Mütter gegen Atomkraft

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Mütter gegen Atomkraft war ein in München gegründeter Verein, der in Fürth durch eine eigene lokale Arbeitsgruppe vertreten wurde. Mitbegründerin der Initiative in Fürth war Gisela Hirth. Auf Veranlassung ihrer Mutter Helga Göllner schloss sich diese Initiative 1988 als regionale Arbeitsgruppe dem Verein Mütter gegen Atomkraft e.V. an.

Geschichte

Nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl im Jahr 1986 gründete sich zunächst die bundesweite Bürgerinitiative „Strom ohne Atom“. Gründe hierfür waren unter anderem das fehlende Wissen über die Thematik, widersprüchliche Angaben, Anweisungen und Informationen auf allen Ebenen und damit verbunden ein entstehendes Misstrauen in politische und wirtschaftliche Zusammenhänge. Die Initiative „Strom gegen Atom“ nahm deshalb Kontakt zu verschiedensten Experten und Expertinnen, unterschiedlichsten Akteuren und Akteurinnen wie Organisationen auf und verfasste eine Broschüre zum Thema Atomenergie mit dem Ziel, möglichst viele Bürger und Bürgerinnen der Bundesrepublik damit zu erreichen.[1] Gisela Hirth lernte diese Initiative an einem Stand auf einer Umweltmesse in Würzburg kennen und war Gründerin der Initiative Fürth sowie regionale Multiplikatorin für deren Informationskampagne. Auf Bestreben ihrer Mutter, Helga Göllner, schloss sich die Fürther Sektion dieser Initiative dem am 05.03.1988 in München gegründeten Verein Mütter gegen Atomkraft noch im gleichen Jahr an.

Themen und Ziele

Die Mütter gegen Atomkraft wollten die Unwissenheit über die Nutzung von Radioaktivität und Atomkraft in Wissen verwandeln, Folgen von Atomkraftunfällen verstehen und Möglichkeiten finden, um zu handeln. Sie wollten die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Dimension des Themas ausloten und verstehen sowie sich selbst ermächtigen, um handeln zu können und Bewusstsein wie Wissen bei anderen schaffen.[2]

Laut Satzung des Dachvereins war der Zweck des Vereins „die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege und des Umweltschutzes“, realisiert durch: „a) den Ausdruck der Besorgnis über die mit der Kernenergie verbundenen Gefahren (…) b) die Aufklärung weiter Bevölkerungsschichten über diese Gefahren c) das Eintreten für den Ausstieg aus der Kernenergie unter Ausschöpfung aller legalen Mittel.“[3] Die regionale Arbeitsgruppe Fürth schrieb ergänzend dazu, sie wolle „möglichst viele Menschen auf die Gefahren der Atomkraft aufmerksam machen und zu einem sorgfältigen Umgang mit Konsumgütern und Energie auffordern, das Bewußtsein (sic!) dafür wecken, daß (sic!) wir ein Teil der Natur sind und nur in Harmonie mit ihr leben können. Mithelfen, daß (sic!) die Schönheit der Schöpfung auch für kommende Generationen erlebbar bleibt.“[4]

Aktionen und Erfolge

Über die Bund-Naturschutz-Kreisgruppe Fürth Stadt wurde mittels vieler Spenden für 3000 D-Mark ein Szintillationszähler (Geigerzähler) angeschafft, mit dem Lebensmittel auf radioaktive Strahlung untersucht wurden.[5]

Aufgrund von Lieferschwierigkeiten konnten damit zumindest ab Anfang 1988 vor allem Haselnüsse, Pilze, Wildfleisch, aber auch Kosmetika, wie z.B. Kinderbadezusatz untersucht werden. [6][7]

Ab dem ersten Jahrestag 1987 etablierte sich der Tschernobyltag als fester Termin, an dem die Mütter gegen Atomkraft der Opfer der Reaktorkatastrophe gedachten, sowie politische Forderungen erhoben. In Fürth organisierte die lokale Initiative Infostände, Straßentheater und eine Ansprache einer jungen Mutter. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, knüpfte sie ein Netzwerk mit anderen Frauengruppen aus Parteien, Initiativen, Vereinen und Gewerkschaften vor Ort.[8]

Die VHS Fürth bot 1989 auf Anregung des Bundes Naturschutz, dem Ökologischen Ärztebund und der regionalen Arbeitsgruppe der Mütter gegen Atomkraft eine Veranstaltungsreihe zum Thema Mensch und Kernenergie an. Die Fürther Arbeitsgruppe des Vereins beteiligte sich an den Vorbereitungen zur bundesweiten Anti-WAA-Demonstration in München und mobilisierte zur Teilnahme mit Plakaten und einer Unterschriftensammlung gegen die WAA an einem Info-Stand. Die Unterschriften wurden an den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Prof. Dr. Klaus Töpfer, gesandt.

