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NFSZ 5/1

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Aus Politik und Zeitgeschichte

Wir unterhielten uns mit Höheren Schülern über die Bundestagswahl

yOahlkam pf erregte auch die Schüler Anteilnahme am politischen Geschehen wächst, aber das Wissen fehlt (NFSZ) — Unsere Schuljugend zwischen 16 und 20 Jahren scheint den innenpoli­ tischen Auseinandersetzungen der letzen Monate gar nicht so gleichgültig gegen­ überzustehen, w ie manche Schwanengesangs-Propheten gern behaupten. Sie hat sogar den Wahlkampf der westdeutschen Parteien im allgem einen sehr aufm erk­ sam verfolgt, w enn auch m eist ohne die nötige politische Sachkenntnis. Zu diesem Schluß muß man auf Grund einer D iskussion gelangen, die w ir am 16. September, einem Tag nach der Bundestagswahl, m it den Schülern einer sechsten und einer neunten Klasse der Fürther Oberrealschule führten. D ie m eisten S chüler bezogen ihre K en n tn isse des W ahlkam pfes aus Z ei­ tu n g en u nd R undfunk. Nach den A us­ sagen d e r S chüler w u rd e das W ahlge­ schehen nicht n u r daheim besprochen, so n d ern auch im R ahm en d e r K lassen­ gem einschaft erö rte rt. In einem F all w u rd e n sogar W etten ü b e r den A us­ gang der W ahl abgeschlossen. A lle r­ dings d a rf dieses offensichtliche I n te r ­ esse am W ahlkam pf n icht d a rü b e r h in ­ w egtäuschen, daß eine offene A us­ sprache ü b er d ie verschiedenen S ta n d ­ p u n k te d er P a rte ie n au f einen v e rh ä lt­ nism äßig k le in en K reis von politisch besonders regen S chülern b eschränkt ist, w äh ren d die große „M asse“ sich po­ litisch er S tellu n g n ah m en en th ält, w en i­ ger aus D esinteresse als aus ein er ge­ w issen A bneigung gegen allzu offene politische G eständnisse. W ahlversam m ­ lu n g en besuchten n u r acht von 21 O ber­ p rim a n e rn u n d fü n f von 25 S chülern d e r sechsten K lasse. Den W ahlsieger kannten alle E in schriftliches W ahlquiz ergab ein m erk w ürdiges R e su ltat: A lle Schüler d e r beiden K lassen w u ß ten zw ar, w el­ che P a rte i in d er B undestagsw ahl die m eisten S tim m en e rh a lte n h a tte — viele k o n n te n sogar d ie u n g efäh re P ro z en t­ zahl angeben. Auch, daß die CDU/CSU im zw eiten B undestag die stä rk ste P a r ­ tei bildete, w a r allen ohne A usnahm e b ek an n t. D agegen verm ochte k ein ein­ ziger alle zw ölf P arteien , die sich um S itze fü r den B u ndestag bew arben, v o llständig aufzuzählen; durchschnitt­ lich k o n n ten n u r die H älfte d er W ahl-' k a m p f-P a rte ie n richtig b e n a n n t w e r­ den, w obei die CDU/CSU, SPD und FD P allen b e k a n n t w aren. BP ist gleich „Bierpartei“ W enn auch die P artei-A b k ü rzu n g e n m eistens richtig ausgeschrieben w u r­ den, so fo rd e rte das A bkürzungsteufelchen auch h ie r seine O pfer. D ie F reie D em okratische P a rte i (FDP) w u rd e von einigen U n te rse k u n d an e rn als „F reie D eutsche P a rte i“, die V aterländische U nion (VU) als „V ereinigte U nion“ a n ­ gefü h rt, d er G esam tdeutsche Block (GB) w u rd e in „G ew erkschaftsbund“ um ge­ ta u ft u nd die B a y ern p arte i (BP) als „B ie rp a rtei“ ap ostrophiert. D en Vogel schoß ein u n fre iw illig er W itzbold ab. E r k o n stru ie rte — vielleicht als V orw eg­

