Walderholungsstätte

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Walderholungsheim im Stadtwald an der Heilstättenstraße, Schaubild, Aufnahme um 1907
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Die Walderholungstätte wurde am 27. August 1908 im Fürther Stadtwald in Betrieb genommen. Das Gebäude war ein langgestreckter Parterrebau im Stadtwald am Fahrweg zur Lungenheilsätte, von diesem ca. 300 Meter entfernt und etwa 25 Meter oberhalb auf sanft ansteigender Höhe. Die Einrichtung diente den erholungsbedürftigen Männern, Frauen und Kindern aus den sog. "minderbemittelten Kreisen" der Stadt Fürth und Umgebung und war nur während der Monate Mai bis Oktober geöffnet. Die Patienten sollten während ihres Aufenthaltes "reine Waldluft bei reichlicher und guter Ernährung" zu sich nehmen, um wieder zu Kräften zu kommen. Es existierten zwei Abteilungen für Frauen und Männer mit je einem Speisesaal, getrennt durch eine Küche. Jeder Saal bot Sitzgelegenheit für 54 Personen. Die Nebenräume wurden von den Ärzten, Schwestern und einem Beschäftigten, der Hausmeisterdienste versah, genutzt. Eine Holzbalustrade, die vor der Halle stand, war auf einem rotgelben Sockel aus Katzensteiner Material aufgesetzt. Hinter dem Anstaltsgebäude gab es zuätzliche Erholungsplätze, von denen man aus zu einem Waldspaziergang gehen konnte.[1]

Über die Dauer der Nutzung bzw. deren Verbleib ist aktuell nichts bekannt. Es ist aber naheligend, dass die Einrichtung gleichzeitig mit dem Waldkrankenhaus im Juli 1933 geschlossen wurde.

Betrieb

Patienten & Angestellte um 1909

Der Betrieb wurde durch die Stadt Fürth und dem Zweigverein Fürth des Bay. Landes-Hilfs-Vereins vom Roten Kreuz bzw. dem Frauenverein des Roten Kreuzes sichergestellt. Das Gebäude wurde 1908 auf städtischem Grund errichtet. Die Pläne kamen vom Stadtbaurat Otto Holzer, die Bauausführung erfolgte von Josef Zizler. Das Gebäude entstand in unmittelbarer Nähe zur Lungenheilstätte sowie der Haltestelle Weiherhof der Lokalbahn Fürth-Cadolzburg, so dass die Patienten in ca. 12 Minuten von der Haltestelle bzw. 1 Stunde aus der Innenstadt das Ziel erreichen konnten. Den Nutzern der Walderholungsstätte bot die Lokalbahn eine tägliche Anfahrt um 8:25 Uhr in einem gesonderten Wagen bis Station Weiherhof. Die Rückfahrt legte man auf 18:20 Uhr fest. Die Lokalbahn-Verwaltung gewährte einen ermäßigten Preis für Hin- und Rückfahrt von 25 Pfennigen.

Die Errichtungskosten der Einrichtung übernahmen neben der Stadt Fürth auch die Landesversicherungsanstalt Mittelfranken, die Max Eiermann´sche Wohltätigkeitsstiftung, das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose sowie ein anonymer Spender aus Fürth. Für den Patienten betrugen die vollen Verpflegungaufwendungen täglich 1,50 Mark (incl. Fahrschein für die Lokalbahn), für Kinder im Alter zwischen 10 - 12 Jahren 60 Pfenning und 50 Pfenning für jüngere Kinder. Für sog. Nachtkuren wurde zusätzlich 1 Mark berechnet. 1910 wurden bereits erste bauliche Erneuerungen vorgenommen, so wurde im Speisesaal der Holzfußboden durch ein pflegeleichten Linoleumboden ausgetauscht und das Dach mittels Dachziegeln bedeckt. Zuvor war lediglich eine Teerpappe auf dem Dach angebracht. Auch eine Kegelbahn konnte angelegt werden, die überwiegend von den männlichen Patienten "reichlich" genutzt wurde.

Die ärztliche Leitung hatte jeweils der leitende Arzt der Lungenheilstätte, während die Pflege und Hausverwaltung eine Schwester des Roten Kreuzes übernommen hatte. Ihr standen eine Köchin und ein Hausmädchen zur Seite.

Die Zahl der Patienten nahm im Laufe der Jahre stetig zu. So berichtete man im vierten Betriebsjahr (1911), dass die Zahl der behandelten Patienten von ehemals 141 auf 214 pro Jahr gestiegen war. Eine weitere Expansion schien von Seiten des Berichterstatters schwierig, da die Anzahl der Liegen, die Ausrüstung der Küche mit Geschirr etc. an ihr Limit gelangt waren. Insbesondere in der Zeit von Mitte Juli bis Mitte August kam es scheinbar immer wieder zu massiven Überbelegungen bzw. zu einer verstärkten Anfrage, so dass die Aufnahme vieler Patienten abgelehnt werden musste. In der Einrichtung selbst galt strengstes Alkoholverbot. Wer beim Trinken erwischt wurde, musste die Einrichtung verlassen. Die Patienten konnten tageweise oder die ganze Woche die Kur in Anspruch nehmen. Lediglich in der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde die Einrichtung geschlossen, um den Patienten die Möglichkeit zu geben, zu Hause ein Bad zu nehmen und sich mit frischer Wäsche auszustatten.

