Reichspogromnacht in Fürth: Unterschied zwischen den Versionen

 
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==<font color="purple">Thema noch in Bearbeitung</font>==
{{Ereignis
|Bild=Pogromnacht.jpg
|Thema=Reichspogromnacht
|Startdatum=1938/11/09
|Enddatum=1938/11/10
}}
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 kam es auch in Fürth zu gewalttätigen Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung und zur Zerstörung u. a. der Synagoge. Diese von der NSDAP gelenkten Gewaltverbrechen fanden auch in Fürth - trotz großer jüdischer Gemeinde - keinerlei Hemmung.


Die Pogrome wurden euphemistisch '''Reichskristallnacht''' oder '''Kristallnacht''' genannt, Jahrzehnte später setzte sich die Bezeichnung '''Reichspogromnacht''' durch.
Als [[wikipedia:Herschel Grynspan|Herschel Grynspan]] am 7. November 1938 in der deutschen Botschaft in Paris ein Attentat auf [[wikipedia:Ernst Eduard vom Rath|Ernst Eduard vom Rath]] verübte und dieser am 9. November seinen Verletzungen erlag, nahm dies der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|nationalsozialistische]] Propagandaapparat als willkommenen Vorwand, um die antisemitischen Ausschreitungen überall in Deutschland - so auch in Fürth - in Gang zu setzen.
===Ereignisse des Jahres 1938 im Vorfeld der Reichspogromnacht===
===Ereignisse des Jahres 1938 im Vorfeld der Reichspogromnacht===
Am [[10. August]] [[1938]] wurde die Hauptsynagoge in Nürnberg auf Anordnung städtischer Behörden abgebrochen.<ref>vgl. [[wikipedia:Nürnberger Prozess|Nürnberger Prozess]], Verhandlungsprotokoll vom Montag, 29. April 1946 in der [http://www.zeno.org/Geschichte/M/Der+N%C3%BCrnberger+Proze%C3%9F/Hauptverhandlungen/Einhundertsechzehnter+Tag.+Montag,+29.+April+1946/Nachmittagssitzung Nachmittagssitzung - online verfügbar], auch Niall Ferguson: "Kissinger - der Idealist", S. 97</ref> Weil den radikalen Antisemiten in der NSDAP nun die bloße Ausgrenzung der Juden nicht mehr reichte, stellte sich die jüdische Gemeinde in Fürth auf künftige Repressalien und Ausschreitungen ein. Da es in Nürnberg auch schon Übergriffe auf die "Adat Israel"-Synagoge in der Essenweinstraße gab, wurden "''die wertvollsten Schriftrollen und Kultgeräte ... zur sicheren Aufbewahrung aus den Synagogen entfernt.<ref>Edgar Rosenberg: " Kristallnacht Memories" zitiert nach Niall Ferguson: "Kissinger - der Idealist", S. 97</ref><ref>"''In Fürth the congregation had learned weeks before, in early October, that the Torah scrolls had been filched by the Nazis from the orthodox congregation Adat Yisrael in Nuernberg, and to prevent the same desecration in Fürth, some of the Jews removed all scrolls and silver ornaments from our four chief synagogues, substituting scrolls which were unfit for the Sabbath service.''" siehe Edgar Rosenberg: [https://haitiholocaustsurvivors.wordpress.com/anti-semitism/kristallnacht/kristallnacht-memories-of-edgar-rosenberg/ Kristallnacht Memories]</ref>
Am [[10. August]] [[1938]] wurde die Hauptsynagoge in [[Nürnberg]] auf Anordnung städtischer Behörden abgebrochen.<ref>vgl. [[wikipedia:Nürnberger Prozess|Nürnberger Prozess]], Verhandlungsprotokoll vom Montag, 29. April 1946 in der [http://www.zeno.org/Geschichte/M/Der+N%C3%BCrnberger+Proze%C3%9F/Hauptverhandlungen/Einhundertsechzehnter+Tag.+Montag,+29.+April+1946/Nachmittagssitzung Nachmittagssitzung - online], auch Niall Ferguson: "Kissinger - der Idealist", S. 97</ref> Weil den radikalen Antisemiten in der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] nun die bloße Ausgrenzung der Juden nicht mehr reichte, stellte sich die jüdische Gemeinde in Fürth auf künftige Repressalien und Ausschreitungen ein. Da es in Nürnberg auch schon Übergriffe auf die "Adat Israel"-Synagoge in der Essenweinstraße gab, wurden "''die wertvollsten Schriftrollen und Kultgeräte ... zur sicheren Aufbewahrung aus den Synagogen entfernt.<ref>Edgar Rosenberg: " Kristallnacht Memories" zitiert nach Niall Ferguson: "Kissinger - der Idealist", S. 97</ref><ref>"''In Fürth the congregation had learned weeks before, in early October, that the Torah scrolls had been filched by the Nazis from the orthodox congregation Adat Yisrael in Nuernberg, and to prevent the same desecration in Fürth, some of the Jews removed all scrolls and silver ornaments from our four chief synagogues, substituting scrolls which were unfit for the Sabbath service.''" siehe Edgar Rosenberg: [https://haitiholocaustsurvivors.wordpress.com/anti-semitism/kristallnacht/kristallnacht-memories-of-edgar-rosenberg/ Kristallnacht Memories]</ref>


