Straßennamen auf der Hardhöhe und der Hardsiedlung

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Das Straßennetz im Stadtteil Hardhöhe ist nicht historisch gewachsen, sondern das Ergebnis bewusster städtebaulichen Planung. Es entstand zum größten Teil bei zwei intensiven Bauphasen von 1934-1940 und 1958-1970. Und bis auf wenige Ausnahmen liegen der Namensgebung für die einzelnen Straßen vier Themenkreise zu Grunde:

  • Ortsnamen aus dem früheren Ostpreußen
  • Städtenamen aus dem früheren Sudetenland
  • Wissenschaftler
  • Unternehmer

Bei einigen Straßenschildern weisen kleine Zusatzschilder auf die Namensgeber hin. Die vielen kleinen Wege innerhalb des Wohngebiets und am Rand des Stadtteils haben keine Namen. Eine Übersicht zu allen Fürther Straßen bzw. Straßennamen findet sich in der Kategorie Straßen.


Straßen vor 1914

Vor 1914 waren in dem früher bewaldeten Gebiet der heutigen Hardhöhe nur wenige Straßen bzw. Wege vorhanden. An der Nordseite verlief seit dem Mittelalter die alte Reichsstraße von Frankfurt am Main über Würzburg nach Fürth und weiter nach Regensburg. Die Straße hieß früher Frankfurter Landstraße und heißt ab dem 9. Mai 1889 Würzburger Straße. Im Süden verlief auch seit Jahrhunderten die Verbindungsstraße von Fürth kommend nach Unterfürberg und weiter über Oberfürberg zum Stadtwald Richtung Cadolzburg, die heutige Cadolzburger Straße.
Von Unterfarrnbach führte eine Straße oder ein Weg mit dem Namen „In der Lache“ in Nord-Süd-Richtung quer über die Hardhöhe nach Unterfürberg – heute Hamburger Straße, Allensteiner Straße und Lycker Straße. Der alte Name deutet auf einen früheren Tümpel oder ein Feuchtgebiet hin, gespeist von Regen- oder Schmelzwasser. Vielleicht gab es eine solche Stelle im Bereich der heutigen Bahnhaltestelle Unterfürberg, hier verlief die Straße durch eine Bodensenke.
Eine alte Karte von 1733 zeigt bereits einen Weg, der von Fürth nach Westen auf die Hard und weiter nach Oberfürberg führt, wahrscheinlich der Vorläufer der heutigen Hardstraße. Der vom Rednitztal aufsteigende Weg hieß ursprünglich „Diebsteig“. [1] Bereits vor 1910 wurde für den Weg eine Brücke über die Bahnlinie nach Bamberg gebaut. Ein weiterer Weg weiter nördlich wurde 1978 durch den Bau der Bahnlinie unterbrochen, der westliche Teil verschwand später mit dem Bau des Industrieflughafens. (Östlicher Teil: Am Sonnenhof, Stiftungsstraße) Vom höchsten Punkt der Hardhöhe führte ein Weg nach Oberfürberg, die ehemalige Vogelstraße.

Straßen in der Hardsiedlung

Die Hardsiedlung südlich der Hardstraße entstand ab 1934 als Gemeinschaftssiedlung (Reichsheimstätte). Bei der Namensgebung für die Straßen kam der Fürther Stadtrat im Dez. 1934 einem Wunsch seines „jüngsten EhrenbürgersAlbert Forster nach, SS-Gruppenführer aus Fürth, NSDAP-Gauleiter von Danzig und persönlicher Freund Julius Streichers und des Fürther NSDAP-Oberbürgermeisters Franz Jakob. Die Straßen der Siedlung wurden nach Orten im näheren Umfeld von Danzig und dem Fluss Mottlau benannt.[2] Dies galt auch für die nahe Volkswohlsiedlung Wehlauer Straße. Die alte Straße „In der Lache“ wurde in Lycker Straße umbenannt. Die Straßen waren unbefestigt, erst in den 1960er-Jahren wurde die Kanalisation in der ganzen Siedlung fertig gestellt und die Straßen ausgebaut.
Das Namensschema wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg beibehalten (Allensteiner Straße, Marienburger Straße, Königsberger Straße). Nur die Langfuhrer Straße wurde im Juni 1949 in Stettiner Straße umbenannt. Im Neubaugebiet um die Stettiner Straße hat man mit der Greifswalder-, der Coseler- und der Breslauer Straße Ortsnamen aus Vorpommern und Schlesien gewählt.

