Geschichte der jüdischen Gemeinde Fürth

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Geschichte[Bearbeiten]

Das erste Mal wurden im Jahr 1440 jüdische Einwohner in Fürth erwähnt. Ab 1528 unter Markgraf Georg dem Frommen siedelte sich – zunächst auf 6 Jahre unter hohen Schutzgeldzahlungen an den Markgrafen – ein reicher Jude „Perman Juden“ mit seiner Familie in Fürth an.[1] Nach der Ansiedlung der ersten Juden 1528 in Fürth protestierte die Reichsstadt Nürnberg massiv gegen eine Ansiedlung der jüdischen Anwohner, allerdings ohne Erfolg.

In der Folgezeit durften sich weitere reiche Juden ansiedeln; zuerst nur im Bereich des Markgrafen, später ab 1556 im Bereich der Dompropstei Bamberg, jeweils unter hohen Schutzgeldzahlungen an die betreffenden Herren. So entwickelte sich ab 1528 eine der bedeutendsten jüdischen Gemeinden im süddeutschen Raum.

Da nur wohlhabende Juden in Fürth wohnen konnten, wurden die Juden in Fürth von ihren jüdischen Glaubensgenossen „Fürther Judenadel“ genannt. Durch den Umstand, dass die wohlhabenden Juden für ihre weniger wohlhabenden Glaubensgenossen das Schutzgeld an die Herrschaft zahlten, konnten sich allerdings auch weitere, bedürftige jüdische Mitbürger in Fürth ansiedeln. 1582 betrug die Zahl der Juden in Fürth ungefähr 200.[2] 1601 zählte Fürth bereits 22 jüdische Familien (mit entsprechendem Anhang). Im gleichen Jahr soll der erste Privatgottesdienst stattgefunden haben und 1607 errichteten die bambergischen und ansbachischen Juden einen gemeinschaftlichen Friedhof.[3] Ein Jahr vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges wurde die erste Synagoge fertiggestellt.[4]

Ehem. Schulhof mit Synagoge

Das Zentrum der Jüdischen Gemeinde Fürth entwickelte sich von Anfang an im Bereich des Gänsberg-Viertels mit dem Schulhof, eigenen Rabbinern (als erster Rabbiner ist Rabbiner Aron Schmuel Kremnitz, vor 1607, belegt) und mit eigenen Synagogen, einer Talmudhochschule, Druckerei, eigenem Krankenhaus, Friedhof, einer Schächterei und eigener Verwaltung mit niederer und religiöser Gerichtsbarkeit.

Ein reines Judenviertel oder Ghetto entstand in Fürth nie. Christliche wie jüdische Glaubensanhänger wohnten stets nachbarschaftlich zusammen in der Altstadt Fürth.

Im Jahre 1716 sind zwischen 350 - 400 steuerbare jüdische Familenväter aufgeführt. Aus diesem Verzeichnis ist ersichtlich, dass aus allen Gegenden Deutschlands Juden nach Fürth gezogen waren, so aus Frankfurt, Mainz, Hamburg, Wien, Prag und Naumburg.[5] Insgesamt waren zu dieser Zeit bereits über 1 500 jüdische Einwohner zu zählen.

Im Jahr 1719 vereinbarten der Dompropst von Bamberg und die Jüdische Gemeinde Fürth das „Reglement für gemeine Judenschafft“ (gemein = allgemein), darin wurden die Rechte und Pflichten der hier lebenden Juden schriftlich genau fixiert. Der Dompropst verfasste das 39 Bestimmungen umfassende Regelwerk gemeinsam mit zwei Vertretern der Gemeinde Fürth. Es hatte für die Jüdische Gemeinde Fürth Bestand, bis 1820 das „Bayerische Judenedikts“ von 1813 in Fürth durchgesetzt wurde. Das Reglement schrieb alte Rechte der Fürther Juden fest. Die wichtigsten Rechte waren:

  • Alle religiösen Freiheiten wurden bestätigt: Freier Synagogenbau, freie Wahl des Rabbiners und anderer Gemeindebediensteter.
  • Als Kaufleute wurden die Kaufleute jüdischen Glaubens den christlichen Kaufleuten gleichgestellt.
  • Die Gemeinde durfte die Neuaufnahme von Gemeindemitgliedern selbst regeln (Vermögensnachweis über 5.000 Reichstaler und ein Leumundszeugnis). Die Gemeinde führte die Schutzgelder an den Herrn ab.
  • Die Jüdische Gemeinde durfte zwei stimmberechtigte Vertreter in die Gemeindeversammlung schicken.

