TECHNIKGESCHICHTE 2. Rezeption der Compact Disc und Studien Im Bereich der Wahrnehmung beim Musikhören wurden viele Forschungen im Institut für Musikpsychologie und Musikermedizin an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover bei Prof. Dr. Eckart Altenmüller durchgeführt. Einige Ergebnisse und Gedanken daraus möchten wir im Folgenden erläutern (bei tiefergehendem Interesse: siehe [11]). Es ist noch nicht ganz verstanden wie die Informationen von den Haarzellen des Innenohrs im Gehirn verarbeitet werden damit wir tatsächlich ein Musikstück hören. Fest steht aber, dass viele Gehirnareale beteiligt sind und interessant ist, dass beim Hören auch andere Sinnesbereiche wie das Auge und der Tastsinn mit im Spiel sind. Und jeder hat sicher schon erlebt dass Musik stark die Emotionen (das limbische System) anspricht. Beispielsweise können wir uns gut an Musikstücke erinnern die mit starken Emotionen besetzt sind. Wo sich dieser Effekt zunutze gemacht wird ist u.a. die Filmmusik oder die Werbung. Allerdings ist die emotionale Reaktion beim Musikhören abhängig von der individuellen Hörbiographie. Zitat Altenmüller[11]: „Stehen wir der Musik von vorneherein positiv gegenüber und bewerten sie als angenehm, dann werden mit großer Wahrscheinlichkeit StockSnap auf Pixabay 24
im Gehirn diejenigen Anteile des Emotionssystems – des „limbischen Systems“ – aktiviert, die auch andere positive Reize verarbeiten. Die Bewertung des Musikstücks ist dabei von der Vertrautheit mit dem Musikstil, von der Möglichkeit die akustischen Ereignisse einzuordnen, von frühen Einflüssen des Elternhauses, von der Peer-Group, von Vorbildern, sowie von zahlreichen weiteren, schwer zu fassenden subtilen Einflussfaktoren bestimmt.“ Wir werden sehen, dass dieser Sachverhalt auch bei der Bewertung der Musikquelle eine Rolle spielt. Professor Klaus Ernst Behne führte 1992 eine Studie zur analogen und digitalen Musikwiedergabe im unmittelbaren Vergleich durch [8]. Er lud High End Hörer (sogenannte Goldene Ohren) zu einem Hörvergleich ein. Sie wussten beim Test nicht ob sie die Musik gerade von einer Vinyl-Schallplatte oder einer CD hörten. Die Probanden mussten zum einen sagen, welches Gerät sie hören und welche Klangattribute sie dem Klang zuordnen würden. Das Ergebnis war, dass die Mehrheit der Zuhörer erkannt hat, welchen Tonträger sie hören und haben ihm dann auch die gängigen Attribute zugeordnet. Die Schallplatte wurde als warm und natürlich klassifiziert während die CD als brillant und klar be-
Rundfunk & Museum 102 – Februar 2022
schrieben wurde. Bei genaueren Analysen erkannten die Forscher aber, dass die Testhörer die Schallplatte durch ein elektrostatisches Knistern und Knacken erkannt hatten und ihr dann die entsprechenden Attribute zuwiesen. Daher wurde der Versuch unter, wenn man so will, noch härteren Bedingungen wiederholt. Den Probanden wurde beide Male eine CD vorgespielt, sie glaubten aber es würde zwischen Schallplatte und CD gewechselt. Nun konnten die Forscher feststellen was die Leute hören, die glauben es sei eine Schallplatte und was die hören die glauben es sei eine CD. Und bei dieser Versuchsanordnung ordneten die Testpersonen jeweils die entsprechenden Attribute (warm, natürlich, brillant, klar) dem Medium zu dass sie glaubten zu hören. In der Psychologie nennt man das die Hypothesen geleitete Wahrnehmung. Musik hören ist also eine stark von Emotionen gesteuerte Sache was sowohl die Musik selbst aber auch das Medium betrifÚ. Daher haben es die objektiven physikalischen und technischen Fakten bei einer Bewertung des Höreindrucks von Schallplatte und CD schwer gegen die subjektiven Bewertungen von Hörern, seien es die High End Freaks oder der normale Hörer zuhause an seiner ganz normalen Stereoanlage.