Rundfunkgeschichte nahme die der eines Zuhörers in der Position des künstli chen Kopfes entspricht. Der Übertragungsweg mag über Leitung oder Radiokanäle sein und schließt Aufnahmegeräte wie z.B. Phonographen ein.“ (Übersetzung der Autoren). Was für eine phantastische Erfindung. Die Röhren-Triode wurde erst 1906 zeitgleich und unabhängig voneinander von Lee de Forest und Robert von Lieben erfunden. Und nicht einmal 20 Jahre später eine nahezu perfekte 3DAu dio Übertragung. Sehen wir uns das Patent (Abb. 3) nun näher an. In den Kunstkopf (Fig. 3) sind die beiden Mikro phone 16 und 17 an der Positi on der Gehörgänge eingefügt. Es handelt sich dabei um Kon densatormikrophone. Auch heute noch die beste Technik um einen linearen Frequenz gang zu erreichen. Fig. 1 zeigt das Schaltschema der gesam ten Anlage. Das linke und das rechte Mikrophon ist jeweils an einen Verstärker (Block A) angeschlossen. Die Verstär kerausgänge treiben einen elektrostatischen Kopfhörer. Auch heute noch bezüglich Li nearität das Beste. Der Senn heiser High-End-Kopfhörer „Orpheus“ HE 90, der in limi tierter Auflage 1991 gefertigt wurde, war ebenfalls ein elek trostatischer (Elektret) Kopf hörer angesteuert mit einem Röhrenverstärker (Abb. siehe Autorenfoto; Systemkosten 30 000 DM). Der Nachfolger
Sennheiser HE1, der neue Orpheus der zum 70jährigen Firmenjubiläum 2015 vorge stellt wurde, wird zu einem Verkaufspreis von 59 900 Euro angeboten. Aber zurück zum FletcherPa tent. Fig. 2 zeigt einen Kanal des Verstärkers. Die Schal tung ist auch noch heute dem Techniker sofort vertraut. Wir sehen einen fünfstufigen Röhrenverstärker. Die direkte Heizung der Röhren erfolgt mit Batterie. Auch die Ano denspannungsversorgung er folgt mit Batterien. Und zur Gittervorspannungserzeugung wird ebenfalls eine Batterie benutzt. Die erforderliche Vorspannung des Konden satormikrophons am Eingang wird aus der Anodenbatterie gewonnen. Es kommt eine gleichstromfreie DrosselKon densatorAnkopplung zum Einsatz. Durch die entspre chende Dimensionierung der Anodendrosseln und Koppel kondensatoren wird ein ebe ner Audiofrequenzgang er reicht. Der elektrostatische Kopfhörer wird kapazitiv an die Anodendrossel der letzten Verstärkerstufe angeschlos sen. Und in der Patentschrift heißt es weiter: „Die Resultate, die mit dem beschriebenen Sys tem erreicht werden, sind die beste Annäherung an eine komplett natürliche Repro duktion von Audiosignalen die bisher realisiert wurde. Und dieses System gibt dem Hö
rer einen räumlichen Eindruck vergleichbar dem räumlichen Eindruck von stereoskopi schen Bildern.“ (Übersetzung der Autoren). Hier muss man die verständ liche Euphorie ein bisschen bremsen, denn dem Fletcher Kunstkopf fehlten die Ohr nachbildungen und damit die dritte Komponente des Richtungshörens. Ohne die se können Schallquellen, wie eingangs schon erklärt, die vor, hinter oder über dem Kunstkopf angeordnet sind nicht räumlich wahrgenom men werden. Aber wenn wir sehen, dass die Firma Senn heiser 2018 ihr Ambeo 3D Audio System für iPhones mit viel Marketingaufwand vorge stellt hatte, dem ebenfalls die dritte Komponente weitge hend fehlt, ist wohl erkennbar wie weit Fletchers Erfindung seiner Zeit voraus war. Beim Ambeo 3DAudio sind die Mi krophone auf der Außenseite eines In-Ear-Kopfhörers ange bracht und stehen damit über die Ohren hinaus. Die akus tische Filterung ist also nicht richtig wirksam. Die Autoren haben sich viele Videoaufnah men, die mit Ambeo 3DAudio erstellt wurden, angehört. Ergebnis: In der senkrechten Mittenebene, also vorne und hinten, setzt der Raumein druck aus. Daher kein wirkli ches 3DAudio. Wie ging es weiter mit der Kunstkopfstereophonie? Im Jahr 1933 präsentierte Gene
Rundfunk & Museum 101 – August 2021
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