Die Privilegien wurden der Jüdischen Gemeinde Fürth am 2. März 1719 vom Dompropst Otto Philipp von Guttenberg gewährt. Selbstverständlich war dafür Schutzgeld zu zahlen. Doch war dieses Regelwerk zur damaligen Zeit einmalig.

Innenansicht der Hauptsynagoge 1705

Die Fürther Gemeinde hatte sogar ihren eigenen "Fürther Ritus" ("Minhagim", erstmals gedruckt 1762) in der öffentlichen Ausübung ihres Glaubens, im Feiern der Gottesdienste in den Synagogen; auch eigene Vorschriften für häusliche Feste (Hochzeiten, Beschneidung) und für die Bekleidung. Sie sollten den übermäßigen Luxus eindämmen und machten den hohen Lebensstandard der Fürther Juden deutlich ("Tekunos-Büchlein" von 1728 / „Fürther Bescheidenheit“). Die Entwicklung zu einer großen und bedeutenden jüdischen Gemeinde in Fürth ist auf die Dreiherrschaft in Fürth zurückzuführen, wo vieles loyal geregelt wurde.

Wie sich die Juden selbst fühlten, dazu gibt es ein satirisches Bonmot: Woraus bestehe ich? Aus 25 % Mojre (Furcht), 25 % Dawke (Widerspruchsgeist), 25 % Chuzpe (Dreistigkeit), 3 % Zucker. Die restlichen 22 % sind undefinierbar.

Die Stadt Fürth hat ihren jüdischen Mitbürgern viel zu verdanken. Die jüdischen Mitbürger waren zum großen Teil durch ihre Strebsamkeit und ihre Stifterfreude (z. B. Heinrich Berolzheimer, Alfred Louis Nathan und Familie Krautheimer) am Aufschwung und Wachstum von Fürth beteiligt.

Die Juden waren von Anfang an in Fürth selbstverständlich in das normale Alltagsleben fest mit eingebunden. Als Grundbesitzer in Fürth waren sie auch in alle gemeindlichen Aufgaben und Ämter einbezogen. In der Dreiherrschaft stellten sie während einiger Jahre bis 1652 auch Bürgermeister.[6]

Die jüdische Hochschule zeigte sich sehr offen und weltlich und wurde von Leopold Krug 1796 folgendermaßen beschrieben: „Junge Leute werden auf der hiesigen Universität in Wissenschaften, Handelsgeschäfften und fremden Sprachen unterrichtet, wozu bisweilen auch christliche Lehrer genommen werden.“[7]

Durch die Zugehörigkeit von Fürth zu Bayern ab 1806 wurde die Entwicklung gestört. Im Zuge der Durchsetzung des Bayerischen Judenedikts von 1813 organisierte sich die Jüdische Gemeinde Fürth ab 1822 als Religionsverein „Israelitische Kultusgemeinde Fürth“. Aus alter Tradition heraus waren selbst nach dem Einschnitt zu Beginn der bayerischen Zeit jüdische Fürther sehr stark bei der Emanzipation der Juden in Bayern und damit auch in Deutschland beteiligt, davon zeugt u. a. der erste jüdische Rechtsanwalt (Dr. Sigmund Grünsfeld), der erste jüdische Landtagsabgeordnete (Dr. David Morgenstern), der erste jüdische (Handels-)Richter (Salomon Berolzheimer), der erste jüdische Schulrektor an einer staatlichen Schule (Dr. Heinrich Brentano). Auch der jüdische Chefarzt am neuen Krankenhaus auf der Schwand (Dr. Jakob Frank) sowie das erste jüdische Waisenhaus in Deutschland seien hier beispielhaft genannt.

Ruine des Schulhofs nach der Pogromnacht

Das jüdische Leben in Fürth wurde nicht nur in Folge des „Bayerischen Judenedikts“ von 1813 einschneidend verändert, sondern in der NS-Zeit völlig und brutal durch den Naziterror zerstört: Es überlebten nur 23 Juden in Fürth.

