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Bis in unsere Zeit müssen die Altlasten der Quecksilberspiegelherstellung sehr kostspielig saniert werden. Auch diese Problematik war durchaus früh absehbar: Dr. Beeg, 1857: ''"Während des Belegens verläuft sich bei aller Sorgfalt viel Quecksilber und dringt sogar durch die Fußböden."''<ref>J. K. Beeg: ''Die Fürther Spiegelmanufaktur.'' In: Jahresbericht der Königlichen Gewerb- und Handelsschule zu Fürth in Mittelfranken, 1856/57 - [http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10340265-2 zum Online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek]</ref> | Bis in unsere Zeit müssen die Altlasten der Quecksilberspiegelherstellung sehr kostspielig saniert werden. Auch diese Problematik war durchaus früh absehbar: Dr. Beeg, 1857: ''"Während des Belegens verläuft sich bei aller Sorgfalt viel Quecksilber und dringt sogar durch die Fußböden."''<ref>J. K. Beeg: ''Die Fürther Spiegelmanufaktur.'' In: Jahresbericht der Königlichen Gewerb- und Handelsschule zu Fürth in Mittelfranken, 1856/57 - [http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10340265-2 zum Online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek]</ref> | ||
So z. B. das Amtshaus am [[Kohlenmarkt]] – heute [[Technisches | So z. B. das Amtshaus am [[Kohlenmarkt]] – heute [[Technisches Rathaus]] –, das vormals das Wohnhaus und die Fabrik der Spiegelfabrikantenfamilie [[Bendit]] war, musste Ende des 20. Jahrhundert mit hohen technischen und zeitlichen Aufwand kostspielig saniert werden. | ||
Im Jahre 1982 wurden in einer Wohnung in der [[Blumenstraße 12]] (Hinterhaus) eine größere Menge Quecksilber (Hg) gefunden und zum Ordnungsamt gebracht, das Haus wurde jedoch weiter bewohnt. | Im Jahre 1982 wurden in einer Wohnung in der [[Blumenstraße 12]] (Hinterhaus) eine größere Menge Quecksilber (Hg) gefunden und zum Ordnungsamt gebracht, das Haus wurde jedoch weiter bewohnt. | ||
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Obwohl die Quecksilberbelastungen seit langem bekannt waren, gab erst im März 1989 das Hochbauamt bei der Landesgewerbeanstalt (LGA) Quecksilber-Messungen im Rückgebäude des (damals sogenannten) [[Hirschenstraße 2, Kohlenmarkt 3|Amtshauses]] (am Kohlenmarkt) in Auftrag. Erste Messungen ergeben hohe Werte, die auch in weiteren Kontrolluntersuchungen bestätigt wurden. Im Mai 1989 wurden zwei Räume im Hinterhaus des Amtshauses geräumt (Zimmer 120 u. 217), weitere Räume folgten. | Obwohl die Quecksilberbelastungen seit langem bekannt waren, gab erst im März 1989 das Hochbauamt bei der Landesgewerbeanstalt (LGA) Quecksilber-Messungen im Rückgebäude des (damals sogenannten) [[Hirschenstraße 2, Kohlenmarkt 3|Amtshauses]] (am Kohlenmarkt) in Auftrag. Erste Messungen ergeben hohe Werte, die auch in weiteren Kontrolluntersuchungen bestätigt wurden. Im Mai 1989 wurden zwei Räume im Hinterhaus des Amtshauses geräumt (Zimmer 120 u. 217), weitere Räume folgten. | ||
Im Juni 1989 stellte der Amtsarzt bei verschiedenen Beschäftigten erhöhte Quecksilberwerte fest, aus arbeitsmedizinischer Sicht müssten seiner Meinung nach die belasteten Räume saniert werden. Im Juni 1989 wurden die Mitarbeiter im Amtshaus offiziell über die Hg-Belastung informiert. Forderungen der Mitarbeiter nach einer Umsetzung in andere Räume wurden laut. Im Juli 1989 mussten im Vordergebäude des Amtshauses in einigen Räumen ähnlich hohe Werte wie im Hinterhaus festgestellt werden. Im Boden eines Raumes von Zimmer 119 wurde der sehr hohe Wert von 2500 mg/kg gemessen. Gleichfalls im Juli 1989 schaltete der Personalrat den Bayerischen Gemeindeunfallversicherungsverband ein. Das Direktorium verfügte den Umzug einiger Dienststellen zum [[Kirchenplatz]]. Während im August 1989 das Arbeits- und Sozialmedizinische Institut der Universität Erlangen "keine alarmierenden Werte" bei