Streik

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Von Arbeitsordnungen, Streiks, Exzessen und Aussperrungen[Bearbeiten]

Blättert man durch die Chronik der Stadt Fürth von Paul Käppner ab 1887, dann ist man überrascht, wie viele Auseinandersetzungen es damals zwischen den Fabrikarbeitern und Fabrikbesitzern gegeben hat. Das Sachregister erleichtert die gezielte Suche unter den Stichworten „Strike (Streik)“, „Ausstände“ und „Aussperrung“. Unter „Exzesse“ wird man bei Käppner unter 1901 fündig. Für die innerbetriebliche Ordnung gab es von Seiten der „Fabrikherren“ ein wichtiges Mittel: die Arbeitsordnungen. Sie wurden einseitig von der Firma erlassen und als Plakat in den Werkhallen ausgehängt. Ein Exemplar hat Eingang in die Archivakten gefunden, als es 1901 bei der Möbel- und Spiegelfabrik Wunderlich, Ecke Leyher Straße/Kaiserstraße, um den Bierausschank in der Betriebskantine ging. In einem Paragrafen 7 wurde nach Festlegung der täglichen Arbeitszeit in § 6 (Montag 8 ½ Stunden, Dienstag 9 ½ Stunden, Mittwoch, Donnerstag und Freitag 10 Stunden, Samstag 8 ½ Stunden, Beginn jeweils 7 Uhr) festgelegt, wann vormittags und nachmittags Bier in die Arbeitssäle gebracht werden durfte, nämlich um 9 Uhr und um 15 Uhr. Während der Arbeitszeit durfte kein Arbeiter die Fabrik verlassen, außer in der Mittagspause von 12 bis 13:30 Uhr. Dafür dauerte die Arbeit an drei Tagen der Woche (Mi/Do/Fr) bis 18:30 Uhr, insgesamt betrug 1896 die Wochenarbeitszeit 56,5 Stunden. Da es noch keinen Betriebsrat der Beschäftigten gab, mit dem der Arbeitgeber Innerbetriebliches regelte, sprechen kritische Autoren in der Literatur zum Zeitalter der Industrialisierung von Disziplinierung der Fabrikarbeiter durch Arbeitsordnungen. Die Dauer der Arbeitszeit und die Pausenregelung wurden oft nur nach Arbeitskämpfen (Streiks und Aussperrungen) geändert. So setzte z. B. die Möbel- und Spiegelfirma Ammersdörfer & Haas die 1905 festgelegte Wochenarbeitszeit von 57 Stunden 1913 auf 53 Stunden herab. An den Samstagen und Vorabenden von Feiertagen war nun ab 12:30 Uhr Betriebsschluss.

Exzesse anlässlich der Arbeitseinstellung in der N. Wiederer’schen Spiegelfabrik, 1888[Bearbeiten]

