Schülerinnen. - „Die Rekruten rückten heute ein“. - 21.30 Uhr zwei Erdstöße Richtung Süd-Nord. - 300 meist Leichtverwundete treffen ein, 20 werden nach Zirndorf überwiesen, „das sich schon lange nach Aufnahme von verletzten tapferen Kriegern sehnte“.232 2. Weitere 18 Verwundete treffen ein. - Der Magistrat beschließt, das Stadttheater Mitte Oktober zu öffnen und vorläufig nur an zwei Tagen in der Woche spielen zu lassen. - „Die Ersatzbatallione des 21. Inf. Reg. u. des 6. Reserve-Inf. Reg. befinden sich dahier. Soldatenlieder singend ziehen die strammen Vaterlandsverteidiger in geschlossenen Zügen täglich durch die Straßen. Die Lieder: „Lieb Vaterland magst ruhig sein“ und „Haltet aus im Sturmgebraus“ sind sehr bevorzugt.“233 3. Beisetzung eines weiteren Kriegsgefallenen unter starker Anteilnahme von Bevölkerung, Militär und Vereinen.234 4. „In der Michaelskirche wurde das Fest der Kirchweihe festlich begangen. Auf den Plätzen in den Straßen, wo sonst an diesem Tage reges Leben und Treiben herrschte, ist es öde und leer“. - Eine fünfte Volksküche ist im Schießhaus am Lindenhain eingerichtet und heute früh eröffnet worden.235 5. Die Wirtschaft „Belle vue“ wird von nun ab „Schöne Aussicht“ genannt [Theresienstr. 25]. - Der Gefreite Otto Sahlmann, Sohn des Hopfenhändlers Siegfried Sahlmann, erhält das Eiserne Kreuz 2. Klasse.236 6. Soldatenbegräbnis (Fritz Betz). Leidtragende und militärische Abordnungen sowie der Turnverein 1860 geben das letzte Geleit.237 7. Ortskrankenkasse: Der Mitgliederstand ist durch die eingetretene Arbeitslosigkeit auf 10.000 gesunken (Vorkriegsstand: 23.000). - Die Sattler, Schneider und die Hemdenfabrik Schwarzenberger sind seit Kriegsbeginn mit Militärlieferungen vollauf beschäftigt. Bei Schwarzenberger sind 500 Mädchen bei verlängerter Arbeitszeit beschäftigt.238 8. Die Umpflasterung des Bahnhofplatzes beginnt.239 9. „Der Fall der Festung Antwerpen wurde nachts 1/2 11 Uhr dahier bekannt. Man rief es sich auf der Straße zu, man sagte es zu den Fenstern hinauf und weckte die schon Schlafenden. Ueberall wurde diese frohe Kunde mit großer Begeisterung aufgenommen ... Die Ersatzregimenter Fürth und Nürnberg zogen nachts 1/2 11 Uhr - 12 Uhr von einer nächtlichen Felddienstübung bei Vach zurückkehrend durch unsere Stadt. Die Soldaten waren ebenfalls durch den Fall von Antwerpen hocherfreut, sangen frohe Lieder und ließen laute Hoch u. Hurra-Rufe ertönen.“240 10. „Aus Anlaß des Falls von Antwerpen ist die Stadt beflaggt. Hoch am Rathausturm weht die deutsche Flagge. 12-1 Uhr läuten alle Glocken.“241 11. Großangelegte Sammlung des Roten Kreuzes. Verteilt werden u.a. Blusennadeln mit den Bildnissen des Kaisers, Königs, Kronprinzen Rupprecht und Taschenbleistifte in Form von Gewehrkugeln.242 12. Gemeindebevollmächtigter Steinhardt kehrt aus Warschau zurück, wo er 7 Wochen festgehalten wurde.243 13. Soldatenbegräbnis des Schreinergehilfen Krauß. Keine größere öffentliche Beteiligung mehr verzeichnet.244 14. Ziehung der Heiratskasse am Rathausbalkon.245 15. Mit einem Sanitätszug treffen früh um 0.30 Uhr 200 Schwerverletzte ein. Der Zug war 3 Tage unterwegs und wurde von 8 Ärzten begleitet. „Unter den Schwerverletzten befinden sich einige, denen bereits Beine oder Arme amputiert waren. Einer hatte einen Streifschuß durch die beiden Augen. Trotz der großen Schmerzen tragen diese 246 Helden ihre Leiden mit Geduld, man hört kein Stöhnen und Klagen.“ - Der Magistrat hat sich an die Stadt Nürnberg gewandt mit dem Ersuchen, den Straßenbahnverkehr in Fürth wieder etwas zu verbessern und auch von Fürth vorgeschlagene Personen in den Straßenbahndienst aufzunehmen. Ersteres wird für demnächst zugesagt, letzteres abgelehnt. Rechnungsabschluß der Straßenbahn: Gewinn 4.234.220 Mk., der Stadt Fürth kommt hieraus eine Straßenbenutzungsgebühr von 1 Prozent, sonach 42.342 Mk. zu. - 9 Gewerkschaften legen ihre Vierteljahresabrechnung vor: 6.172 Mitglieder, davon 4.128 arbeitslos, ausbezahlt wurde ihnen 111.326 Mk.: „... manches Mitglied hätte wohl öffentliche Mittel in Anspruch nehmen müssen, hätte ihn nicht sein Verantwortungsgefühl der Gewerkschaftsorganisation zugeführt.“247 16. Sammlungen zugunsten der Notleidenden in Ostpreußen und Elsaß-Lothringen. - „Von Nürnberg kommend zogen heute größere Train- und Maschinengewehr-Abteilungen hier durch, um sich nach dem Kriegsschauplatz zu begeben. Die Mannschaften sangen Kriegslieder. Die Pferde waren mit Fahnen geschmückt und die Soldaten mit Kränzen und Blumen.“ - Die Lohnfortzahlung für eingerückte städtische Arbeiter wird vorerst aufrechterhalten, Kosten einschl. jene für Ersatzkräfte beträgt 19.973 Mk. monatlich. - „I. Bürgermeister Dr. Wild dementierte in der heutigen Magistratssitzung ein in der Stadt verbreitetes Gerücht, daß im Rathause ganze Stöße von eingegangenen Todesnachrichten aus dem Felde seien.“248 17. Die Bataillone der Nürnberger und Fürther Ersatzregimenter „Weiß“ und „Braun“ erhalten Fahnen, die bei einem Feldgottesdienst auf dem Exerzierplatz „Hainberg“ geweiht werden. Die im Weißengarten einquartierte Kompagnie des Ersatzregiments „Braun“ feiert abends eine Abschiedsfeier, da es diese Woche noch in das Feld geht.249 20. Beginn der Ypern-Schlacht 142
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