Straßen in der neuen Trabantenstadt Hardhöhe

Beim Neubau der Trabantenstadt auf dem früheren Flugplatzgelände wurden für die Straßennamen zwei Themenkreise festgelegt. Die meisten Straßen östlich der Soldnerstraße wurden nach Städten im früheren Sudetenland benannt, eine Erinnerung an die frühere Heimat vieler Vertriebener, die hier ihr neues Zuhause fanden. Geplant waren zwischen Siemens- und Reichenberger Straße noch eine Karlsbader und Teplitzer Straße, die aber nicht gebaut wurden [3].
Die übrigen Straßen wurden nach bekannten Naturwissenschaftlern, Mathematikern und Astronomen benannt. Georg von Soldner, der Namenspatron der zentralen Hauptstraße, war bayrischer Landvermesser, Mathematiker und Astronom.
Einzige Ausnahme war die Siemensstraße, die das Wohngebiet gegenüber dem Industriegebiet im Osten abgrenzt (Werner von Siemens, Erfinder und Unternehmer). Die Firma Siemens hatte bereits 1955 mit dem Bau ihres Werkes auf der Hardhöhe begonnen. Die Lycker Straße wurde in das neue Wohngebiet hinein verlängert (heute Allensteiner Straße).
Bei der Erweiterung des Wohngebiets westlich der Hardstraße blieb man mit Philipp Reis, Albert Einstein und Justus Liebig bei Naturwissenschaftlern, aber zwei Straßen sind nach dem Flugpionier und Unternehmer Otto Lilienthal und dem Ingenieur und Industriellen Gottlieb Daimler benannt.

Straßen im Industriegebiet Hardhöhe-West

Bereits in den 1990er-Jahren zog der OBI-Baumarkt von der Würzburger Straße 171 in das neue Industriegebiet. Als Zufahrt wurde die Stichstraße Am Annaberg gebaut, benannt nach einem früheren Flurnamen.
2011-13 wurde das Industriegebiet durch drei neue Straßen erschlossen. Die Zufahrtstraße von der Würzburger Straße (ursprünglich Am Kieselbühl) wurde verlängert und umbenannt in Am Grünen Weg – eine Reminiszenz an die Firma Ebl Naturkost, der ersten Ansiedlung im neuen Gebiet. Von der Hafenstraße führt die Manfred-Roth-Straße durch das gesamte Gebiet, benannt nach dem Unternehmer und Firmenleiter der Unternehmensgruppe Norma. Die Dieter-Streng-Straße erinnert an den Unternehmer Dieter Streng von den OBI-Baumärkten.

Straßennamen in der NS-Zeit und die Probleme beim Aufheben

Die Fürther Straßennamen im Nationalsozialismus 1933-1945

Mit der „Entnazifizierung“ der Straßennamen beschäftigten sich die Stadträte und die Stadtverwaltung 1945/46 und noch bis 1949. Im April 1946 benannte der Stadtrat die Hindenburgstraße in „Rudolf-Breitscheid-Straße“ um und die Hindenburganlage in „Freiheitsanlage“ (gegenüber vom Platz „Fürther Freiheit“, zuvor „Schlageterplatz“). Die Begründung für die Löschung des Namens Hindenburg war, dass der Feldmarschall Hindenburg dem Nationalsozialismus zur Macht verhalf (so in der Referentenbesprechung am 12. März 1946). Im Mai 1949 befasste sich ein Unterausschuss des Bauausschusses erneut mit den Straßenbenennungen aus der NS-Zeit. Aus der Akte im Stadtarchiv sind keine Gründe im Einzelnen ersichtlich. Abgeschafft wurden die Namen Dessauer Straße, Eupener Straße, Falklandstraße, Langfuhrer Straße, Seydlitzstraße, Skagerrakstraße (Beschluss Bauausschuss vom 1.6.49, Beschluss Stadtrat 15.6.49). Mit Falkland und Skagerrak waren Seeschlachten aus 1916 verherrlicht worden, bei denen die deutsche Flotte gegen die britische Flotte gesiegt hatte. Bei Dessau und Seydlitz waren es die Namen alter Generäle, die für die Preußen siegreich kämpften. Zur Langfuhrer Straße muss man weiter ausholen.