Es begann mit der Niederschrift einer Vorsprache des Glasarbeiters Paul Klemens vom 12. März 1888 beim Stadtmagistrat. Dabei meldete er eine allgemeine Versammlung der Glasarbeiter am nächsten Abend im Gasthaus „Zum Grünen Baum“ an. Auf dieser wollten die von den Fabrikbesitzern Brüder Schwarz ausgeschlossenen drei Arbeiter Klemenz, Seibold und Fischer über Maßnahmen gegen die Lohnreduktion von 20% reden. Ebenfalls eine Erklärung gab der Fabrikmitbesitzer Georg Schwarz am gleichen Tage ab. Er verwies auf das Vorgehen der Winkler’schen Fabrik mit einer Lohnreduktion. Er wolle sich entsprechend verhalten, was in seiner Fabrik bekannt geworden sei. Nach den Versammlungen seiner Arbeiter bereits am 7. und 8. März im „Grünen Baum“ kündigte er den Arbeitern Igel, Schäfer und Fischer, weil diese in seiner Fabrik Unzufriedenheit erregten. Als er bei Vorsprache mehrerer Arbeiter in seinem Comptor die Kündigungen nicht zurücknahm, wurde von diesen eine Arbeitseinstellung angekündigt. Das geschah dann auch durch etwa 110 Personen, nachdem in den Arbeitsräumen Klemenz die Treibriemen an mehreren Maschinen abgeworfen und er damit gedroht hatte, auch die Dampfmaschinen abzustellen. Und der Glasschleifer Schäfer habe geschrien „Alles aufhören, die Arbeit wird eingestellt.“ Fabrikmitbesitzer Konrad Schwarz berichtete zur Niederschrift, vor den Fabrikgebäuden in der Leyher Straße und in den umliegenden Straßen hätten sich größere Trupps von Leuten in der Stärke von 40 bis 50 Personen am Vormittag und vor der Mittagsstunde versammelt. Er fürchtete, dass es zu Ausschreitungen komme. Nicht alleine die streikenden Arbeiter, sondern auch Hunderte anderer Arbeiter seien „in hohem Grad erregt“, weil wider ihr Erwarten der Fortgang der Arbeit in der Fabrik nicht gehindert worden ist. Die Erbitterung steigerte sich, je mehr die Leute trinken. Firmenchef Schwarz befürchtete bei Dunkelheit Angriffe auf die Gebäude. Er könne die entlassenen Arbeiter nicht wieder aufnehmen. Zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung vor der Wiederer’schen Fabrik am Abend des 12. März und am darauffolgenden Morgen (seinerzeit begann die Arbeit um 6 Uhr) wurden von Seiten der Stadt mehrere Gendarmen und ein Wachtmeister eingesetzt. Am Abend waren etwa 600 Menschen in Nähe der Fabrik. Die Arbeiter, welche die Fabrik verließen, wurden von den Gendarmen vor Belästigungen geschützt. Während der Mittagsstunden des folgenden Tages gab es einzelne Ausschreitungen. Gegen 19 Uhr, nachdem sich die Menschenmenge verlaufen hatte, wurden 6 Polizeisoldaten in der Fabrik zurückbehalten. Sie hatten in der Umgebung der Fabrik Patrouille zu machen und die Wirtschaften im Auge zu behalten. Die Nacht verlief aber ruhig. Militärische Hilfe (aus der Nürnberger Kaserne) war nicht notwendig. So aus dem Bericht des Polizeileiters Hoefer vom 13. März 1888. Nun begannen die amtlichen Ermittlungen über die Rädelsführer des Streiks (obengenannter Klemenz und 6 Genossen). Der Streik selbst und die Verhandlungen mit dem Streikkomittee wurden bis 17. März beendet, wie Schwarz mitteilte. Von den etwa 400 Arbeitern beiderlei Geschlechts in der Facettenschleiferei hätten 95 Arbeiter die Arbeit am 12. März eingestellt. 17 Personen hätten bis 17. März die Arbeit wieder aufgenommen. Am 19. März kehrten 47 Mann wieder an ihre Arbeitsplätze zurück. 31 Personen streikten noch am 20. März. In einer weiteren Versammlung an diesem Abend wurde bestimmt, wie sich diese Leute verhalten wollten. Beschlossen wurde von den ca. 40 Teilnehmern, den Streik als beendet zu erklären. Die Anstifter des Streiks (vier laut den Firmeninhabern Schwarz) wurden bei Wiederer nicht mehr aufgenommen. Sechs weitere Arbeiter erhielten bei Schwarz ebenfalls keine Arbeit mehr, weil „sie früher schon widerspenstig waren“. Sie waren abgereist oder hatten „ein anderes Unterkommen gefunden“. Zwei Arbeiter (Brechtelsbauer und Emmert) wurden Ende Juli vom Schöffengericht am kgl. Amtsgericht zu 7 bzw. 2 Tagen Gefängnis verurteilt. Fünf weitere Arbeiter wurden mangels genügenden Schuldbeweises freigesprochen.

