3.147
Bearbeitungen
K (Textersetzung - „|Denkmalstatus besteht=“ durch „|DenkmalstatusBesteht=“) |
(Ergänzungen) |
||
| Zeile 10: | Zeile 10: | ||
}} | }} | ||
== Karolinenstraße 106/108 schrieb Industrie-Geschichte == | == Karolinenstraße 106/108 schrieb Industrie-Geschichte == | ||
Als Pionier der Industrialisierung in Fürth gilt Johann Wilhelm Engelhardt, der 1841 die erste Maschinenfabrik in Fürth gründete. Gefertigt wurden z.B. Dampfmaschinen für die Brandbekämpfung und Brauereimaschinen ab 1850. Eine Eisengießerei lieferte u.a. Ladeneinbauten, von denen noch viele in Fürth erhalten geblieben sind. | Als Pionier der Industrialisierung in Fürth gilt [[Johann Wilhelm Engelhardt]], der 1841 die erste Maschinenfabrik in Fürth gründete. Gefertigt wurden z.B. Dampfmaschinen für die Brandbekämpfung und Brauereimaschinen ab 1850. Eine Eisengießerei lieferte u.a. Ladeneinbauten, von denen noch viele in Fürth erhalten geblieben sind. | ||
1889 zog die Fabrik von der Gebhardtstraße auf eine größere Fläche um an die obere Karolinenstraße. Die Maschinenfabrik von J. W. Engelhardt, Karolinenstr. 106/108, richtete dort ein neues Industriegleis ein mit Anbindung an die Staatsbahn. Sie hatte eine Weiche im Fabrikhof, westlich der Gießereistraße. Die Gleise wurden 1908 erneuert und zwar ersetzte man sowohl die Schienen, als auch deren Einbettung in das Straßenpflaster Pläne der Kgl. Eisenbahndirektion Nürnberg zur behördlichen Genehmigung verdeutlichten dies. | 1889 zog die Fabrik von der Gebhardtstraße auf eine größere Fläche um an die obere [[Karolinenstraße]]. Die [[J. W. Engelhardt & Co.|Maschinenfabrik von J. W. Engelhardt]], Karolinenstr. 106/108, richtete dort ein neues Industriegleis ein mit Anbindung an die Staatsbahn. Sie hatte eine Weiche im Fabrikhof, westlich der Gießereistraße. Die Gleise wurden 1908 erneuert und zwar ersetzte man sowohl die Schienen, als auch deren Einbettung in das Straßenpflaster Pläne der Kgl. Eisenbahndirektion Nürnberg zur behördlichen Genehmigung verdeutlichten dies. | ||
Die Eisengießerei wurde 1898 vergrößert, ein Montagesaal errichtet und 1905 nochmals erweitert. Die gefertigten Sauggas-Motoren lieferten die Betriebskraft für alle gewerblichen Zwecke sowie für Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke. Aber die Aufträge gingen zurück und 1913 kam die Firma in Liquidation. | Die Eisengießerei wurde 1898 vergrößert, ein Montagesaal errichtet und 1905 nochmals erweitert. Die gefertigten Sauggas-Motoren lieferten die Betriebskraft für alle gewerblichen Zwecke sowie für Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke. Aber die Aufträge gingen zurück und 1913 kam die Firma in Liquidation. | ||
Von 1913 bis 1920 stellte man noch Eisenkonstruktionen in Werkstätten auf dem Gelände her durch die Ingenieure Hans Engelhardt und Andreas Fuchs (in einer GmbH ab 1909). Außerdem pachteten 1914 die „Vereinigte Fränkische Schuhfabrikation Nürnberg“ hinten liegende Werkstätten nahe der Sonnen-, Herrnstraße, Zufahrt von der Gießereistraße. | Von 1913 bis 1920 stellte man noch Eisenkonstruktionen in Werkstätten auf dem Gelände her durch die Ingenieure Hans Engelhardt und Andreas Fuchs (in einer GmbH ab 1909). Außerdem pachteten 1914 die „Vereinigte Fränkische Schuhfabrikation Nürnberg“ hinten liegende Werkstätten nahe der Sonnen-, Herrnstraße, Zufahrt von der Gießereistraße. | ||
| Zeile 17: | Zeile 17: | ||
== Zwischennutzung als Kaserne == | == Zwischennutzung als Kaserne == | ||