=== Zerstörung in der Reichspogromnacht ===
=== Zerstörung in der Reichspogromnacht ===
Wie überall im Deutschen Reich fand am [[9. November]] [[1938]] die alljährliche Gedenk- und Totenfeier der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] für die getöteten Anhänger beim [[wikipedia:Hitlerputsch|Hitlerputsch]] am 8. und 9. November 1923 in München statt. Die Fürther Parteiführer versammelten sich im [[Stadttheater]], das sie eine Stunde später verließen, um in ihrem Stammlokal, im Café Fink, weiterzufeiern. Erst nach Mitternacht soll Oberbürgermeister [[Franz Jakob]] von bevorstehenden Aktionen gegen die Juden erfahren haben. Dieses Gerücht beinhaltete auch das "Inbrandstecken jüdischer Gebäude". Da diese in Fürth über die Stadt zerstreut lagen und sonderlich die Synagogen sich im dicht bebauten Altstadtviertel befanden, bestand für die Altstadt akute Brandgefahr.<ref name="Manfred Mümmler">Manfred Mümmler: "Fürth 1933 - 1945", S.150 ff</ref>  <ref>Niall Ferguson: "Kissinger - der Idealist", S. 98</ref> Jakob befahl dem technischen Leiter der Feuerwehr, Johannes Rachfahl, alle Gebäude neben den vorgesehenen Brandherden - die [[Altschul|große]] und [[Neuschul|kleine]] Synagoge, [[Jüdisches Waisenhaus|Waisenhaus]], [[Israelitische Bürgerschule|Realschule]], [[jüdisches Krankenhaus]] - unter allen Umständen zu schützen.<ref name="Manfred Mümmler"/>  
Wie überall im Deutschen Reich fand am [[9. November]] [[1938]] die alljährliche Gedenk- und Totenfeier der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] für die getöteten Anhänger beim [[wikipedia:Hitlerputsch|Hitlerputsch]] am 8. und 9. November 1923 in München statt. Die Fürther Parteiführer versammelten sich im [[Stadttheater]], das sie eine Stunde später verließen, um in ihrem Stammlokal, im Café Fink (Ecke Most- und Hallstraße), weiterzufeiern. Erst nach Mitternacht soll Oberbürgermeister [[Franz Jakob]] von bevorstehenden Aktionen gegen die Juden erfahren haben. Dieses Gerücht beinhaltete auch das "Inbrandstecken jüdischer Gebäude". Da diese in Fürth über die Stadt zerstreut lagen und sonderlich die Synagogen sich im dicht bebauten Altstadtviertel befanden, bestand für die Altstadt akute Brandgefahr.<ref name="Manfred Mümmler">Manfred Mümmler: "Fürth 1933 - 1945", S.150 ff</ref>  <ref>Niall Ferguson: "Kissinger - der Idealist", S. 98</ref> Jakob befahl dem technischen Leiter der Feuerwehr, Johannes Rachfahl, alle Gebäude neben den vorgesehenen Brandherden - die [[Altschul|große]] und [[Neuschul|kleine]] Synagoge, [[Jüdisches Waisenhaus|Waisenhaus]], [[Israelitische Bürgerschule|Realschule]], [[jüdisches Krankenhaus]] - unter allen Umständen zu schützen.<ref name="Manfred Mümmler"/>  


Der SA-Obersturmführer von Obernitz mobilisierte seine etwa 150 Mann starke Truppe; zum größten Teil handelte es sich dabei um Schüler der SA-Schule im Fürther [[Stadtwald]]. Zwischen 1:00 Uhr und 1:30 Uhr sprengten diese mit Rammwerkzeugen die schweren Eisentore auf, die den jüdischen Besitz zwischen [[Königstraße|König]]- und [[Mohrenstraße]] abgrenzten. In der Synagoge zerschlugen sie den Thoraschrein, holten die Gebetsrollen heraus, warfen alles, was sie von den Wänden rissen, auf einen Haufen und zündeten es an. Das Feuer breitete sich schnell auf die ganze Synagoge aus.