1896 Ausstand / Streik der Holz- und Glasarbeiter[Bearbeiten]

Nach Streiks der Holzarbeiter hat der Verband der Holzindustriellen (Arbeitgeber) eine funfviertelstündige Mittagspause bewilligt, weitere Forderungen aber abgelehnt. Es streikten auch die Glasarbeiter in verschiedenen Betrieben und die Steindrucker der lithografischen Anstalt von Josef Hesse. Die Arbeit war im März in 25 Betrieben eingestellt und dabei ca. 1300 bis 1400 Arbeiter beteiligt. Die Fabriken wurden von Streikposten blockiert. Der Ortsverband der Hirsch-Dunker’schen Gewerkvereine sprach sich für Unterstützung der Bestrebungen der Holzarbeiter in Fürth und Erlangen um eine 1 ½-stündige Mittagspause aus. Die Forderungen der Streikkomittees lauteten: • 1 1/2stündige Mittagspause sofort und eine Viertelstunde weiter am 16. März 1897 vertragsgemäß, bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 58 ½ Stunden jetzt und 56 Stunden ab 16. März 1897, wobei sich mit dem Wegfall der Frühstücks- und Vesperpause einverstanden erklärt wird. • Zahlung eines 25prozentigen Lohnzuschlags für Überstunden. • Für Wochen- und Stundenlohnarbeiter eine sofortige derartige Lohnregelung, dass für diese nach Eintritt der verkürzten Arbeitszeit ein Lohnausfall nicht eintritt, d. h. also 5 Prozent Lohnerhöhung für diese Kategorie, während die gleichfalls geforderte 5prozentige Lohnerhöhung für Akkordarbeiter fallen gelassen wird. • Keine Maßregelungen der Streikenden und Einstellung derselben an ihre vorher innegehabten Plätze, wogegen sich die Streikenden verpflichten, die so genannten Streikbrecher nicht zu belästigen. Der Holzindustrieverband ging auf diese Bedingungen der Arbeitnehmer nicht ein, so dass der Streik fortdauerte. Dann folgte das Angebot von einer 1 ¼-stündigen Mittagspause. Wer damit nicht zufrieden war und die Unterschrift am Montagmorgen des 16. März verweigerte, war entlassen und konnte sich seine Papiere holen. Die Erklärungen beider Seiten über die unterschiedlich ausgelegten Begriffe von „Ausstand“ und „Aussperrung“ wurden in den Zeitungen (Central-Anzeiger, Nordbayerische Zeitung, Tagblatt) veröffentlicht. Am 13. April fanden vor den Fabriken Hemmersbach, Lorenz Scheidig, Ammersdörfer & Haas Ansammlungen von mehreren Hundert Ausständiger statt, bei denen es zu „Widersetzlichkeiten“ gegen die Schutzmannschaft kam. Der Stadtmagistrat erließ daraufhin eine Amtliche Bekanntmachung vom 14. April 1896, worin die Ansammlungen der Arbeiter und Neugierigen als nicht zu duldende Ruhestörung und gegen die Sicherheit und Bequemlichkeit des Verkehrs bezeichnet wurden. Die Menschenansammlungen vor den Fabriken und in deren Nähe wurden bei Geldstrafe (bis zu 60 Mark) oder mit Haft (bis zu 14 Tagen) verboten. Nach Gewährung einer fünfviertelstündigen Mittagspause nahmen die Glasarbeiter in den Facettenschleifereien die Arbeit wieder auf. Bei den drei Fabriken der Holzindustrie wiederholten sich am Abend des 15. April die Ansammlungen. Schutzleute und bis zu 35 Gendarmen veranlassten „das Publikum zum Zirkulieren“. Ein eigentlicher Widerstand kam nicht vor. Die herbeigerufene Gendarmerie wurde in Gasthäusern auf Staatskosten untergebracht. In einer Versammlung der Holzarbeiter am 16. April wurde nach längeren Debatten beschlossen, die Arbeiten zu dem Angebot der Arbeitgeber (erweiterte Mittagspause) wieder aufzunehmen. Die Arbeiterkontrollposten bei den Fabriken wurden zurückgezogen. Es gab keine abendlichen Ansammlungen mehr. Die Gendarmeriemannschaft wurde abgezogen. Die Holzarbeiten nahmen die Arbeit nach fünfwöchigem Streik wieder auf. Er war nicht nur ohne den erhofften Erfolg, sondern 200 Arbeiter standen auf der Straße, weil ihre Stellen von den Firmen anderweitig besetzt wurden. Die Arbeitgeber hatten sich durchgesetzt!