Nach dem Kriegsende 1945 entstand wieder eine kleine jüdische Gemeinde mit eigenem Rabbiner. Sie wurde von dem ersten Fürther Rabbiner nach dem Zweiten Weltkrieg David Spiro und dem ersten jüdischen Gemeindevorsitzenden Jean Mandel neu begründet. Ab 1947 organisierte sie sich dann wieder als „Körperschaft des Rechts“, als „Israelitische Kultusgemeinde Fürth“. Nach einem Auf und Ab in ihrer Mitgliederzahl hatte die „Israelitische Kultusgemeinde Fürth“ 2014 rund 330 Mitglieder.

Literatur[Bearbeiten]

  • Andreas Würfel: Historische Nachricht von der Judengemeinde in dem Hofmarkt Fürth (Buch), 1754
  • Die Synagoge in Fürth“, 1861, Broschüre auf Grundlage der fortlaufende Artikelserie im Fürther Tagblatt vom 5. März bis zum 12. April 1861
  • Salomon Haenle: Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach (Buch), 1867
  • Hugo Barbeck: Geschichte der Juden in Nürnberg und Fürth (Buch), 1878
  • Leopold Löwenstein: Zur Geschichte der Juden in Fürth (Buch), 1909 - 1913
  • Robert Staudenraus: Der Judenapotheker von Fürth. In: Alt Fürth. Fürther Heimatblätter, 1938/7, S. 79 - 90 (Nationalsozialistischer Hetzartikel! Anm. der Redaktion)
  • Juden. In: Adolf Schwammberger: Fürth von A bis Z. Ein Geschichtslexikon. Fürth: Selbstverlag der Stadt Fürth, 1968, S. 186 - 189
  • Rudolf Endres: Die Juden in Fürth. In: Fürther Heimatblätter, 1981/4 S. 73 - 85
  • Helmut Richter: Fürther Juden - umgekommen während der Zeit des Nationalsozialismus. In: Fürther Heimatblätter, Neue Folge, 1988, Nr. 4, S. 113
  • Kleeblatt und Davidstern, Heymann Werner J. (Herausgeber), Verlag Maria Mümmler, Emskirchen, 1990
  • Sponsel, Udo; Steiner, Helmut: Eine transatlantische Liebe im 19. Jahrhundert. In: Fürther Heimatblätter, 1993/2, S. 33 - 48
  • Sponsel, Udo; Steiner, Helmut: Jüdisches Sportleben in Fürth 1933 - 1938. In: Fürther Heimatblätter, 1996/4, S. 112 - 122
  • Sponsel, Udo; Steiner, Helmut: Als „Halbjude“ überlebt - Eine Begegnung mit dem Fürther Norbert Wild . In: Fürther Heimatblätter, 1997/2, S. 46 - 51
  • Gedenke : Zum Gedenken an die von den Nazis ermordeten Fürther Juden 1933 - 1945 = Gedenke - Remember - יזכוך / [Hrsg.: Komitee zum Gedenken der Fürther Shoah-Opfer Raphael Halmon ... Recherchen und Zustellung: Gisela Naomi Blume] - Fürth, 1997
  • Alexander Mayer: Die Juden in Fürth - Schlaglichter 1792-1914. In: Altstadtbläddla, Altstadtverein St. Michael Fürth, Ausgabe 34, 2000 - online [Darin eine Eingabe der jüdischen Gemeinde in Fürth und der ganzen jüdischen Nation in Franken an die Kreisversammlung vom 14. Februar 1792, unterschrieben von Wolf Neuburger, Jacob Henle und Isaac Marx]
  • Gisela Naomi Blume: Die von den Juden über die Straßen gezogenen Drähte oder der Eruv in Fürth. In: Fürther Heimatblätter, 2000/1, S. 1 - 17
  • Monika Berthold-Hilpert; Jutta Fleckenstein: Orte der Verfolgung und des Gedenkens in Fürth. Einladung zu einem Rundgang. Hrsg.: Jüdisches Museum Franken Fürth & Schnaittach. Haigerloch: Medien und Dialog, Schubert, 2002, 26 S., ISBN 3-933231-23-X
  • Monika Berthold-Hilpert; Jutta Fleckenstein: Jüdische Stiftungen in Fürth. Einladung zu einem Rundgang. Hrsg.: Jüdisches Museum Franken Fürth & Schnaittach. Haigerloch: Medien und Dialog, Schubert, 2003, 22 S., ISBN 3-933231-26-4
  • Walter Ley: Die Klavierlehrerin Anna Büchenbacher. Christlich-jüdisches Zusammenspiel in schwerer Zeit. In: Fürther Geschichtsblätter, 1/2004 S. 21 - 23
  • Geschichte der Juden in Fürth, Geschichte Für Alle e. V., - Historische Spaziergänge -, Sandberg Verlag, Nürnberg, 2005
  • Jüdische Geschichte in Fürth. Stadt Fürth, 2009 - online
  • Eckert, Alfred: In welchem Ghetto warst Du denn als Kind, Mutti? - Zum Gedenken an den 70. Jahrestag der ersten Deportationen von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern aus Fürth und Franken. In: Altstadtbläddla, Altstadtverein St. Michael Fürth, Ausgabe 45, 2011/12
  • Gisela Naomi Blume: Mikwen in Fürth - "Die Kellerquellenbäder der Israelitinnen". In: Fürther Geschichtsblätter, 2/2011, S. 27 - 52
  • Gisela Naomi Blume: Mikwen in Fürth - "Die Kellerquellenbäder der Israelitinnen". In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2011, S. 63 - 81
  • Bernd Noack: Die Fürths. Recherchen zur Geschichte einer Familie. In: Fürther Geschichtsblätter, 2/2012, S. 31 - 49
  • Peter Frank: Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung der jüdischen Fürther Bürger in der Zeit des Nationalsozialismus ab 1933. In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2012, S. 79 - 92
  • Matthias Henkel; Eckart Dietzfelbinger: Entrechtet. Entwürdigt. Beraubt. Die Arisierung in Nürnberg und Fürth. Begleitbuch zur Ausstellung im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg, Michael Imhof Verlag, 2012
  • Vogel, Ilse: 100 Jahre Firma I. S. Dispeker - eine Familiengeschichte. In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2013, S. 102 - 111
  • Barbara Ohm: Geschichte der Juden in Fürth. Verlag Geschichtsverein Fürth, 2014
  • Es lebe der Sport! Körperertüchtigung im Süden. Der jüdische Turn- und Sportverein. In: Auf in den Süden! Geschichte der Fürther Südstadt, 2017, Sandberg Verlag, ISBN 978-930699-94-0, S. 160