<ref name="Manfred Mümmler"/> [[Albert Neubürger]], ein führendes Mitglied der jüdischen Gemeinde<ref>Albert Neubürger war der jüngste Sohn des früheren Rabbiners [[Jakob Immanuel Neubürger]]</ref>, wurde aus dem Bett geholt und „einige SA-Männer führten den jüdischen Rechtsanwalt Neubürger, der am Kopf blutete und dessen Kleider zerrissen waren, in die Synagoge. Sie schleppten ihn in ein Nebenhaus, in dem sich die Wohlfahrtsstelle der israelitischen Gemeinde befand. Dort versuchten sie, mit seinem Kopf die Tür einzurammen...“<ref>Manfred Mümmler: ''Der Progrom 1938'' in [[Fürth 1933 - 1945 (Buch)|Fürth 1933 - 1945]]. 1995, Seite 152</ref>  Neuburger entging weiterer Tortur nur, weil der Hausmeister inzwischen die Tür mit einem Schlüssel geöffnet hatte. Weisungsgemäß schützte die Feuerwehr die angrenzenden Häuser, wollte jedoch auch im Gotteshaus selbst löschen, was aber durch SA-Männer verhindert wurde. Bis zum Morgen brannte darum die Synagoge vollständig aus.<ref>ziemlich gleichlautend auch der Auszug aus der "Ballin-Chronik" zum 9. November 1938</ref>  
Der SA-Obersturmführer von Obernitz mobilisierte seine etwa 150 Mann starke Truppe; zum größten Teil handelte es sich dabei um Schüler der SA-Schule im Fürther [[Stadtwald]]. Zwischen 1:00 Uhr und 1:30 Uhr sprengten diese mit Rammwerkzeugen die schweren Eisentore auf, die den jüdischen Besitz zwischen [[Königstraße|König]]- und [[Mohrenstraße]] abgrenzten. In der Synagoge zerschlugen sie den Thoraschrein, holten die Gebetsrollen heraus, warfen alles, was sie von den Wänden rissen, auf einen Haufen und zündeten es an. Das Feuer breitete sich schnell auf die ganze Synagoge aus.<ref name="Manfred Mümmler"/> [[Albert Neubürger]], ein führendes Mitglied der jüdischen Gemeinde<ref>Albert Neubürger war der jüngste Sohn des früheren Rabbiners [[Jakob Immanuel Neubürger]]</ref>, wurde aus dem Bett geholt und „einige SA-Männer führten den jüdischen Rechtsanwalt Neubürger, der am Kopf blutete und dessen Kleider zerrissen waren, in die Synagoge. Sie schleppten ihn in ein Nebenhaus, in dem sich die Wohlfahrtsstelle der israelitischen Gemeinde befand. Dort versuchten sie, mit seinem Kopf die Tür einzurammen...“<ref>Manfred Mümmler: ''Der Progrom 1938'' in [[Fürth 1933 - 1945 (Buch)|Fürth 1933 - 1945]]. 1995, Seite 152</ref>  Neuburger entging weiterer Tortur nur, weil der Hausmeister inzwischen die Tür mit einem Schlüssel geöffnet hatte. Weisungsgemäß schützte die Feuerwehr die angrenzenden Häuser, wollte jedoch auch im Gotteshaus selbst löschen, was aber durch SA-Männer verhindert wurde. Bis zum Morgen brannte darum die Synagoge vollständig aus.<ref>ziemlich gleichlautend auch der Auszug aus der "Ballin-Chronik" zum 9. November 1938</ref>  
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Während der [[Reichspogromnacht in Fürth|Reichspogromnacht]] "''war das Jüdische Krankenhaus mit Verletzten aus Nürnberg, Fürth und den umliegenden Landgemeinden überfüllt. Die Mehrzahl litt an von Schlägen ausgelösten Kopfverletzungen. Einigen Frauen, die ihre Männer zu schützen versuchten, hatten SA-Leute die Handgelenke gebrochen.''"<ref>Monika Berthold-Hilpert: [[Orte der Verfolgung und des Gedenkens in Fürth (Broschüre)|Orte der Verfolgung und des Gedenkens in Fürth]], S.13</ref>
Während der [[Reichspogromnacht in Fürth|Reichspogromnacht]] "''war das Jüdische Krankenhaus mit Verletzten aus Nürnberg, Fürth und den umliegenden Landgemeinden überfüllt. Die Mehrzahl litt an von Schlägen ausgelösten Kopfverletzungen. Einigen Frauen, die ihre Männer zu schützen versuchten, hatten SA-Leute die Handgelenke gebrochen.''"<ref>Monika Berthold-Hilpert: [[Orte der Verfolgung und des Gedenkens in Fürth (Broschüre)|Orte der Verfolgung und des Gedenkens in Fürth]], S.13</ref>
[[Datei:Jüd. Waisenhaus 1938.jpg|mini|right|Waisenhaus mit Parole "''Wir lassen keinen Deutschen von einem Juden morden''"]]
Auch die 42 Kinder aus dem Waisenhaus in der [[Julienstraße]] mussten, teilweise nur mit ihren Nachthemden bekleidet, in der kalten Novembernacht bis zum Morgen ausharren. An die Fassade des Waisenhauses war der Satz: "''Wir lassen keinen Deutschen von einem Juden morden''" geschmiert worden.