1901 Glasarbeiterausstand und spätere Streiks[Bearbeiten]

Die Käppner’sche Chronik vermerkt ab dem 15. April: „Wegen Entlassung des Glasarbeiters Dirscherl legten gestern 13 Glasschleifer in der Neger’schen Glasschleife die Arbeit nieder.“ Am 18. April fanden dann „grobe Exzesse gegen den Abend von der Arbeit Heinkehrenden, so genannte Streikbrecher, statt“. Dieselben mussten sich, da sie beschimpft und tätlich angegriffen wurde, in das Polizeiwachlokal der Ludwigsbahn flüchten. Sie wurden teil mit der Polizei heimgeleitet, teils fuhren sie mit der Ludwigsbahn bis Fürth-Ost, um von da ihre Wohnungen zu erreichen.“ Am 19. April fanden „keine „Excesse statt, da der Bürgermeister (von Langhans) in der Magistratssitzung ernstlich warnte und die Arbeiter in der Neger’schen Fabrik schon um 5 ½ Uhr Feierabend machten.“ Am 23. April dann eine Auseinandersetzung zwischen Magistratsrat Zick und dem Bürgermeister. Ersterer hatte sich über die weitgehenden Schutzmaßnahmen für die Arbeitswilligen beklagt. Der Bürgermeister dagegen verteidigte den persönlichen Schutz des Staates, der denjenigen gewährt wird, die nicht Unrechtes tun. Der Staat würde sonst bankrott. Die fünf Glasschleifer, die beim Streik in der Glasschleiferei Neger gegen Streikbrecher „turbulente Szenen“ veranlassten, vom Landgericht am 5. November wegen Landfriedensbruch verurteilt und zu Gefängnisstrafen von 3 ½ Monaten (3 Arbeiter) und 3 Monaten (2 Arbeiter) verurteilt. Am 24. Juli wurde ein weiterer Streik vermerkt: „Ein Ausstand der Glasarbeiter bei Winkler und Kütt wurde beendet, nachdem dieselben die Arbeit wieder aufnahmen. Es sollen nun Tarife ausgearbeitet werden.“ Am 16. August: „Der Streik bei Winkler und Kütt wurde gütlich beigelegt.“ Sonstige Streiks 1904: Versammlung der Arbeiter in der Papierindustrie am 3. Februar. In ihr wurde der Streik von 81 Arbeiter und Arbeiterinnen in der Fabrik von Spear und Co. für berechtigt erklärt. Der Streik wurde nach Übereinkommen am 9. Februar beendet.

1905: Metallarbeiterausstände 16. Juni – Das Arbeitspersonal der Metallpapierfabrik Wickel ist in den Streik getreten.21. Juni - Aussperrung der ca. 130 Arbeiter in der Engelhardt’schen Maschinenfabrik, nachdem eine Einigung durch Verhandlungen (bayernweite „Unterhandlungen“ zwischen Arbeitgebern und -nehmern) nicht erzielt worden ist.

