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Rundfunkgeschichte ßen­ geistigen­ Gemeinschaft­ sind. So kann Radio einst zum gegenseitigen­ Verstehen­ der­ Nationen­ beitragen­ und­ vielleicht dem Frieden dienen, den die Menschheit sucht.“ Vielleicht ... Auch Albert Einstein beschwört, als er 1930 die siebte Berliner Funkausstellung­ eröffnet,­ das­ neue­ Medium­als­internationale­Errungenschaft:­ „Denkt an Oersted, der zuerst­die­magnetische­Wirkung­ elektrischer Ströme bemerkte, an Reis, der diese Wirkung zuerst benutzte, um auf elektromagnetischem­Wege­Schall­ zu erzeugen, an Bell, der unter Benutzung­empfindlicher­Kontakte mit seinem Mikrofon zuerst Schallschwingungen in variable­ elektrische­ Ströme­ verwandelte.­ Denkt­ auch­ an­ Maxwell, der die Existenz elek-

trischer Wellen auf mathematischem­ Wege­ aufzeigte,­ an­ Hertz, der sie zuerst mithilfe des Funkens erzeugte und nachwies. Gedenket besonders auch Liebens, der in der elektrischen­ Ventilröhre­ ein­ unvergleichliches­ Spürorgan­ für elektrische Schwingungen erdachte, das sich zugleich als ideal einfaches Instrument zur Erzeugung elektrischer Schwingungen herausstellte. Gedenket dankbar des Heeres namenloser Techniker, welche die Instrumente des RadioVerkehres­ so­ vereinfachten­ und­ der­ Massenfabrikation­ anpassten, dass sie jedermann zugänglich geworden sind.“ Einstein­ hätte­ auch­ noch­ den­ Russen Popow, den Italiener Marconi und den Serben Tesla erwähnen können – genutzt hätte­es­nichts.­

Ansichtspostkarte von Männern beim Radiohören mit Zeitschrift „Der Deutsche Rundfunk“ um 1925: In den frühen Tagen des Radios schmälern, unbequeme Kopfhörer, schwierig einzustellender Empfang und schlechte Klangqualität den Hörgenuss. Der Leidenschaft tut dies allerdings keinen Abbruch. © Museumsstiftung Post und Telekommunik 14

Rundfunk & Museum 100 – Februar 2021

Als­ die­ Nationalsozialisten­ 1933 an die Macht kommen, knöpfen sie sich sofort den Rundfunk­vor.­Verständigung?­ Volksbildung? Kultur für alle? Das­ walte­ Goebbels!­ Der­ Minister polt den Funk zum Propagandainstrument um. Hans Bredow­tritt­aus­Protest­gegen­ die­ Nazis­ ab;­ sie­ inhaftieren­ ihn,­ zerren­ ihn­ vor­ Gericht,­ werfen seine engsten Mitarbeiter­ins­Konzentrationslager.­ Seine­Idee­vom­Radio­hat­ausgedient. Das mesmerisierende Schnarren des Führers Wollte die Obrigkeit im Kaiserreich und kurz danach das öffentliche­Hören­am­liebsten­ noch unterbinden, weil potenziell anarchisch, soll nun jeder und jede hören, aber nur noch das­ von­ oben­ Eingetrichterte.­ Da sitzt die deutsche Musterfamilie­brav­im­Zimmer,­Vater­ liest im Völkischen Beobachter,­ Mutter­ strickt,­ die­ Kinder­ kuscheln mit der Katze auf dem geblümten Sofa, und aus dem Volksempfänger tönt das mesmerisierende Schnarren des Führers. In den Betrieben werden riesige Geräte aufgestellt, die zusätzlich zum Radio auch­ plattenspielerartige­ Fräsen enthalten, mit denen die Reden der NS-Größen mitgeschnitten­ werden,­ um­ sie­ der­ Belegschaft­in­der­Mittagspause­vorspielen­zu­können.­Mancher Arbeiterin, manchem Arbeiter­muss­der­Appetit­ver-