Auch die 42 Kinder aus dem Waisenhaus in der [[Julienstraße]] mussten, teilweise nur mit ihren Nachthemden bekleidet, in der kalten Novembernacht bis zum Morgen ausharren. Frauen und Kinder entließ man nach Hause.<ref>Edgar Rosenberg gibt an, dass dies zwischen 7 und 9 Uhr am Morgen des 10. November war.</ref> Der Rest musste zum Berholzheimerianum, einem Fußmarsch von etwa 10 min am [[Parkhotel]] vorbei. Unterwegs wurden sie von neugierigen Mitbürgern begafft, "''die sich auf den Straßen drängten, spuckten, krakeelten, schrien: "Höchste Zeit!" und "Keinen Augenblick zu früh!" und im Chor "Judensau" und "Juda verrecke!" riefen''"<ref>Niall Ferguson: Kissinger - Der Idealist", 2016 dt. Ausgabe, S. 99</ref>   
Frauen und Kinder entließ man nach Hause.<ref>Edgar Rosenberg gibt an, dass dies zwischen 7 und 9 Uhr am Morgen des 10. November war.</ref> Der Rest musste zum Berholzheimerianum, einem Fußmarsch von etwa 10 min am [[Parkhotel]] vorbei. Unterwegs wurden sie von neugierigen Mitbürgern begafft, "''die sich auf den Straßen drängten, spuckten, krakeelten, schrien: "Höchste Zeit!" und "Keinen Augenblick zu früh!" und im Chor "Judensau" und "Juda verrecke!" riefen''"<ref>Niall Ferguson: Kissinger - Der Idealist", 2016 dt. Ausgabe, S. 99</ref>   


Der Chronist berichtet, dass 132 Männer in Autobussen nach Dachau abtransportiert wurden.<ref>Manfred Mümmler: Der Pogrom zu Fürth. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. In: Fürther Heimatblätter, 1988/4, S.101 - 112</ref>
===Überführung jüdischer Männer ins KZ Dachau===
Der Chronist berichtet, dass 132 Männer in Autobussen am folgenden Tag, den 10. November abends, nach Dachau ins Konzentrationslager abtransportiert wurden.<ref>Manfred Mümmler: Der Pogrom zu Fürth. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. In: Fürther Heimatblätter, 1988/4, S.101 - 112; auch Manfred Mümmler: „Fürth 1933 - 1945“, S. 155 sowie Ballin-Chronik, S. 29</ref></br>
zu den Abtransportierten gehörten u.a.:
* [[Gustav Höchster]], Fabrikant, entlassen am 19. Dezember 1938
* [[Hermann Mandelbaum]], Lehrer, entlassen Ende Dezember 1938
* [[Hugo Mosbacher]], Prokurist, entlassen am 19. Dezember 1938
* [[Leopold Meier Neumann]], Kaufmann, entlassen am 10. Dezember 1938
* [[Meier Oppenheimer]], Lehrer, entlassen Mitte Dezember 1938
* Dr. [[Leo Stahl]], Rechtsanwalt, entlassen am 7. Dezember 1938


"''Am nächsten Tag wurde der Schulhof durch Militärposten abgesperrt. SA-Abteilungen marschierten singend zum Synagogenplatz und einige Schulen erschienen geschlossen bei den verwüsteten Geschäften und ließen Sprechchöre erklingen. Es handelte sich dabei anscheinend um Privatleistungen besonders gesinnungsechter Lehrer.''"<ref>Ballin: ''Chronik Fürth 1933 - 1945''</ref>  
Ums Leben kamen in der Pogromnacht<ref>Ballin-Chronik S. 29</ref>:
* [[Fritz Lorch]]
* [[Willy Behrends]]
* [[Friedrich Katz]]


===Die Zeit nach dem Pogrom===
"''Am nächsten Tag wurde der Schulhof durch Militärposten abgesperrt. SA-Abteilungen marschierten singend zum Synagogenplatz und einige Schulen erschienen geschlossen bei den verwüsteten Geschäften und ließen Sprechchöre erklingen. Es handelte sich dabei anscheinend um Privatleistungen besonders gesinnungsechter Lehrer.''"<ref>Ballin: ''Chronik Fürth 1933 - 1945'', S. 29</ref>
[[Datei:FA515 41.jpg|mini|right|Wohnungszerstörung durch SA-Einheiten]]
[[Datei:Synagogendenkmal Fürth 2017.jpg|mini|right|Das [[Synagogendenkmal]] in der [[Geleitsgasse]], [[2017]]]]
Historiker stimmen darüber überein, dass Deutschen die Tatsache als solche weniger unangenehm war als die daraufhin vermüllten Straßen und Gehwege. Sie regten sich mehr auf über die Glassplitter, zerrissenen Mäntel, ausgehängte Schreibmaschinen und geköpfte Teddybären, die überall herumlagen; besonders über das Dali-esque Bild eines halben Klaviers das quer auf der Hauptverkehrsstraße lag.<ref>Edgar Rosenberg: Kristallnacht Memories</ref> </br>