Die Straßenbenennungen in der Hardsiedlung

Die Straßen in der 1934 entstandenen Siedlung wurden nach Orten benannt, die heute in Polen liegen und vor 1945 in Ostdeutschland lagen. Das kommt nicht von ungefähr. Das ist auf die Ideologie der nationalsozialistischen Stadtregierung unter dem damaligen Oberbürgermeister Franz Jakob zurückzuführen. Dieser wird im April 1933 vom neu formierten Stadtrat, in dem die NSDAP die Mehrheit hat, gewählt. Oberbürgermeister Dr. Wild war zuvor von den Nationalsozialisten zum Rücktritt gezwungen worden. Der neue NS-OB Jakob ordnet im Oktober 1934 die Straßennamen für die Siedlung an. Es gibt also keinen Beschluss des Stadtrats. Die „Ratsherren“ nehmen lediglich zur Kenntnis, was ihnen die Partei vorgibt. Interessant dabei ist folgendes: Die Mottlaustraße bezieht sich auf den Fluss Mottlau, der durch Danzig fließt, dann in die Weichsel. Die Olivaer Straße rührt her vom westlichen Vorort von Danzig Oliva (auch „Oliwa“ genannt), nahe der Ostsee. Und die Langfuhrer Straße wird dem Vorort von Danzig Langfuhr gewidmet. Die Zoppoter Straße wird nach dem Ostseebad Zoppot im ehemaligen Freistaat Danzig benannt. Ebenfalls ein Seebadeort ist Pillau, nahe Königsberg, Ostpreußen. Wie kam es aber, dass der Oberbürgermeister sich all dieser Ortsnamen bediente? Das hing mit Jakobs Freundschaft zu Albert Forster zusammen. Albert Forster (geboren 1902, Sohn eines Gefängnisverwalters in der Katharinenstraße) war von 1930 an Gauleiter der NSDAP in Danzig und wohnte in Zoppot. Im Mai 1934 verheiratete er sich mit einer Unternehmer-Tochter aus Danzig-Langfuhr. Er war ein Vertrauter von Hitler. 1925 hatte Forster in Fürth eine Ortsgruppe der Nationalsozialisten gegründet. Unter der neuen Stadtregierung ab 1933 mit Oberbürgermeister Jakob (Jakob und Forster kannten sich gut aus ihrer SA-Zeit) wird im Juni 1933 die Feldstraße in „Albert-Forster-Straße“ umbenannt. Das wurde folgendermaßen begründet: „Um den verdienten Vorkämpfer der Bewegung, jetzt Gauleiter in Danzig zu ehren“. Im April 1934 verlieh die Stadt ihm, den „Staatsrat und SS-Brigadeführer, dem treuen Sohn der Stadt Fürth, dem mutigen und unerschrockenen Vorkämpfer für das Dritte Reich“, auch die Ehrenbürger-Würde. Am Sonntag 28. Oktober 1934 holte er sich in Fürth die Plakette und Urkunde ab und zwar in einer Feier im Stadttheater. Anschließend hielt er eine längere Rede vom Balkon des Rathauses. Dazu organisierten die Nazis eine Massenkundgebung in der Königstraße, indem sie im Rahmen einer „Reichshandwerkerwoche“ alle Verbände und Formationen der Partei aufmarschieren ließen. Am folgenden Montag versammelten sich im überfüllten „Schwarzen Kreuz“ die alten Kämpfer zu einem Ehrenabend.

Alles nachzulesen in Zeitungsberichten. Vollständig wiedergegeben wird Forsters Rede, in der er gegen die Juden hetzte. Im November 1938 kündigte er den Ausschluss der Juden aus dem Danziger Wirtschaftsleben an. Im August 1939 zeigte sich die Verbundenheit der Fürther mit Danzig auch im Sport. Städtemannschaften trugen in Fürth einen Fußball-Wettkampf aus. Auch bei diesem Anlass fand eine Kundgebung mit einer Ansprache von Forster statt. 10 Tage später forderte Forster in Zoppot auf einer großen Volksversammlung die „Heimkehr“ von Danzig ins Reich. Am 1. September 1939 folgte dies auch: Einmarsch der Wehrmacht in Polen, Kriegsbeginn. Sturzkampfflieger jagten über Danzig, ein Kriegsschiff feuerte erste Salven ab. Polen wurde besetzt, Forster zum „Reichsstatthalter und Gauleiter von Danzig-Westpreußen“ ernannt. Danzig diente Hitler dazu, den Krieg mit Polen vom Zaun zu brechen und den Expansionsdrang nach Osten zu beginnen. Ab 1943 wendete sich das Blatt. Am 28./29. März 1945 nahm die vorrückende Roten Armee Danzig ein. Im Mai 1945 verhafteten sie Forster auf der Flucht; 1946 an die Polen ausgeliefert, dann in Danzig inhaftiert. 1948 wurde er zum Tode wegen Kriegsverbrechen verurteilt, im Februar 1952 in Warschau hingerichtet.