den Angestellten fand, forderte im September 1989 die LGA eine sofortige Umsetzung der Mitarbeiter sowie sofortige Sanierungsmaßnahme. Am 30. November 1989 lag dem Umweltausschuss des Stadtrates ein Bericht über die Hg-Belastung im | Im Juni 1989 stellte der Amtsarzt bei verschiedenen Beschäftigten erhöhte Quecksilberwerte fest, aus arbeitsmedizinischer Sicht müssten seiner Meinung nach die belasteten Räume saniert werden. Im Juni 1989 wurden die Mitarbeiter im Amtshaus offiziell über die Hg-Belastung informiert. Forderungen der Mitarbeiter nach einer Umsetzung in andere Räume wurden laut. Im Juli 1989 mussten im Vordergebäude des Amtshauses in einigen Räumen ähnlich hohe Werte wie im Hinterhaus festgestellt werden. Im Boden eines Raumes von Zimmer 119 wurde der sehr hohe Wert von 2500 mg/kg gemessen. Gleichfalls im Juli 1989 schaltete der Personalrat den Bayerischen Gemeindeunfallversicherungsverband ein. Das Direktorium verfügte den Umzug einiger Dienststellen zum [[Kirchenplatz]]. Während im August 1989 das Arbeits- und Sozialmedizinische Institut der Universität Erlangen "keine alarmierenden Werte" bei den Angestellten fand, forderte im September 1989 die LGA eine sofortige Umsetzung der Mitarbeiter sowie sofortige Sanierungsmaßnahme. Am 30. November 1989 lag dem Umweltausschuss des Stadtrates ein Bericht über die Hg-Belastung im sogenannten Amtshaus vor. | ||
[[Bündnis 90/Die Grünen]] informierten im Januar 1990 in einer Veranstaltung mit Prof. [[Wikipedia:Armin Weiß|Armin Weiß]] über die Quecksilber-Belastung im Amtshaus und in mindestens 30 weiteren Gebäuden der Stadt: Im Januar 1990 gab die Stadt die „verbindliche Zusage“ für den Umzug von Ordnungsamt und Versicherungsamt in das Gebäude [[Kirchenplatz 2]] zum 19. Februar 1990. | [[Bündnis 90/Die Grünen]] informierten im Januar 1990 in einer Veranstaltung mit Prof. [[Wikipedia:Armin Weiß (Chemiker)|Armin Weiß]] über die Quecksilber-Belastung im Amtshaus und in mindestens 30 weiteren Gebäuden der Stadt: Im Januar 1990 gab die Stadt die „verbindliche Zusage“ für den Umzug von Ordnungsamt und Versicherungsamt in das Gebäude [[Kirchenplatz 2]] zum 19. Februar 1990. | ||
Im Februar 1990 lag ein Gutachten des „Instituts für Umweltanalytik zu den Bodenuntersuchungen“ auf dem Gelände des Kohlenmarkts 3 vor: der Boden müsse saniert werden, da der Austrag von Quecksilber ins Grundwasser sehr wahrscheinlich sei. Das Gewerbeaufsichtamt verbot zur selben Zeit, Schwangere und Jugendliche im Amtshaus Kohlenmarkt zu beschäftigen. | Im Februar 1990 lag ein Gutachten des „Instituts für Umweltanalytik zu den Bodenuntersuchungen“ auf dem Gelände des Kohlenmarkts 3 vor: der Boden müsse saniert werden, da der Austrag von Quecksilber ins Grundwasser sehr wahrscheinlich sei. Das Gewerbeaufsichtamt verbot zur selben Zeit, Schwangere und Jugendliche im Amtshaus Kohlenmarkt zu beschäftigen. | ||
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Am 4. März 1993 beriet der Umweltausschuss die Verträge für die Modellstudie im nichtöffentlichen Teil und am 10. März 1993 beschloss der Stadtrat den Vertrag für die Modellstudie zur Sanierung von zwei Häusern ([[Blumenstraße 16]] und [[Blumenstraße 18]]). Im Mai 1993 begannen in der Blumenstraße 16 und 18 die Sanierungsmaßnahmen. | Am 4. März 1993 beriet der Umweltausschuss die Verträge für die Modellstudie im nichtöffentlichen Teil und am 10. März 1993 beschloss der Stadtrat den Vertrag für die Modellstudie zur Sanierung von zwei Häusern ([[Blumenstraße 16]] und [[Blumenstraße 18]]). Im Mai 1993 begannen in der Blumenstraße 16 und 18 die Sanierungsmaßnahmen. | ||