Historiker stimmen darüber überein, dass Deutschen die Tatsache als solche weniger unangenehm war als die daraufhin vermüllten Straßen und Gehwege. Sie regten sich mehr auf über die Glassplitter, zerrissenen Mäntel, ausgehängte Schreibmaschinen und geköpfte Teddybären, die überall herumlagen; besonders über das Dali-esque Bild eines halben Klaviers das quer auf der Hauptverkehrsstraße lag.<ref>Edgar Rosenberg: Kristallnacht Memories</ref> </br>
"''Durch die Verordnung vom 12. November 1938 über die Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben (RGBl.I S.1581) wurde den Juden auferlegt, alle Schäden, die am 8., 9.und 10. November 1938 an jüdischen Gewerbebetrieben und Wohnungen entstanden sind, auf Kosten des Inhabers der betroffenen jüdischen Gewerbebetriebe und Wohnungen zu beseitigen.'' </br>
"''Durch die Verordnung vom 12. November 1938 über die Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben (RGBl.I S.1581) wurde den Juden auferlegt, alle Schäden, die am 8., 9.und 10. November 1938 an jüdischen Gewerbebetrieben und Wohnungen entstanden sind, auf Kosten des Inhabers der betroffenen jüdischen Gewerbebetriebe und Wohnungen zu beseitigen.'' </br>
''Am 12. November 1938 erschien auch die Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit; danach mussten die Juden 20 % ihres am 26. April 1938 angemeldeten Vermögens an das Reich bezahlen (RGBl./1938 S.1579).''"<ref>Ballin: ''Chronik Fürth 1933 - 1945''</ref>
''Am 12. November 1938 erschien auch die Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit; danach mussten die Juden 20 % ihres am 26. April 1938 angemeldeten Vermögens an das Reich bezahlen (RGBl./1938 S.1579).''"<ref>Ballin: ''Chronik Fürth 1933 - 1945'', S. 40</ref>
 
"''Im Verlauf der Ausschreitungen wurden fünf der festgenommenen Gemeinderepräsentanten in das Büro eines beeidigten Notars geschafft, wo sie im Namen der Gemeinde einen Vertrag über den Verkauf der beiden Friedhöfe, des Krankenhauses, der Realschule, des Waisenhauses und sämtlicher Grundstücke aus Gemeindebesitz an die Stadt zu einem Preis von insgesamt 100 Mark unterschreiben mussten. Die Kosten der Überschreibung in Höhe von 236.50 Reichsmark musste die Kultusgemeinde tragen.''"<ref>Ballin: ''Chronik Fürth 1933 - 1945'', S. 32</ref>


[[Datei:Pogromnacht.jpg|mini|right|Hauptsynagoge nach der Pogromnacht 1938]]
Mit der zynischen Umschreibung ''[[Wikipedia:Novemberpogrome 1938|Reichskristallnacht]]'' verharmloste die nationalsozialistische Propaganda das zerstörerische Werk jener Nacht im November 1938. Verantwortlich wurde ein lange aufgestauter Volkszorn gemacht und dabei kaschiert, dass es sich aber um einen gezielt geplanten Schlag handelte. In dieser Nacht wurde die Fürther Hauptsynagoge komplett zerstört. Die ausgebrannte Ruine wurde danach abgerissen. Durch Vernichtung und Neubebauung erinnert und mahnt heute an den '''Schulhof''' und seine Geschichte nur noch ein [[Synagogendenkmal|Denkmal]] in der [[Geleitsgasse]], von [[Kunihiko Kato]], aus dem Jahr [[1986]].
Mit der zynischen Umschreibung ''[[Wikipedia:Novemberpogrome 1938|Reichskristallnacht]]'' verharmloste die nationalsozialistische Propaganda das zerstörerische Werk jener Nacht im November 1938. Verantwortlich wurde ein lange aufgestauter Volkszorn gemacht und dabei kaschiert, dass es sich aber um einen gezielt geplanten Schlag handelte. In dieser Nacht wurde die Fürther Hauptsynagoge komplett zerstört. Die ausgebrannte Ruine wurde danach abgerissen. Durch Vernichtung und Neubebauung erinnert und mahnt heute an den '''Schulhof''' und seine Geschichte nur noch ein [[Synagogendenkmal|Denkmal]] in der [[Geleitsgasse]], von [[Kunihiko Kato]], aus dem Jahr [[1986]].