1906 Glasarbeiterausstand Die Archivakte trägt den Untertitel „Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit“. Der Arbeiterausstand der Glasarbeiter und der damit zusammenhängenden Fabrikationszweige veranlasste den Inhaber der Firma Max Offenbacher zu einem Schreiben an die Kgl. Staatsanwaltschaft. Er bringt vor, er verspreche sich einigen Erfolg durch eine möglichst rasche Aburteilung im Hinblick auf die fast unerträgliche Belästigung der Arbeitswilligen in der Fabrik durch die Streikenden. Das Geschehene ab 7. Mai 1906 wird vom Stadtmagistrat an die Regierung von Mittelfranken in Ansbach am 13.6.1906 berichtet. Betroffen waren 12 Spiegelglasfabriken, darunter Wiederer & Co. mit ca. 700, Max Offenbacher mit ca. 300, Winkler & Kütt mit ca. 200 Streikenden, insgesamt streikten 1400 bis 1500 Arbeiter und Arbeiterinnen. Vor den größeren Fabriken, in denen die Arbeit nicht völlig ruhte, nahmen die Streikenden zu den Zeiten des Arbeitsbeginns und Arbeitsschlusses Aufstellung. Sie wurden von Schutzleuten überwacht. Das betraf insbesondere die Wiederer’sche Fabrik der Gebrüder Schwarz, in deren Nähe die Wohnungen zahlreicher Ausständiger lagen. Eine größere Anzahl Streikender versammelte sich vor der Fabrik, als die Inhaber dieser Fabrik begannen, auswärtige Arbeitswillige anzuwerben und einzustellen. 8, 10 und später noch mehr Schutzleute unter Leitung eines Wachtmeisters nahmen dort Aufstellung. Sie begleiteten die neuen Arbeiter auf dem Weg von der Fabrik zur Ludwigsbahn und zur Staatsbahn. Sogar in der Schwarz’schen Villa durften etwa 10 Arbeitswillige nächtigen. Als einige davon im Haus Flößaustraße 58 untergebracht werden sollten (in der Wohnung eines Werkmeisters der Firma Wiederer) wurden in der Nacht an der Vorder- und Hinterfront Fensterscheiben eingeworfen. Die arbeitswilligen Arbeiter mussten unter Polizeischutz in die Fabrik und zurückgebracht werden. Vor dem Fabriktor kam es zum Gedränge, wobei zwei Leute auch tätlich mit Faustschlägen bedroht wurden. Auch bei der Wiederer’schen Fabrik wurden in der Nacht vom 4. zum 5.6.1906 und auch einige Tage später Fensterscheiben eingeschlagen. Die Offenbacher’sche Fabrik in der Kanalstraße (so hieß damals die heutige Kurgartenstraße) war ebenfalls Schauplatz von Ansammlungen. Gegen die Arbeitswilligen wurde protestiert. Auch diese Fabrik wurde durch Polizeiposten bewacht. In einigen Fällen von Misshandlungen Arbeitswilliger konnten die Täter ermittelt und angezeigt werden. Arbeitswillige wurden beleidigt. Widerstand gegen die Polizei gab es jedoch nicht. Die Abschlussverfügung der Akte vermerkt kurz, dass der Streik am 16.7.1906 beigelegt worden ist. Aus der Käppner-Chronik ist zu ersehen: Die Glasarbeiter hielten schon am 2. Mai eine Versammlung ab, um über ihre Forderungen an die Arbeitgeber zu beraten. Deren Antwort wurde in einer weiteren Versammlung als nicht genügend erachtet, so dass am 7. Mai ca. 1600-1700 Arbeiter in den Ausstand traten. Unterm 18. Mai heißt es: Der Ausstand in den Glasfabriken und Facettenschleifereien zieht weitere Kreise. In mehreren Rahmenfabriken mussten wegen ungenügender Beschäftigung eine Anzahl Holzarbeiter entlassen werden, wie auch weitere Entlassungen in Aussicht stehen. Derzeit bestehe keine Aussicht auf baldige Beendigung des Ausstandes. Vier Wochen Gefängnis erhielt ein streikender Glasarbeiter, der bei der Wiederer’schen Fabrik eine Fensterscheibe einschlug. Am 23. Juni wird vermerkt, der Ausstand in den Glasschleifereien halte nun schon über 7 Wochen an und es bestehe noch keine Aussicht auf Beilegung. Jedoch am 28. Juni kommt Bewegung in die Verhandlungen. Es gibt nun eine 12-gliedrige Kommission der Arbeitgeber und gewählter Vertreter der streikenden Arbeiter. Die Fabrikbesitzer gestehen zu, ab 1. Januar 1907 die Arbeitszeit um 1 Stunde zu vermindern und stellen auch eine Lohnerhöhung in Aussicht. Dagegen hätten die Arbeiter den Bruch von Gläsern nach wie vor auf ihre Kosten zu übernehmen. Am 10. Juli 1906 wird in einer größeren Versammlung der streikenden Glasarbeiter beschlossen, den Ausstand fortzusetzen. Die Zugeständnisse der Arbeitgeber seien ungenügend. Verlangt wird eine schriftliche Zusage, die Löhne werkstättenweise für alle Sparten aufzubessern. Die Arbeitgeber reagieren so: Sie treffen mit auswärtigen Schleifereien Vereinbarungen, um facettierte Gläser nach Fürth zu bringen. Solche außerbayerischen Fabrikate treffen ein. Und sie drohen, dass es dann hier umfangreiche Entlassungen bei den bayerischen Schleif- und Polierwerken, Rahmenfabrikanten usw. geben werde, wenn sie ihre Betriebe einschränken. Nun kommt es am 14. Juli 1906, vormittags, zu einem „Generalappell“ der Ausständigen in den Glasschleifereien. Die fast 1100 Versammelten beschließen die Beendigung des seit 6. Mai dauernden Streiks (570 dafür, 517 dagegen). Am kommenden Montag, also nach fast 10 Wochen Dauer soll die Arbeit wieder aufgenommen werden. Erreicht wird eine Stunde Minderung der Arbeitszeit – verlangt waren drei Stunden – und die Zusage, dass werkstättenweise gegebenenfalls eine entsprechende Lohnerhöhung erfolgen soll. Am 16. Juli wird die Arbeit in den Facettenglasschleifereien nur zum Teil aufgenommen, da noch Differenzen in verschiedenen Fabriken zu beseitigen sind. Eine Anzahl Ausständiger verlangte die Entlassung der Streikbrecher. So hält es der Chronist fest. Und er berichtet von gerichtlichen Nachspielen für verschiedene Personen, die sich polizeilichen Anordnungen nicht gefügt haben. Sie wurden mit 6- bis 10-tägigen Freiheitsstrafen belegt.

