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liner abgeordnetenhaus form«11 angenommen.(Das abgeordnetenhaus - das ist der stadtrat und gleichzeitig die landesregierung Berlins - hat 2oo sitze. 133 davon sind von westberliner abgeordneten celegt, 67 werden für die Vertreter der ostberliner bezirke freigehalten., die allerdings nicht gewählt werden dürfen. Berliner abgeordnete im bundestag und im bundesrat haben kein Stimmrecht. Wenn auch die westlichen Stadtkommandanten fast alle Verwaltungsauf­ gaben den deutschen stellen überlassen haben, so können sie das,wie gesagt, augenblicklich wieder rückgängig machen,da ja teoretisch alle gewalt in ihren händen liegt. Eine episode aus dem vorigen Jahr macht das deutlich: Bei den filmfestspielen lief der amerikanische film “weg zum rühm", der vom T. Weltkrieg handelt, und bei dem die Franzosen nicht beson­ ders gut wegkommen. Daraufhin verbot der französische Stadtkommandant kurzerhand diesen film für den französischen Sektor. WIE SIEHT ES HEUTE IN BERLIN AUS?

.m au.

Vorhin sprach ich vom Wiederaufbau Westberlins, der gegenüber dem Westdeutschlands mit dreijähriger Verspätung einsetzte. Nun,heute ist ■ der rückstand längst aufgeholt. Berlin kahn es mit jeder westdeutschen großstadt aufnehmen.Ich denke nur an das hansaviertel mit seinen rie­ sigen und doch ansprechenden "Wohnsilos", an den eigenwilligen bau der kongresshalle, an die modernen geschäfts- und bürohäuser, an die Schnellstraßen mit dem beängstigenden verkehr, an das lichtermeer auf dem nächtlichen "Ku-damm" und an all die elegant gekleideten menschen. Und überall wird noch gebuddelt und gebaut.... Der ostsektor dagegen bietet einen traurigen anblick. Man findet noch weite trümmerfelder und halbverfallene baudenkmäler, wie z.fc.den dom. Seibst in dem "aushängesohild" Ostberlins, in der "kalten pracht" der Stalinallee bröckelt schon der putz von den häusern. Wie waren die Westberliner eigentlich zu dieser leistung iri der läge? Nun, nachdem die 55 Millionen cbm Schutt zum "Monte Klamotte" und zu zwei weiteren stattlichen bergen aufgetürmt waren (erstklassige fundgruben für spätere archäologengeschlechter!),und die blockade vorüber war, bauten die Berliner tag und nacht Wohnungen und fabriken, und heute finden wir eine gut entwickelte industrie (z.b. die siemensstadt). Das alles war natürlich nicht ohne Unterstützung durch den bund möglich. Jedes jahr bekommt Berlin einen Zuschuß von 1 milliarde mark, allerdings ist die berliner industrie heute schon so weit, daß sie fast die gleiche summe an bundessteuern nach bonn abführt.Die Berliner bekommen also praktisch nur ihre Steuergelder zurück. Mit einem teil dieser Zuschüsse werden die autobahngebühren bezahlt, die die sowjetzonenregierung für alle güfcer erhebt, die nach Westberlin kommen. So wird beispielsweise für einen tankwagen mit milch 15o DM verlangt!! Solche summen kann man unmöglich auf den Verbraucher um­ legen. UND WIE IST DIE STIMMUNG DER BERLINER? Optimistischer kann man gar nicht sein als diese 2,2 Millionen "Insel­ bewohner". Daß am 27. mai "wieder 'mal ne frist abläuft", nehmen sie nicht weiter tragisch, denn "es wird schon schief gehen". Und lamen­ tiert doch einmal einer,so bekommt er eine tüpischberliner-schnoddrige antwort, die dört schon zur redensart geworden ist: "Wat soll denn det jejammre, wenn de noch lebst, biste selber schuld, bomben sind ja jenuch jefallen!"....

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