== Zeitzeugenberichte ==
== Zeitzeugenberichte ==
====Edgar Rosenberg<ref>aus dem Englischen übersetzt von Chrischmi</ref>====
====Edgar Rosenberg<ref>"Kristallnacht memories", aus dem Englischen übersetzt von Chrischmi</ref>====
"Irgendwann zwischen zwei und fünf wurden am [[wikipedia:Albert Leo Schlageter|Schlageter]]<ref>Schlageter wurde wegen Eisenbahnanschlägen während der Ruhrunruher im Jahr 1923 von der frz. Militärgerichtsbarkeit zum Tode verurteilt und gehörte seitdem zur NS-Hagiographie</ref> Platz alle Juden zusammengetrieben - vom zwei Monate alten Kind unseres Physiklehrers bis zum siebzigjährigen Insassen des jüdischen Hospitals. </br>
"Irgendwann zwischen zwei und fünf wurden am [[Schlageterplatz]]<ref>Schlageter wurde wegen Eisenbahnanschlägen während der Ruhrunruher im Jahr 1923 von der frz. Militärgerichtsbarkeit zum Tode verurteilt und gehörte seitdem zur NS-Hagiographie</ref> alle Juden zusammengetrieben - vom zwei Monate alten Kind unseres Physiklehrers bis zum siebzigjährigen Insassen des jüdischen Hospitals. </br>
...</br>
Nun gehört Fürth zu dieser Art von Städten, wo man immer auf ein bekanntes Gesicht trifft. Jede Menge jüdischer Mitbürger erzählten mir daher, wie dutzende Braunhemden während der Aktionen ein gewisses Maß an peinlicher Berührung offenbarten bis hin zu einem aufgeregten Stottern. Sonderlich solche, die ausgewählt wurden, fünf Uhr morgens bei einer Familie anzuklopfen, von der sie über Jahre hinweg in ihren Bäckereien oder Tabakläden als Kunden unterstützt worden waren. ... Z.B. fand jeder den Kinderarzt Dr. Einhorn sympathisch. Er wurde so sehr gemocht, dass einer der Braunhemdenverbrecher, dessen Kind Einhorn möglicherweise von Scharlach oder Keuchhusten geheilt hatte, zu ihm in dieser Situation sagte: "Nehmen Sie es uns nicht übel, Dr. Einhorn, aber sie haben uns angeordnet, dass wir hier etwas zerstören sollen. Gibt es etwas Spezielles, dass Ihnen nichts ausmachen würde, wenn wir es kaputt machen?" - Zufälligerweise hatte Dr. Einhorn ein Familienerbstück, eine fürchterlich anzusehende, aber teure chinesische Vase. Sie war ihm bei seiner zweiten Verheiratung untergeschoben worden und ihr Aussehen kam ihm jetzt gewissermaßen gerade recht. "Ja, Herr Zolleis," sagte Einhorn "tun Sie mir den Gefallen und zerschmeißen dieses fürchterliche Ding." Nachdem Zolleis das Erbstück pflichtgemäß zerschmettert hatte, gaben er und seine Kumpane Fersengeld.<ref>Später wanderte Einhorn nach [[wikipedia:Washington Heights (New York City)|Washington Heights (New York City)]] aus und lebte nur noch dafür um diese Geschichte auf einer Parkbank im [[wikipedia:Fort Tryon Park|Fort Tyron Park]] jedem zu erzählen, die sie nur hören wollte.</ref> </br>
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Nun gehört Fürth zu dieser Art von Städten, wo man immer auf ein bekanntes Gesicht trifft. Jede Menge jüdischer Mitbürger erzählten mir daher, wie dutzende Braunhemden während der Aktionen ein gewisses Maß an peinlicher Berührung offenbarten bis hin zu einem aufgeregten Stottern. Sonderlich solche, die ausgewählt wurden, fünf Uhr morgens bei einer Familie anzuklopfen, von der sie über Jahre hinweg in ihren Bäckereien oder Tabakläden als Kunden unterstützt worden waren. ... Z.B. fand jeder den Kinderarzt Dr. Einhorn sympathisch. Er wurde sosehr gemocht, dass einer der Braunhemdenverbrecher, dessen Kind Einhorn möglicherweise von Scharlach oder Keuchhusten geheilt hatte, zu ihm in dieser Situation sagte: "Nehmen Sie es uns nicht übel, Dr. Einhorn, aber sie haben uns angeordnet, dass wir hier etwas zerstören sollen. Gibt es etwas Spezielles, dass Ihnen nichts ausmachen würde, wenn wir es kaputt machen?" - Zufälligerweise hatte Dr. Einhorn ein Familienerbstück, eine fürchterlich anzusehende, aber teure chinesische Vase. Sie war ihm bei seiner zweiten Verheiratung untergeschoben worden und ihr Aussehen kam ihm jetzt gewissermaßen gerade recht. "Ja, Herr Zolleis," sagte Einhorn "tun Sie mir den Gefallen und zerschmeißen dieses fürchterliche Ding." Nachdem Zolleis das Erbstück pflichtgemäß zerschmettert hatte, gaben er und seine Kumpane Fersengeld.<ref>Später wanderte Einhorn nach [[wikipedia:Washington Heights (New York City)|Washington Heights (New York City)]] aus und lebte nur noch dafür um diese Geschichte auf einer Parkbank im [[wikipedia:Fort Tryon Park|Fort Tyron Park]] jedem zu erzählen, die sie nur hören wollte.</ref>