1922 – Glasarbeiterstreik[Bearbeiten]

Über Streiks der Glasarbeiter wurde 1922 berichtet. Dazu fanden Demonstrationszüge ausgesperrter Arbeiter am 16. März und am 4. Juli 1922 statt. Am 13. März gab es eine Versammlung der Betriebsräte der Glasarbeiter im „Sedangarten“. Dort wurde zu einer Demonstration am 16. März aufgerufen, um dem Streik mehr Nachdruck zu verleihen. Der Zug der ausgesperrten Glasarbeiter durch die Lange Straße wurde von der Landespolizei angehalten und aufgelöst. Nach einer Versammlung in der „Leyher Waldspitze“ hatte sich der Zug von etwa 500 Teilnehmern zur Nürnberger Straße und Lange Straße in Bewegung gesetzt und war auf etwa 2000 angewachsen. Als durch einen Steinwurf das Fenster einer stillgelegten Fabrik zertrümmert wurde, löste die Polizei „vor weiteren Ausschreitungen“ den Zug auf. Bemerkt wurde im Bericht des Staatspolizeiamtes Nürnberg-Fürth, dass die Stimmung in weiten Kreisen der Bevölkerung durch die außerordentliche Preissteigerung aller lebensnotwendigen Dinge sehr erregt sei. Deshalb hätte die Polizei eine Demonstration nicht zugelassen.

Quellen und Literatur[Bearbeiten]

Stadtarchiv Fürth, Akten AR 14 Nr. 36 (Wiederer, 1888), AR 19/ 155 (Wirtschaften, Leyher Str. 11); 10/709 (Arbeitsordnung); AR 14/212 (Glasarbeiterausstand 1906); AR 14/215 (Glasarbeiterstreik 1922). Flohr, Bernd: Disziplinierung der Fabrikarbeiter während der Industrialisierung Deutschlands im Spiegel von Arbeitsordnungen, Frankfurt/Main, New York 1981, S. 98-101. Weinland, Katrin: Die Industrialisierung in Bayern im Spiegel von Fabrikordnungen aus Nürnberg und Fürth – Ein Mittel der Sozialdisziplinierung? – Zulassungsarbeit Uni Erlangen-Nürnberg 2006 (Stadtarchiv Nürnberg Av 7700.4). Paul Käppner, Chronik der Stadt Fürth ab 1887 (Stadtarchiv).