Die drei vorderen Gebäude an der Karolinenstraße wurden nach 1913 für militärische Zwecke umgebaut. Es entstanden Mannschaftsräume, Kantine, Speisesaal, Büros für Unteroffiziere und Wachstube. Die | Die drei vorderen Gebäude an der Karolinenstraße wurden nach 1913 für militärische Zwecke umgebaut. Es entstanden Mannschaftsräume, Kantine, Speisesaal, Büros für Unteroffiziere und Wachstube. Die „[[Königlich Bayerisches 6. Reserve-Infanterie-Regiment|Engelhardts-Kaserne]]“ wurde von der Garnison für Rekruten und Reserve-Infanterie aber nur für kurze Zeit genutzt, bis neue Bauten an der Sedanstraße (spätere [[Steubenstraße]]) ab 1916 zur Verfügung standen. August Bauernfreund, Besitzer der "Fabrik für Militärkonserven Nürnberg", schrieb am 20. März 1917 an die Stadt, "... dass ich das der Firma J. W. Engelhardt gehörige Fabriketablissement erworben habe ... und bitte deshalb gütigst veranlassen zu wollen, dass das z.Zt. in diesen Räumlichkeiten untergebrachte Militär, wenn möglich, in allernächster Zeit in anderen Räumlichkeiten untergebracht wird".<ref name="Karo106">Stadtarchiv Fürth, AGr. 5 / 1343: Niederlassung der Fabrik für Militär- und Obstkonserven, Inhaber August Bauernfreund, in der Engelhardt'schen Fabrik</ref> Tags darauf wandte sich Oberbürgermeister Dr. Wild an den Garnisonsältesten mit der Bitte um Verlegung des dort untergebrachten Ersatzbataillons des Reserve-Infanterie-Regiments No. 6, "da die Gültigkeit des Kaufvertrags von der Räumung der Fabrik bis längstens 15. Mai abhängt", und bot sogar an: "... und sind gerne bereit, falls die militärischen Gebäude und Räumlichkeiten trotz der günstigen Unterbringungsmöglichkeiten nicht ausreichen sollten, ein weiteres etwa notwendiges Schulhaus zur Verfügung zu stellen."<ref name="Karo106"/> Am 28. April kündigte Bauernfreund die Räumung durch das Militär bis zum 5. Mai an und drängte die Stadt zur Zusage auf eine weitere Voraussetzung für die Gültigkeit des Kaufvertrags, die Genehmigung der Schlachtung in der Fabrik sowie die Zusage von Gebührenermäßigungen - am 2. Mai 1917 fasste der Stadtmagistrat entsprechende Beschlüsse (die fortan noch Anlass für manche Streitigkeiten bringen sollten).<ref name="Karo106"/> | ||
== Nutzung für Lebensmittel-Fabrikation == | == Nutzung für Lebensmittel-Fabrikation == | ||
| Zeile 24: | Zeile 24: | ||
Als Nachbar in der Karolinenstraße 104 etablierte sich ab 1923 die Firma E. Arnold & Co. für Obst- und Gemüsekonserven sowie Marmeladen und Fruchtsäfte. Die Inhaber Ludwig und Max Bauernfreund gerieten 1932 wegen der gemeinsamen Benutzung des Industriegleises in Streit mit den Inhabern der August Bauernfreund AG. Man einigte man sich schließlich nach Hinweis der Stadt auf den Privatrechtsweg. | Als Nachbar in der Karolinenstraße 104 etablierte sich ab 1923 die Firma E. Arnold & Co. für Obst- und Gemüsekonserven sowie Marmeladen und Fruchtsäfte. Die Inhaber Ludwig und Max Bauernfreund gerieten 1932 wegen der gemeinsamen Benutzung des Industriegleises in Streit mit den Inhabern der August Bauernfreund AG. Man einigte man sich schließlich nach Hinweis der Stadt auf den Privatrechtsweg. | ||
1935 bekamen die Süddeutsche Lebensmittelwerke mit 350 Beschäftigten eine „rein arische Führung“ mit den Direktoren Kaufmann Stefan Winter, Ratsherr der NSDAP, und dem Ökonomierat Brügel. | 1935 bekamen die Süddeutsche Lebensmittelwerke mit 350 Beschäftigten eine „rein arische Führung“ mit den Direktoren Kaufmann Stefan Winter, Ratsherr der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]], und dem Ökonomierat Brügel. | ||