Ungefähr um 5.30 Uhr wurde den Juden befohlen sich in Richtung des [[Schulhof|Schulhofs]] zu drehen. Der Himmel hatte sich dunkelrot gefärbt: die Synagogen brannten. Und just in diesem Augenblick trat der zeitgeschichtlich bedingte religiöse Zwiespalt zwischen uns in schauriger Weise wieder auf, der selbst in Tagen der Heimsuchung nicht verschwand. Die zur [[Neuschul]], zur [[Mannheimer Schul]] und zur [[Klausschul]] gehörigen, orthodoxen Juden stimmten in ein herzergreifendes Wehklagen über ihr brennendes Bet Knesset, was aber die Reformjuden ängstigte und schreckte, da sie fürchteten, dass die frommen Klageschreie die SA-Truppen noch mehr in Rage bringen würde bis zum Blutbad. Darin war aber wohl eine Überreaktion zu sehen. </br>
Ungefähr um 5.30 Uhr wurde den Juden befohlen sich in Richtung des [[Schulhof|Schulhofs]] zu drehen. Der Himmel hatte sich dunkelrot gefärbt: die Synagogen brannten. Und just in diesem Augenblick trat der zeitgeschichtlich bedingte religiöse Zwiespalt zwischen uns in schauriger Weise wieder auf, der selbst in Tagen der Heimsuchung nicht verschwand. Die zur [[Neuschul]], zur [[Mannheimer Schul]] und zur [[Klausschul]] gehörigen, orthodoxen Juden stimmten in ein herzergreifendes Wehklagen über ihr brennendes Bet Knesset, was aber die Reformjuden ängstigte und schreckte, da sie fürchteten, dass die frommen Klageschreie die SA-Truppen noch mehr in Rage bringen würde bis zum Blutbad. Darin war aber wohl eine Überreaktion zu sehen. </br>
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====Willi Adelhardt====
====Willi Adelhardt====
''Als damals 10-jähriger bin ich bis zum [[Goldener Schwan|Goldenen Schwan]] gelaufen, als es hieß, dass es in der Altstadt brenne. Das Areal südlich der Königstraße war abgesperrt. Am [[Löwenplatz]] sah ich, wie aus der Bäckerei eines jüdischen Inhabers Brot und Semmeln auf die Straße geworfen wurden. Fenster waren und wurden eingeworfen. Ich konnte nicht begreifen, warum mit den jüdischen Bürgern derart umgegangen wurde. Und dass selbst Grabsteine im jüdischen Friedhof umgeworfen wurden. Ich selbst hatte nur die besten Erfahrungen, so mit dem Kinderarzt Dr. Hollerbusch. Dieser wohnte in der [[Königstraße]] beim Judengässla und hat mich behandelt.''<ref>Zeitzeugenbericht, [[FürthWiki:Über FürthWiki#Archiv FürthWiki|Archiv FürthWiki]], Aktennr. '22'</ref>
''Als damals 10-jähriger bin ich bis zum [[Goldener Schwan|Goldenen Schwan]] gelaufen, als es hieß, dass es in der Altstadt brenne. Das Areal südlich der Königstraße war abgesperrt. Am [[Löwenplatz]] sah ich, wie aus der Bäckerei eines jüdischen Inhabers Brot und Semmeln auf die Straße geworfen wurden. Fenster waren und wurden eingeworfen. Ich konnte nicht begreifen, warum mit den jüdischen Bürgern derart umgegangen wurde. Und dass selbst Grabsteine im jüdischen Friedhof umgeworfen wurden. Ich selbst hatte nur die besten Erfahrungen, so mit dem Kinderarzt Dr. Hollerbusch. Dieser wohnte in der [[Königstraße]] beim Judengässla und hat mich behandelt.''<ref>Zeitzeugenbericht, [[FürthWiki:Über FürthWiki#Archiv FürthWiki|Archiv FürthWiki]], Aktennr. '22'</ref>
====Kuntermann<ref>[https://www.fuerthwiki.de/wiki/index.php?title=Seite:Kuntermann_1938.pdf/56 Kuntermann 1938, S 56]</ref>====
''Freitag, 11. November 1938 In Fürth wurde in der "Reichskristallnacht" die Synagoge angezündet, nachdem am Nachmittag schon ein Brandbeschleuniger in das Innere gebracht wurde. Die Synagoge wurde vollständig eingeäschert. Die Feuerwehr verhinderte nur ein Übergreifen des Feuers auf benachbarte Gebäude. Die Schaufenster jüdischer Geschäfte wurden eingeschlagen, Fensterscheiben in jüdischen Wohnungen ebenfalls. Darüber hinaus wurden häufig Mobiliar und sonstiger Hausrat zerstört. Die jüdischen Bewohner trieb man am Schlageterplatz zusammen. Sie mussten dort die Nacht über ausharren. Originalton FA: "Die Mischpoke ist in der Tat das Böse, das fortzeugend Böses nur gebären kann." Kristall-Palast: "Diskretion Ehrensache" mit Heli Finkenzeller und Theo Lingen.''