In einer statistischen Untersuchung aus dem Jahr 1910 geht hervor, dass die größte Berufsgruppe der männlichen Patienten die der "Bureau-Assistenten" sowie Schreiner und schulpflichtige Kinder waren, während bei den weiblichen Patientinnen die Berufsgruppe der Arbeiterinnen deutlich dominierte, gefolgt von Zurichterinnen, Näherinnen und ebenfalls den schulpflichtigen Kindern. Die durchschnittliche Kurdauer betrug 27,1 Tage bei den Männern, bei den Frauen 26,9 Tage. Spitzenreiter bei den Diagnosen waren stets die Tuberkulose, gefolgt von Anämien (Blutarmut), Neurasthenie (psychische Nervenschwäche) und chronischen Lungenerkrankungen. Ebenfalls erfasst wurde das Gewicht der Patienten. Während des Kuraufenthaltes nahmen die Männer im Durchschnitt 2,8 kg zu, während die Frauen im Durchschnitt 2,2 kg infolge der Kurmaßnahme zunahmen.[2]

Nightcamps

Ein besonderes Angebot für die Bevölkerung - und für damalige Verhältnisse als ein fast einmaliges Angebot in Deutschland zu sehendes Projekt - waren sog. Nightcamps nach amerikanischem Muster. Lediglich eine Walderholungsstätte in Berlin-Pankow hatte dieses Projekt in Deutschland bereits realisiert. Die Idee der Nightcamps war es, vor allem weibliche Patienten mit geschlossener Tuberkulose aber auch mit Unterernährung direkt im Wald nachts unterzubringen. Hierzu wurden eigens Hängematten gespannt, so dass die Patienten unter freiem Himmel die Nacht verbrachten. Aus der Literatur geht hierzu folgendes hervor: Der Vorteil liegt vor allem in der Ausnutzung der Walderholungsstätte bei Tag und Nacht. Der uns für genannten Zweck zur Verfügung stehende Platz war zwar sehr beschränkt, aber durch das verständnisvolle Eingehen einer hiesigen Firma auf unsere Vorschläge wurden billige, völlig zweckentsprechende Hängematten und Schlafsäcke konstruiert, die nicht nur bei den vielen Interessenten ... ungeteilten Beifall gefunden [haben], sondern auch bei den Patienten sich der weitgehendsten Sympathie erfreuten. Aus Gründen der räumlichen Beschränkung und in der Ungewissheit, ob sich bei den Patienten das nötige Interesse und die erforderliche Beteiligung vorfinde, haben wir bis auf weiteres nur 6 Nachtlager installiert, von denen eines der aufsichtführenden Schwester überwiesen wurde und die 5 anderen den Patienten zufielen. Nach Nachfrage war aber aus den Kreisen der Frauen ... so groß, daß wir ständig die 4fache Anzahl Nachtlager hätten anbieten können. Alle rühmten übereinstimmend die wohltuende Ruhe im Wald, die angenehme, erfrischende, auch in der Gluthitze des Sommers nie ganz versagende Luftzirkulation, die auf die Atmungsorgane so wohltätige Wirkung der Waldluft, als große Annehmlichkeit wird empfunden, daß die stramm aufgespannten Hängematten trotzdem einen hohen Grad von Elastizität besitzen und jeder Bewegung des Körpers besser nachgeben als unsere Roßhaarmatratzen. Die Dauer der Nachtkur belief sich auf die Zeit vom 22. Mai bis 2. September.[3]

Die Ergebnisse der Nachtkur konnten aber vom Autor nicht abschließend beurteilt werden, da nur "gesündere" Patienten für die Nachtkur zugelassen wurden, so dass der Vergleich zu den Patientengruppen in der Tageskur schwer möglich war. Zumindest wurde aber der Erfolg vermutet, indem festgestellt wurde: ... die durch die Nachtkur bedingte Abhaltung von Schädlichkeiten wie: Nachtvergnügen, Alkohol, Einatmung rußiger Stadtluft, unhygienisches Wohnen, sprechen für diese Wahrscheinlichkeit. Ebenso wurde festgehalten, dass das Verhalten der Patienten - trotz Bedenken - stets musterhaft war. Auch verdient es Anerkennung, dass die Nachtruhe der Kranken niemals durch Tatenlosigkeiten neugieriger Passanten gestört wurde, obwohl dem Groß des Publikums aus den Tageszeitungen der Situationsplan für die Nachtkuren bekannt war. Der Einführung der Nachtkuren war eine zum Teil öffentliche Diskussion vorangegangen, in der der Nutzen bzw. die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme in Abrede gestellt wurde. Der Autor appellierte am Ende seines Aufsatzes an die Mahner und Kritiker: Vielleicht gelingt es, durch weitere Propaganda und nochmaligem Appell an die Herren Ärzte in diesem Sinne Wandel zu schaffen.[4]

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Bericht der Stadt Fürth im Fürther Central-Anzeiger vom 27. August 1908
  2. Einrichtungen zur Bekämpfung sozialer Krankheiten in Fürth, Eigenverlag Fürth, 1912, S. 105 ff.
  3. Einrichtungen zur Bekämpfung sozialer Krankheiten in Fürth, Eigenverlag Fürth, 1912 , S. 102 ff.
  4. Einrichtungen zur Bekämpfung sozialer Krankheiten in Fürth, Eigenverlag Fürth, 1912, S. 104

Bilder