Im August 1993 waren die Quecksilber-Messungen in den Verdachtshäusern abgeschlossen, am 7. Oktober 1993 wurde der Umweltausschuss über die Ergebnisse informiert: 44 Gebäude waren kontaminiert, 39 davon befanden sich in der Alt- bzw. Innenstadt, drei nahe dem Stadtpark bzw. der Stadtgrenze und zwei Häuser in der Südstadt. Im Dezember 1993 erhielt die Bahnhofsmission nach einem gerichtlichen Vergleich 50.000 DM Schadensersatz von der Stadt zugesprochen. | Im August 1993 waren die Quecksilber-Messungen in den Verdachtshäusern abgeschlossen, am 7. Oktober 1993 wurde der Umweltausschuss über die Ergebnisse informiert: 44 Gebäude waren kontaminiert, 39 davon befanden sich in der Alt- bzw. Innenstadt, drei nahe dem [[Stadtpark]] bzw. der Stadtgrenze und zwei Häuser in der [[Südstadt]]. Im Dezember 1993 erhielt die Bahnhofsmission nach einem gerichtlichen Vergleich 50.000 DM Schadensersatz von der Stadt zugesprochen. | ||
Im Frühjahr 1995 stellte die Landtagsabgeordnete [[Wikipedia:Sophie Rieger|Sophie Rieger]] auf Ansinnen der Fürther Grünen im Landtag den Antrag, im Haushalt 800.000 DM für die Sanierung der quecksilberbelasteten Häuser in Fürth einzustellen. Dies wurde abgelehnt und darauf verwiesen, dass im bereits bestehenden Haushaltstitel | Im Frühjahr 1995 stellte die Landtagsabgeordnete [[Wikipedia:Sophie Rieger|Sophie Rieger]] auf Ansinnen der Fürther Grünen im Landtag den Antrag, im Haushalt 800.000 DM für die Sanierung der quecksilberbelasteten Häuser in Fürth einzustellen. Dies wurde abgelehnt und darauf verwiesen, dass im bereits bestehenden Haushaltstitel „Abfallwirtschaft“ die notwendigen Gelder schon bereit stünden. Die Grünen in Fürth - dabei vor allem [[Rotraut Grashey]] - forderten daraufhin, dass die Mittel für die Entseuchung jener 42 Gebäude abgerufen werden, die als hoch quecksilberlastet eingestuft waren.<ref>Martin Möller: ''Gelder für die Beseitigung der Quecksilber-Altlasten''. In: Fürther Nachrichten vom 11. Mai 1995, S. 38.</ref> | ||
Ab etwa 1995 verschwand die Quecksilberbelastung weitgehend aus den Schlagzeilen. Ob tatsächlich alle kontaminierten Gebäude saniert wurden, ist unklar.<ref>Quelle für die Darstellung 1982 bis 1993: [[Helga Krause]]: [http://www.dr-alexander-mayer.de/downloads/HG4.pdf Quecksilber-Chronologie] (PDF). Fürth 1995.</ref> | Ab etwa 1995 verschwand die Quecksilberbelastung weitgehend aus den Schlagzeilen. Ob tatsächlich alle kontaminierten Gebäude saniert wurden, ist unklar.<ref>Quelle für die Darstellung 1982 bis 1993: [[Helga Krause]]: [http://www.dr-alexander-mayer.de/downloads/HG4.pdf Quecksilber-Chronologie] (PDF). Fürth 1995.</ref> Aber alle Gebäude, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts Spiegelfabriken waren, mussten und müssen aufgrund der Quecksilberverseuchung saniert werden. | ||
Im Gebäude [[Gustavstraße 44]] ist man erst 2021 auf Quecksilberrückstände gestoßen. Seitdem wird dieses Gebäude aufwendig saniert. Da es unter [[Denkmalschutz]] steht, darf es nicht abgerissen werden. Das bestehende Fachwerkhaus muss bis auf die Außenfassade zurückgebaut werden.<ref>''Quecksilbersanierung in der Gustavstraße''. In: [[Fokus Fürth]], Franken Fernsehen, TVF Fernsehen in Franken Programm GmbH, Nürnberg, vom 17. April 2025, aufgerufen am 20. Oktober 2025 - | Im Gebäude [[Gustavstraße 44]] ist man erst 2021 auf Quecksilberrückstände gestoßen. Seitdem wird dieses Gebäude aufwendig saniert. Da es unter [[Denkmalschutz]] steht, darf es nicht abgerissen werden. Das bestehende Fachwerkhaus muss bis auf die Außenfassade zurückgebaut werden.<ref>''Quecksilbersanierung in der Gustavstraße''. In: [[Fokus Fürth]], Franken Fernsehen, TVF Fernsehen in Franken Programm GmbH, Nürnberg, vom 17. April 2025, aufgerufen am 20. Oktober 2025 - | ||
[https://www.frankenfernsehen.tv/mediathek/video/fokus-fuerth-quecksilbersanierung-in-der-gustavstrasse/ online]</ref> | [https://www.frankenfernsehen.tv/mediathek/video/fokus-fuerth-quecksilbersanierung-in-der-gustavstrasse/ online]</ref> | ||
==Literatur== | ==Literatur== | ||
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