Die Straßen-Benennungen in der Hardsiedlung waren also politisch motiviert. In den Nachkriegsjahren sind natürlich zuerst die Straßennamen nach Personen des NS-Unrechtsregimes bereinigt worden, indem man sie umbenannt oder ihnen ihre alten Namen zurückgegeben hat. Die Namen nach Städten, Orten und Flüssen im Osten sind jedoch geblieben. Die Bewohner der Siedlung und allgemein die Fürther haben sich daran gewöhnt. Sie wissen meist nichts mehr vom nationalsozialistischen Hintergrund der Namensgebung ab 1933/34.

Die Altringerstraße führten die Nazis 1935 ein, als die Berolzheimerstraße „nicht mehr zeitgemäß“ war. Trotzdem dass Fürth dem Kommerzienrat und Ehrenbürger Heinrich Berolzheimer so viel zu verdanken hatte, sollte hier auch ein alter Feldmarschall und Heerführer im 30-jährigen Krieg herhalten, der bei der Schlacht an der Alten Veste beteiligt war. Im Mai 1945 wurde die Berolzheimerstraße zurück benannt. Für den Heerführer an der Seite Wallensteins fand man 1971 bei der Fuggerstraße eine neue Straße zur Benennung. Es gibt mehrere Schreibweisen von ihm: Johann Aldringer oder Johann Graf von Aldringen oder doch Altringer? Da sollte mal ein Genealoge rangehen zur Klärung.

Bei der Seydlitzstraße griff man 1935 wieder zu einem preußischen Reitergeneral. Friedrich Wilhelm Seydlitz erzielte 1757 für Friedrich dem Großen durch Tapferkeit und „hohe strategische Begabung“ Siege bei Rossbach und Zorndorf. Die Straße wurde 1949 in Ludwig-Thoma-Straße umbenannt.

Bei der Liststraße blieb man beim Militärischen. Die „Landmannstraße“ war 1935 nicht mehr „zeitgemäß“, obwohl auch hier ein Ehrenbürger für seine vielen Verdienste als Arzt und langjähriger Vorstand der Gemeindebevollmächtigten 1902 geehrt wurde. Zur Umbenennung im Mai 1935 hieß es: „Nach dem Regiment List, bei dem der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler Kriegsdienste geleistet hat.“ Ab Mai 1945 gab es in der Südstadt wieder die Landmannstraße.

Kritischer zu sehen ist, dass der 1946 abgeschaffte Straßenname "Ritter-von-Aldebert-Straße" überraschenderweise 1963 in einem neuen Baugebiet östlich der Breslauer Straße wieder eingeführt wurde (Verzeichnis Nr. 12 über Straßenneubenennung des Baureferates vom 29.11.1963). Dr. Schwammberger schrieb dazu in seinem Geschichtslexikon Fürth von A bis Z, dass die Dr.-Frank-Straße früher so hieß und 1963 die jetzige Ritter-von-Aldebert-Straße so benannt wurde, nach dem Studenten und designierten Träger des Bayerischen Militär-Max-Joseph-Ordens Karl Ritter von Aldebert in Nürnberg, dessen Familie aus Fürth stammte. Eine sehr zweifelhafte Begründung. Daran ändert auch nichts, dass ein Zusatzschild beim Straßenschild erläutert, die Straße sei nach der Familie von ehemaligen Handschuhmachern hugenottischer Abstammung benannt. Dann hätte sie ja "Aldebertstraße" heißen müssen. Das Erläuterungsschild war zwischenzeitlich entfernt worden, wurde aber wieder angebracht. Mit dem Zusatzschild wurde kaschiert, dass die volle Namensgebung der NS-Ideologie entstammt. Die nationalsozialistische Stadtverwaltung hatte 1933 zwei neue Straßen in einem neuen Wohngebiet nahe der Südstadt-Kasernen zur Glorifizierung von Siegen und nach Kriegshelden im 1. Weltkrieg benannt. Bei der Bapaumestraße (nach der Schlacht bei Bapaume, Frankreich) und bei der Ritter-von-Aldebert-Straße (nach dem dort 1918 gefallenen Karl Aldebert, dem posthum der Ritter-Titel für "sein tapferes Verhalten" verliehen wurde) handelte es sich eindeutig um politische Straßennamen nach der NS-Ideologie. Zugrunde lagen Anträge der Militärs, wie man in der Archivakte nachlesen kann.

Quellen: Akten des Stadtarchivs Fürth über Straßenbenennungen 4. Band 6/202; Adressbücher der Stadt Fürth.

Peter Frank, März 2012

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Die Fürther Hardhöhe (Buch), S. 25 ff.
  2. Die Fürther Hardhöhe (Buch), S. 27 ff.
  3. Stadtplan von 1960, Städteverlag Stuttgart - Bad Cannstadt

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