n ah m e ein er k ü n ftig e n K o alitio n ■— aus d e r CSU eine „C hristlich-Sozialdem ok ratisch e-U n io n “ ! Wehrpflicht — Atom — Wirtschaft Bei u n se re r F ra g e nach den Z ielen d e r einzelnen B u n d estag sp arteien w u r­ den in d er Regel n u r die W ah lp ro ­ gram m e d e r beid en großen P arteien , d e r CDU/CSU u n d d e r SPD skizziert („weil die an d e ren sowieso nichts zu sagen h a b e n “). D abei ließ sich v e rb lü f­ fenderw eise feststellen, daß die J u ­ gendlichen die P a rte ie n in d er Regel nach d rei G esichtspunkten b eu rteilen : nach ih re r H altu n g in d er W ehrpflicht, d er A tom -V erw endung u n d d er W irt­ schaft. W eiter fä llt auf, daß n u r w enige die P ro g ram m e d er P a rte ie n in ih re n w esentlichen U nterschieden zu u m re i­ ßen verm ögen; m eist steh en n u r nichts­ sagende Schlagw orte w ie „Sicherheit fü r a lle “ u n d „K eine E x p e rim e n te “ da — ein Zeichen, daß das politische W is­ sen d e r Schüler viel zu w enig fu n d iert ist. G ern w erd en B egriffe w ie sozial, sozialistisch und sozialdem okratisch d u rcheinan d er gebracht. F ü n f Schüler, d a ru n te r ein O b erp rim an er, verm ochten ü b e rh a u p t nicht, die g estellte F rage nach den P ro g ram m en d er P a rte ie n zu bean tw o rten . E in Schüler1 le h n te eine S tellu n g n ah m e ab, w eil e r befürchtet, d er V erfasser dieses A rtikels, könne seine A nsicht einseitig propagandistisch ausw erten. „Wahlkampf war prim itiv“ E inen aufschlußreichen Einblick in die politische V orstellungsw elt d e r J u ­ gendlichen lä ß t ih re K ritik an dem W ahlgebaren d er P a rte ie n zu. D urch­ w egs w u rd e d e r W ah lk am p f als n iv e au ­ los u nd dem agogisch-prim itiv em p fu n ­ den. D ie Schüler fü h len sich v o r allem von unsachlichen o ft ins B eleidigend­ persönliche au sa rte n d e n A u sein an d er­ setzungen, die n u r m it P aro len au fw a r­ te n (die sie — die Schüler — a b e r tro tz d er K ritik sich selbst in ih rem S prach­ gebrauch aneigneten), abgestoßen. T rotzdem glauben fast alle, daß eine politische E ntscheidung des V olkes in F orm ein er W ahl notw endig ist. N ur zw ei O b erp rim an e r w ü rd e n bei einer W ahl n ich t m itw äh len , („Die M öglich­ k eiten ein er echten A lte rn a tiv e sind zu g erin g “, u n d „m eine S tim m e zä h lt ja doch n ich t“).

M it k r i tis c h e n B lic k e n b e t r a c h t e n d ie S c h ü ­ l e r d ie W a h lp la k a te . D ie d r e i a u f u n s e r e m B ild s c h e in e n d ie W a h lv e r s p r e c h e n r e c h t I r o ­ n is c h z u k o m m e n t i e r e n . B ild : M e id e l

Politisches W issen fehlt M an h a tte bei dieser D iskussion den E indruck, daß — an d ers noch als vor einigen J a h re n —• die A n teiln ah m e d er Ju g en d am politischen G eschehen zu ­ nim m t, daß es ih r an d e rerseits ab er noch w eith in an politischem W issen fehlt, um sie endgültig aus ih rem u n ­ zeitgem äßen D ornröschenschlaf zu .w ekken. D en L eh rern , die dieses W issen v e rm itte ln sollten, erm an g elt oft der M ut u n d vielleicht auch die S ach k en n t­ nis, sich an so heiße E isen w ie die T a­ gespolitik im U n terrich t h eranzuw agen; den L e h rk rä fte n w u rd e ja sogar vom K u ltu sm in isteriu m nahegelegt, sich vor d e r W ahl jeglicher politischer Ä u ß eru n ­ gen im U n terrich t zu en th alten . Das ist freilich k au m d er richtige Weg, die J u ­ gend an ih re staatsb ü rg erlich e V e ra n t­ w o rtu n g h eran zu fü h ren .

Jazz ist staafsgefährdend (jpi) — N achdem fü r k u rze Z eit die T ätig k eit von „Jazz-O rch estern u n d Ja zz -Z irk eln d er Ju g e n d “ in allen T ei­ len d e r Sow jetzone ohne B eh in d eru n g g e sta tte t w ar, h ab e n das M inisterium des In n e rn u n d d e r S taatsich erh eits­ d ien st A n fan g J u n i B eschränkungen fü r Jazz -V eran staltu n g en v erfü g t. Ö ffen t­ liche Jazz-K o n zerte m it m e h r als 250 T eiln eh m ern b ed ü rfen ein er besonderen G enehm igung durch den S taatssich er­ heitsdienst, d ie n u r e rte ilt w ird, w en n die F D J als V e ra n sta lte r a u ftritt. B e­ trieb sd isk u ssio n en ü b e r den Jazz sind am 7. J u n i vom S taatssich erh eitsd ien st ebenfalls u n te rsa g t w orden. Auch B e­ gegnungen von Jazz-O rch estern aus d e r Zone u n d aus d e r B u n d esrep u b lik u n te rlieg en neu en scharfen B estim m un­ gen.