Der Widerstand gegen die WAA wurde über drei Jahre zum ständigen Kampf der Mütter und ihrer Familien. Wer Zeit und Energie aufbringen konnte, beteiligte sich an den Demonstrationen, Andachten und Sonntagsspaziergängen am Bauzaun. Eine besondere Herausforderung war es, mitzuhelfen, 23 Tage lang die Halle in Neunburg vorm Wald zu füllen, wo die Einwendungen gegen die WAA erörtert wurden. Im Widerstand gegen die WAA fanden alte und neue Anti-Atom-Bewegung zusammen, getragen von den großen Umweltorganisationen mit ihrer ökologischen und juristischen Expertise.

Die FN schrieb am 6. Juli 1988: „Tausende von WAA-Gegnern zum Erörterungstermin in Neunburg erwartet – Manifest des Widerstands – Anhörung zur zweiten Teilerrichtungsgenehmigung - Fahrt zum Bauzaun vorgesehen“[9]

Auf zahlreichen Veranstaltungen und an Infoständen waren zwei Visualisierungen von Barbara Petzold immer dabei: die Zeichnung einer nackten Frau in Lebensgröße, an welcher die Wirkung der verschiedenen Nuklide in den Organen und im Knochenbau sichtbar wurde, sowie ein Sparschwein mit den aktuellen Stromspartipps.[10]

Kooperationen

Nach dem Reaktorunfall von Fukushima im Jahr 2011 schlossen sich viele Initiativen und Vereine, die im ökologischen und/oder im sozialen Bereich arbeiten, zum Fürther Bündnis „Atomausstieg JETZT“ (FBAJ) zusammen. Teil dieses Bündnisses waren auch die Mütter gegen Atomkraft.[11]

Lokalberichterstattung

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Strom ohne Atom. Leben ohne Angst. Sonderausgabe von Publik-Forum Aktuell, Frankfurt 1986.
  2. Interview mit Gisela Hirth am 07.08.2025 im FürthWiki-Laden, Aufzeichnung: Uta Wendrich.
  3. Satzung Mütter gegen Atomkraft, §2.
  4. Flugblatt Mütter gegen Atomkraft e.V. der regionalen Arbeitsgruppe Fürth.
  5. Martina Hildebrand: Am Tag, als das Vertrauen verloren ging. Fürther Bürger und der 26. April 1986: Das Reaktorunglück von Tschernobyl hat auch vor Ort viele Menschen verändert, in Fürther Nachrichten, Printausgabe 29. April 2006, Seite 3.
  6. Helga Krause: Luftverschmutzung und Kinder. Ein Erfahrungsbericht. In: Aktiv für Mensch und Stadt-Natur. 70 Jahre Bund Naturschutz Kreisgruppe Fürth Stadt. Hrsg. vom BN Kreisgruppe Fürth Stadt, 2019, S. 37.
  7. Der Strahlung auf der Spur. Mobiles Gerät erlaubt Untersuchungen an jedem Ort – Tschernobyl nicht vergessen, Nürnberger Nachrichten, Printausgabe, 13. April 1988.
  8. Mehrere Frauengruppen veranstalteten den mahnenden Tschernobyltag "Du satter Michel, wach auf!" Straßentheater und Information - Sofortiger Ausstieg aus der Atomwirtschaft gefordert - Eine Mutter faßte die Erfahrungen des Jahres danach zusammen, in: Fürther Nachrichten, Printausgabe, 30. April 1987.
  9. Tausende von WAA-Gegnern zum Erörterungstermin in Neunburg erwartet. Manifest des Widerstands. Anhörung zur zweiten Teilerrichtungsgenehmigung - Fahrt zum Bauzaun vorgesehen, in: Fürther Nachrichten, Printausgabe, 6. Juli 1988, S.20.
  10. Interview mit Gisela Hirth am 07.08.2025, Zeichnung nackte Frau in Anlehnung an ein Flugblatt von Giroblau.
  11. Regionalgruppen Mütter gegen Atomkraft (archivierte Version)

Bilder