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Rundfunkgeschichte gangen sein. Dem Trommeln für die Kriegsmaschinerie folgen die Frontberichterstattung,­ die­ Durchhalteparolen und, nach dem 8. Mai 1945 unter neuer Leitung, die Suchmeldungen. Weiß jemand, wo mein Mann, unser lieber Vater geblieben ist? Zuletzt wurde er in Stalingrad gesehen. Die­Aufteilung­des­Restreiches­ in­ vier­ Besatzungszonen­ beschert den beiden deutschen Nachfolgestaaten eine in Ost und West gespaltene Rundfunklandschaft.­ Aus­ Westberlin sendet das Radio im Amerikanischen Sektor, der Rias; Ost-Berlin antwortet krtschtktschtkrr mit Störsendern. Zimperlich ist man auch im Westen nicht. Während der Berlin-Blockade wird 1948 der letzte­ von­ den­ Russen­ kontrollierte Sendemast im französischen Sektor gesprengt. Zu nah an der Landebahn des Flughafens Tegel, heißt es. [An dieser Stelle unterbrechen wir unseren Sendungs-Artikel für eine kurze Werbeeinblendung. Erleben Sie die Ausstel-

lung On Air im Berliner Museum für Kommunikation! 100 Jahre Rundfunk, von Kurzwelle bis Piratensender, von Transistorradio bis Fußballreportage! Macht nach dem Lockdown wieder auf! !] Das Vox-Haus, das ein zentraler Erinnerungsort der deutschen­ Radiogeschichte­ hätte­ werden können, wird 1971 in der Hauptstadt der DDR gesprengt. Zu nah an der Mauer, heißt es. Was es noch gibt und was einen­ postviralen­ Besuch­ sehr­ lohnt, ist Königs Wusterhausen. Der Bahnhof ist noch da, zum Funkerberg hinauf sind es zu Fuß nur zwanzig Minuten. Von Weitem zu sehen sind die­ verbliebenen­ Sendemasten. Rechts ab geht die Dr.Hans-Bredow-Straße, die zum Senderhaus I führt. Ein Verein geschichtsbewusster Bürger um den gelernten Nachrichtentechniker Rainer Suckow, Jahrgang­ 1967,­ hat­ das­ Erbe­ der­ frühen­ Funkversuche­ liebevoll­ bewahrt,­ instand­ gehalten­und­präsentiert­es­nun­ mit all seinen Licht- und Schat-

tenseiten. Die Stadt, in Anerkennung der ehrenamtlichen Arbeit, hat Haus und Grund inzwischen erworben, ein Museum daraus gemacht. „Empfängermuseen gibt es viele“,­ sagt­ Suckow­ selbstbewusst, „senden tun nur wir.“ Und ja, im Hertz-Raum im Keller­ (alles­ Wichtige­ war­ im­ Keller,­um­es­vor­Angriffen­zu­ schützen) haben die Retrofunker einen Lichtbogensender­ nachgebaut,­ von­ jener­ Art,­wie­er­damals­verwendet­ wurde, um das Weihnachtskonzert bis nach Luxemburg und­ Sarajevo­ zu­ übertragen,­ mit Kohle-Elektrode, einzutropfendem­ Alkohol,­ kraftvollen Magneten und einer Telefonkapsel als Mikrofon. Und wenn dann 700 Volt anliegen, die heute hochtransformiert aus der Steckdose kommen, und in der Brennkammer der Lichtbogen zwischen Anode und Kathode brizzelt, dann klingen die Durchsagen im abständig aufgestellten Röhrenradio so faszinierend und erregend wie damals, am 22. Dezember 1920.

Unser­Gastautor­Ulrich­Stock,­Reporter­bei­der­ZEIT,­verdankt­dem­ Radio­viel:­Schon­als­Kind­im­Holsteinischen­in­den­späten­sechziger­Jahren,­sagt­er,­habe­er­abends­unter­der­Bettdecke­an­seinem geliebten Transistorempfänger Sendungen gelauscht, die so anspruchsvoll­gewesen­seien,­dass­sie­im­NDR­unserer­Tage­gar­ nicht mehr ausgestrahlt würden. Heute schaltet er in Hamburg zumeist den Deutschlandfunk ein, dessen Radiofeatures er zum Besten zählt, was es zu hören gibt. Das Foto ist (c) Die Zeit.

Rundfunk & Museum 100 – Februar 2021

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