1939 errichtete man bei Arnold eine Lagerhalle und ein Dosenlager für leere Dosen „zur schnellen Expedition der hergestellten Dosen mit den Konserven“. Die Firma sei „als lebenswichtiger Betrieb anerkannt worden, sie liefern in großem Umfang für Militärbehörden, Arbeitsdienst usw.“. | 1939 errichtete man bei Arnold eine Lagerhalle und ein Dosenlager für leere Dosen „zur schnellen Expedition der hergestellten Dosen mit den Konserven“. Die Firma sei „als lebenswichtiger Betrieb anerkannt worden, sie liefern in großem Umfang für Militärbehörden, Arbeitsdienst usw.“. | ||
Bei dem verheerenden Fliegerangriff am 21. Februar 1945 wurden die Anlagen zerstört bis auf die Umfassungsmauern. Aus den Aufzeichnungen des Standesamts Fürth und dem Chronikschreiber Gottlieb Wunschel sei zitiert: Am 20/21. Februar 1945 wurden die zwei Betriebe von Lebensmittel-Herstellern in der Karolinenstraße vernichtet (Nr. 104/106 und Nr. 108). Die Bilanz: 86 Tote einschließlich der an den Folgen Verstorbenen. In den Konservenfabriken kamen die Menschen in den einstürzenden Bauten um durch „Zertrümmerung, Verschüttung, Erstickung“, darunter Kriegsgefangene und Ostarbeiter/innen mit russischer, kroatischer, französischer, belgischer und italienischer Nationalität. | Bei dem verheerenden Fliegerangriff am 21. Februar 1945 wurden die Anlagen zerstört bis auf die Umfassungsmauern. Aus den Aufzeichnungen des Standesamts Fürth und dem Chronikschreiber [[Gottlieb Wunschel]] sei zitiert: Am 20/21. Februar 1945 wurden die zwei Betriebe von Lebensmittel-Herstellern in der Karolinenstraße vernichtet (Nr. 104/106 und Nr. 108). Die Bilanz: 86 Tote einschließlich der an den Folgen Verstorbenen. In den Konservenfabriken kamen die Menschen in den einstürzenden Bauten um durch „Zertrümmerung, Verschüttung, Erstickung“, darunter Kriegsgefangene und Ostarbeiter/innen mit russischer, kroatischer, französischer, belgischer und italienischer Nationalität. | ||
Ab Dezember 1945 als „lebenswichtige Betrieb“ wieder aufgebaut; 1947/48 Instandsetzung der Werkshallen, Maschinensaal, Marmeladenküche, Dosenlager. 1951 wurde der Betrieb wegen schlechten Geschäftsgangs in der Konservenindustrie eingestellt. | Ab Dezember 1945 als „lebenswichtige Betrieb“ wieder aufgebaut; 1947/48 Instandsetzung der Werkshallen, Maschinensaal, Marmeladenküche, Dosenlager. 1951 wurde der Betrieb wegen schlechten Geschäftsgangs in der Konservenindustrie eingestellt. | ||
| Zeile 60: | Zeile 60: | ||
* Raymond Garnier, Zwangsarbeiter, Gefangennahme 22. Juni 1940: geb. 18. Dezember 1916 in Asnieres<ref>Stadtarchiv Fürth, AGr 3 / 224 - Fliegerangriff auf das Stadtgebiet Fürth</ref> | * Raymond Garnier, Zwangsarbeiter, Gefangennahme 22. Juni 1940: geb. 18. Dezember 1916 in Asnieres<ref>Stadtarchiv Fürth, AGr 3 / 224 - Fliegerangriff auf das Stadtgebiet Fürth</ref> | ||
An der Stelle des im [[ | An der Stelle des im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] zerstörten Gebäudes steht seit den 1950er Jahren ein Neubau. Das Grundstück wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der [[Fränkische Pelzindustrie Märkle & Co.]] zur Betriebserweiterung erworben und bebaut. | ||
== Siehe auch == | == Siehe auch == | ||
* [[Johann Wilhelm Engelhardt]] | |||
* [[J. W. Engelhardt & Co.]] | |||
* [[Königlich Bayerisches 6. Reserve-Infanterie-Regiment|Engelhardts-Kaserne]] | |||
* [[Karolinenstraße]] | |||
* [[Zweiter Weltkrieg]] | * [[Zweiter Weltkrieg]] | ||
* [[Luftangriff vom 21. Februar 1945]] | * [[Luftangriff vom 21. Februar 1945]] | ||
Bearbeitungen