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Vorbei sind die Zeiten, in denen der Herr Hauptoffiziant mit einem Zettel in der Hand durch die Klassen hetzte,er wartungsvoll beobachtet und immer freudig begrüßt, weil

Die

er eine Angenehme Unterbrechung des Unterrichts mitsich brachte. Nein! Ein Knopfdruck, und die Stimme des Herrn erreicht jeden überall. Sogar am stillen Ort, wo derSchü ler in der Pause seine .Aufgaben abschreibt, ist ein Laut

Oder :

V erd en

wir bebocher/f ?

Sprecher installiert. (Anmerkung d. Red.s Dichterische Freiheit). Aber die Schülerschaft sieht goldenen Zeiten entgegen. Ist irgendeine Anweisung wider den Schülergeist wird die Ausrede: "ich habe das nicht gehört" kaum wider

Nehmt euch in Acht, liehe Schüler an der OR, ihr werdet

legt werden können. Also, liebe Schüler, kommt irgendet­

behöcherlt! Denn euere Schule hat jetzt ihre langersehn­

was Unangenehmes auf euch zu, schaltet geistig ab, hört

te Sprechanlage. Der Schüler im freien Westen hat in der

nicht hin und ihr habt ein feines Leben.

Schule zuviel persöhnliche Freiheit - d.h. er findet mehr

Jeder Lautsprecher kann aberals Mikrophon verwendet werden. Hier

Gelegenheit Unsinn zu machen, als der Schule recht ist. Dieser Trieb wird jetzt durch ausgefeilte Überwachung un terbunden. Fürderhin werden Übeltäter mit donnernder, durch elektrischen Strom aber leicht verzerrter Stimme

kommt er, der Pferdefuß: ln Klas sen die als böse, laut oder"Stif tenfeindlich" bekannt sind schal

auf den öden Weg des Gehorsams zuriickgehalten. Welch ei­ ne Schande, wenn der Ertappte mittels Draht gemaßregelt

tet sich das sanctum officium einfach über den Lautsprecher ein

/TV

wird. Es erfährt die ganze Schule.

Stimmen die sich durch Zwischenrufe

fi U

Noch gähnen in den Räumen und den Korridoren die leeren

rufe besonders hervortun, werden

Höhlen, die später die Technik an unserer Schule beher bergen sollen. Die OR ist nämlich eine moderne Schule.

auf Tonband ausgenommen, der Besitzer des Organs leicht festge-

Schrittmachend war sie in der neuzeitlichen Raumkultur :

stellt.Ein Referendar, der seinen

"Die gute Stube wird gekachelt, strahlt sie auch hinter­ her in hygienischem Grau, daß man sich in einer Badean­

ersten Alleingang wagt, steht nicht mehr einsam auf weiter Flur, er wird über die Tech

stalt glaubt (böse Zungen behaupten das Schulhaus gliche

nik sicher geleitet. Weiß er nicht mehr weiter, kann er "drahtige Instruktionen" empfangen. In Fällen höchster

mehr einer anderen öffentlichen Einrichtung). Aber auch auf technischem Gebiet darf diese Lehranstalt natürlich gegenüber anderen Fürther Schulen nicht allzuweit hinter her hinken. Denn die Wiege der Neuerung steht im Lyzeum (dort gibt es schon seit Jahren eine solch Einrichtung ). Deshalb wurde das MRG auch für das Direktorat zu einem Wunschbild, wobei sich dieses mit den Schülern der 6 6. Klasse aufwärts auf eine Stufe stellt. Für einen Aufwand von über Io ooo DIC wurde der ehrwürdi ge Bau an der Kaiserstraße modernisiert. Endlich kann jje der Schüler von der technischen und geistigen Zentrale, dem Direktorat, an jeder Stelle des Schulhauses erreicht werden.

Mi

1J

Not braucht er nur noch laut um Hilfe zu rufen, er wird gehört. Die Inquisition kommt dann von selbst. Hat ein Schüler etwas ausgefressen, wird er nicht mehr diskret verständigt, sondern metallisch tönt es durch das Gebäude : "Schmidt, sofort zum Herrn Direktor!" Schmidt, dieser üble Wicht ist dann allen bekannt, mit Fingern wird man auf ihn zeigen. Das ist eine

zusätz­

liche, moralische Strafe, die von höheren Stellen nur befürwortet werden kann, weil sie erzieherisch wirkt.