Siehe auch[Bearbeiten]

Linksmendelsohnianern, die eine linke, antirabbinische Strömung widerspiegeln:
Elkan Henle,
Simon Höchheimer
Aaron Halle Wolfssohn
Rechtsmendelsohnianern
David Ottensoser
Heimann Schwabacher
Joseph Herz
Jonas Oberndorfer

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Salomon Haenle: Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, S. 53; andere Quellen - Ansbachische Monatsschrift, Eger und Fronmüller - schreiben von einem Juden namens Männel, Mändel oder Mendel, so auch Andreas Würfel: Historische Nachricht von der Judengemeinde in dem Hofmarkt Fürth, S. 2
  2. Salomon Haenle: Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, Ansbach 1867, S. 55
  3. Leopold Löwenstein: Zur Geschichte der Juden in Fürth, Nachdruck 1974, erster Teil, S. 153
  4. "Kristallnacht in Fürth", Sondernummer der Fürther Freiheit (Stadtillustrierte) November 1988, L. Berthold, Fürth
  5. Fronmüllerchronik, 1871, S. 127 f.
  6. Das Juden auch Bürgermeister in Fürth stellten, ist z. B. für die Jahre 1623, 1624, 1625, 1626, 1629, 1643 und 1648 aus den Rechnungsbüchern nachzuweisen.
  7. Leopold Krug: "Topographisch-Statistisch-Geographisches Wörterbuch der sämmtlichen preußischen Staaten oder Beschreibung aller Provinzen, Kreise, Distrikte, Städte, Aemter, Flecken, Dörfer, Vorwerke, Flüsse, Seen, Berge ... in den preußischen Staaten" Halle, 1796, S. 249 - Online-Digitalisat der Universität Greifswald
  8. vgl. Carsten L. Wilke: "Eine Fürther Haskala: David Ottensoser, Heimann Schwabacher und die Mendelsohnianer an der Talmudschule", in FRANCONIA JUDAICA, Bd. 5 "Judentum und Aufklärung", S. 162

Bilder[Bearbeiten]