Räterepublik Fürth
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Die Räterepublik Fürth wurde in den Wirren nach der Revolution am Ende des Ersten Weltkrieges gebildet. Sie bestand in Fürth vom 6. April bis 11. April 1919.
Geschichte der Räterepublik in Fürth
Novemberrevolution 1918
Im Zuge der Wirren nach dem Ersten Weltkrieg hatte am 7. November 1918 Kurt Eisner in München die bayerische Republik ausgerufen und einen Arbeiter- und Soldatenrat (ASR) gegründet. Weitere Gründungen solcher Räte folgten im ganzen Land. In Fürth erfolgte am 8. November 1918 der Ausruf der Revolution, gefolgt von der Gründung des Arbeiter- und Soldatenrates am 9. November. Die KPD-Ortsgruppe Nürnberg-Fürth hatte in Fürth gleichzeitig die Macht übernommen, nachdem am Vormittag ca. 50.000 - 60.000 Menschen auf dem Schießanger demonstriert hatten. Oberbürgermeister Dr. Wild und der Magistrat erklärten, dass sie die Übernahme der öffentlichen Gewalt durch den ASR anerkennen und sicherten ihre vertrauensvolle Zusammenarbeit zu. So wurde die Stadtveraltung wie bisher weitergeführt, lediglich zwei Vertreter des Arbeiterrates, Magistratsrat Scherzer und Gemeindebevollmächtigter Dirscherl sollten die Geschäfte überwachen. Der ASR Fürth setzte sich aus je sechs Vertretern der Arbeiterschaft und Soldaten der Garnison zusammen. Führende Figuren waren die beiden Arbeiterratsvorsitzenden Julius Haller von der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) und Friedrich Kuntermann von der MSPD (Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands - der heutigen SPD) - sowie Oberleutnant Mayer als Garnisonskommandant und Vorsitzender des Soldatenrates. Der Soldatenrat tagte im Parkhotel im 1. Stock, der Arbeiterrat ebenfalls im Parkhotel, im 2. Stock.[1] Die Räte ergriffen etliche Sofortmaßnahmen. Neben Waffen wurden Lebensmittel der Fabrik Bauernfreund beschlagnahmt und an die Bevölkerung verteilt, in den Betrieben wurde eine 45-Stunden-Woche etabliert, Notwohnungen wurden eingerichtet, ein Ausschuss für Wohnungswesen gegründet und der Ausschank von Wein und Branntwein in Gaststätten von Samstag bis Montag verboten. Ende November wurde auch eine Volkswehr gegründet, um nach dem Beispiel des Schweizer Milizsystems die Basis für ein zukünftiges Heer zu legen. Bei den Wahlen zum Bayerischen Landtag und zum Stadtrat vom 12. Januar 1919 kamen die eher links zu verortenden Parteien USPD und MSPD in Fürth auf eine deutliche Mehrheit.
Die Zeit der Räterepublik
Nach der Ermordung Eisners am 21. Februar 1919 wurde ein Landeskongress der Arbeiter- und Soldatenräte ganz Bayerns einberufen. Hier kam es zu der Machtfrage zwischen dem bayerischen Parlament und den Räten. Als die Münchener Soldatenräte sich im April weigerten, den Schutz des Landtags zu gewährleisten, setzte eine Versammlung der Räte am 6. April die Landesregierung ab und rief in München die Räterepublik aus. Zahlreiche Städte schlossen sich dem an, darunter auch Fürth. Die USPD berief kurzfristig an diesem Sonntag eine Versammlung des ASR ein. Zu dieser stießen auch die Nürnberger KPD-Vertreter und erhielten von den USPD-Mitgliedern zudem ein Stimmrecht. In einem Aufruf hatte die KPD ihre Forderungen zum Beitritt der Stadt Fürth zur Räterepublik formuliert. Da etliche MSPD-Mitglieder wegen der Kurzfristigkeit nicht rechtzeitig zur Versammlung erscheinen konnten, waren diese in der Minderheit. Mit großer Mehrheit beschloss der neugewählte Arbeiter- und Soldatenrat noch am 6. April 1919, auch weil der Fürther Garnisonskommandant Mayer versicherte, dass die Garnison hinter der Räterepublik stehe, die Zustimmung zur Räterepublik. Vermutlich geschah dies im Parkhotel.[2]
Der Arbeiter- und Soldatenrat Fürth gab in einem Telegramm vom 6. April bekannt: „Die Vollsitzung des ASR Fürth sowie die gesamte Garnison Fürth steht auf dem Boden der Räteregierung und ersucht den Zentralrat Bayerns die Räterepublik nunmehr zu proklamieren. Die Bildung einer roten Armee solle aus revolutionär sozialistischen Arbeitern sofort vorgenommen werden.“
Die Demonstrationen am 7. April 1919 mit Tausenden von Teilnehmern ging zum Rathausturm, an dem in der Folge die Rote Fahne gehisst wurde. Noch am gleichen Tag traten Oberbürgermeister Dr. Robert Wild und der Gemeinderat zurück und wurden durch zwei Stadtkommissare des Arbeiter- und Soldatenrates, den Gemeindebevollmächtigten Peter Koch und Polizei-Obersekretär Friedrich Kern, ersetzt. Von allen politischen Parteien unterstützte jedoch die Räterepublik nur die USPD.
Selbst die KPD entzog ihre Zustimmung, da ihr diese nicht radikal genug in der Durchsetzung ihrer Ziele erschien. Eine am 9. April 1919 einberufene Versammlung im Geismannsaal zum Thema: "Streik der bürgerlichen und mehrheitssozialistischen Gemeindebevollmächtigten gegen die schaffende Bevölkerung" verlief tumultartig. Zwar wurde letztendlich erneut in großer Mehrheit der Anwesenden die Gründung der Räterepublik bestätigt - jedoch wurden die damit verbunden Probleme ebenfalls sichtbar: Zum einen die Isolation Fürths, da Nürnberg sich der Sache nicht anschloss, zum anderen die Versorgungsschwierigkeiten mit Lebensmitteln und der zum Teil chaotischen Situation in Fürth durch Hamsterkäufe der Bevölkerung und letztendlich der Widerstand der Bevölkerung und der meisten politischen Parteien - allen voran die der MSPD.
Auflösung
In den folgenden Tagen spitzte sich die Situation zu, bis am 11. April 1919 der Arbeiter- und Soldatenrat die Räterepublik in Fürth für beendet erklärte, da eine Lösung der bestehenden Probleme in Fürth nicht mit Gewalt und Blutvergießen erreicht werden sollte. Auch die Flieger am Flughafen, die sich in den Tagen davor noch zur Räterepublik bekannt hatten, waren umgeschwenkt.[3] Somit war das Ende der Räterepublik in Fürth bereits nach vier Tagen gekommen. Im Gasthof Grüner Baum stimmte der Arbeiterrat am 11. April mit 91 : 72 Stimmen gegen die Räterepublik; der Soldatenrat hatte bereits in einer zuvor stattgefundenen Garnisonsversammlung mit 799 : 245 Stimmen gegen die Räterepublik abgestimmt. Am 15. Juni 1919 fand die Wahl zum neuen Stadtrat statt, bei der die MSPD und USPD die Mehrheit erhielten und Dr. Robert Wild erneut zum Oberbürgermeister gewählt wurde. In den Kasernen wurden die alten, konservativen Offiziere und Strukturen wieder eingesetzt. Bei den Fliegern kam es zu Massenentlassungen, um sich von unbeliebten Personen zu befreien.[4] Erneut wurden Teile der Bevölkerung mobilisiert, um eine klassenübergreifende Struktur zu fördern. So wurde Ende Mai eine Einwohnerwehr gegründet. Die Vorherrschaft der Arbeiterparteien, die bei den Stadtratswahlen noch einmal bestätigt worden war, ging spätestens 1922 verloren, als Sozialdemokraten und Kommunisten für die Eingemeindung Fürths nach Nürnberg eintraten.[5]
Sonstiges
In der kurzen Zeit der Kurt Eisners Bayrischen Republik vom 8. November 1918 bis zu seinem gewaltsamen Tod am 21. Februar 1919 wurden in Bayern die noch vorhandenen Briefmarken des gestürzten Königs Ludwig III. mit dem Aufdruck "Volksstaat Bayern" versehen.[6][7] Dies wurde auch in Fürth während dieser Zeit praktiziert. Nach der Ermordung Eisners, und der Niederschlagung der Räterepublik, verschwand der Aufdruck auf den Briefmarken wieder.
Literatur
- Die Lage in Fürth - Fürth unter dem Arbeiter- und Soldatenrat, in: Fürther Zeitung, Samstag, 9. November 1918
- Wolfgang Lippert (Oberlt. d. R. a. D.): Geschichte der Räte-Republik Fürth i. Bay. 1919 - neben eingehender Schilderung der Entstehung, Auswirkung und Beseitigung der Räterepublik Fürth ..., hrsg. von Wolfgang Lippert, Fürth i. Bay., 1922 - 48 S.
- Konrad Grünbaum: Das „rote“ Fürth von 1918 - 1922 . In: Fürther Heimatblätter, 1977/6, S. 153 - 159
- Claus Dittmeyer: Der Arbeiter- und Soldatenrat in Fürth, Voraussetzungen und Verlauf der 1. und 2. Phase der Revolution von 1919/19, Zulassungsarbeit 1979
- Die Revolution 1918/1919 in Fürth. DGB-Geschichtswerkstatt Fürth, 1989, 51 S.
- Valentin Dreyer: Die Revolution von 1918/19 in Fürth und die Rolle der Arbeiter- und Soldatenräte. In: Fürther Geschichtsblätter 1/2025, S. 3 - 27
Lokalberichterstattung
- Volker Dittmar: Fürths revolutionäre Episode. In: Fürther Nachrichten vom 21. März 2018, S. 31
Siehe auch
Weblinks
- Münchner Räterepublik (Wikipedia)
- „Nirgends ein Gewaltakt“ – Räterepublik Fürth, Seite im Projekt des Vereins zur Förderung alternativer Medien e. V. Erlangen (abgerufen am 21.03.2018 16:13) - Revolution in Bayern
- Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) (Wikipedia)
Einzelnachweise
- ↑ Valentin Dreyer: Die Revolution von 1918/19 in Fürth und die Rolle der Arbeiter- und Soldatenräte. In: Fürther Geschichtsblätter 1/2025, S. 10
- ↑ Schreiben OB Dr. Robert Wild an die Regierung Mittelfrankens vom 20. März 1919, Stadtarchiv Fürth
- ↑ Rieß-Chronik 1918, Aufzeichnungen aus der Stadt Fürth, S. 64
- ↑ Wolfgang Lippert: Geschichte der Räte-Republik Fürth i. Bay. 1919, S. 43
- ↑ Valentin Dreyer: Die Revolution von 1918/19 in Fürth und die Rolle der Arbeiter- und Soldatenräte. In: Fürther Geschichtsblätter 1/2025, S. 21-22
- ↑ Historisches Lexikon Bayerns: Volksstaat Bayern, online abgerufen am 18. Januar 2020, 17:24 Uhr - online
- ↑ Artikel Kurt Eisner aus der freien Enzyklopädie Wikipedia. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
Bilder
Telegramm des revolutionären Zentralrates Bayerns (i.A.: Ernst Niekisch) an das Bezirksamt Fürth. Handschriftlicher Vermerk von OB Dr. Robert Wild unten rechts: "Die vorstehenden Anordnungen sind durchzuführen. [unleserlich]. Fürth 7.4.19. Dr. Wild"
Parkhotel als ständiger Sitz der Arbeiter- und Soldatenrates Fürth in der Räterepublik 1918/1919
Rätezeit April 1919 in Fürth (v. oben links)/AR=Arbeiterrat, SR=Soldatenrat: Garn. Kommandant Mayer (SR), Erbs, Albert, Uhrmacher Julius Haller (AR), Mechaniker Karl Vogt , Glasarbeiter Wenzel Dirscherl (AR), Möbelschreiner Friedrich Kuntermann (Vorsitzender, AR), Lange und August Unrein (Schriftführer, AR).