====Berichtsakte====
Am 9. November 1938 wurden zwei SA-Angehörige gegen zwei Uhr morgens geweckt und zum [[Schlageterplatz]] befohlen, ein weiterer SA-Angehöriger hatte lediglich erfahren, dass Alarm sei und sich irrtümlich zum Sturmlokal "Zum Grünen Baum" begeben. Unterwegs erfuhr er von seinem Irrtum, die zwei SA-Angehörigen trafen ihn später unterwegs an. Auf dem Schlageterplatz hielt der SA-Standartenführer eine Rede, die die beiden SA-Angehörigen anhörten. Einer von ihnen erhielt kurz darauf den Befehl, die Familien Philipp in der Karolinenstraße 50 und Salamander in der Karolinenstraße 24 festzunehmen. Der zweite SA-Angehörige kam mit, um die Familie Koschland in der Simonstraße festzunehmen. Unterwegs trafen sie auf den SA-Angehörigen, der irrigerweise zum Sturmlokal unterwegs gewesen war. Dieser erhielt nun den Auftrag, zunächst den einen SA-Mann zu begleiten, dann in die Karolinenstraße zu kommen. Die zwei SA-Angehörigen gingen zunächst zum Anwesen Simonstraße 6<ref>Hier dürfte es sich um eine Verwechslung bzw. Irritation im Straßennamen handeln. Die Familie Koschland wohnte in der [[Karolinenstraße 6]] und der festgenommene [[Jakob Koschland]] ist gut bezeugt</ref>
. Die Familie Koschland wurder von ihnen zum Schlageterplatz beordert, ein SA-Angehöriger führte sie dorthin. Ein anderer SA-Angehöriger ging zum Anwesen Karolinenstraße 50, wo ein weiterer SA-Angehöriger die Familie Philipp zum Mitkommen zum Schlageterpkatz aufgefordert hatte. Auch sie folgten ohne Widerstand. Ein SA-Mann wurde vor der Wohnung bis gegen 7 Uhr morgens postiert. Zwei SA-Angehörige verhafteten anschließend die Familie Salamander aus der Karolinenstraße 24 und brachten sie zum Schlageterplatz. Zu Misshandlungen der Festgenommenen kam es nicht.<ref>NaziCrimesAtlas zu Thema Fürth zitiert: Staatsarchiv Nürnberg - GStAnw beim OLG Nürnberg 144 - Berichtsakt (11 Bl.) mit eidesstattlicher Versicherung von [[Leo Rosenthal]] vom Dezember 1945</br>
Staatsarchiv Nürnberg - AG Fürth, Abg. 1985, Nr. 1626 - 1. Bd. Hauptakten (58 Bl.)</ref>
Ausschreitungen gegen Juden im Rahmen des Pogroms am 9./10. November 1938 in Fürth. Der Täter begab sich auf Befehl seines SA-Sturmführers gegen 6 Uhr morgens am 10. November 1938 zum Alarmplatz und dann im Auftrag des SA-Standartenführers in die Wohnung des Juden [[Josef Midas]] in der Bahnhofstraße in Fürth, nahm diesen fest und führte ihn zum Alarmplatz. Der Täter war geständig.<ref>NaziCrimesAtlas zu Thema Fürth zitiert: Staatsarchiv Nürnberg - StAnw. Nürnberg 2616 - Hauptakt (45 BL.), Handakten (unblattiert, ca. 30. Bl.)</ref>
Ausschreitungen gegen Juden im Rahmen des Pogroms am 10. November 1938 in Fürth, widerrechtliche Festnahme und Misshandlung jüdischer Bürger, Straftaten im Zusammenhang mit der sogenannten "Arisierung" jüdischen Vermögens zwischen Mai und Dezember 1928.</br>
In Fürth brachte die SA am 10. November 1938 alle männlichen Juden Fürths - etwa 500 bis 600 Personen - ins [[Berolzheimerianum]], einem früheren Konzertsaal. Die über 65 Jahre alten Juden wurden gegen Mittag entlassen, die Polizei entschied gegen Abend, welche der anderen männlichen Juden nach Hause entlassen und welche ins KZ Dachau kommen sollten. Im Berolzheimerianum wurden an diesem Tag mehrere Juden misshandelt. Ein Täter ging zu dem Juden Baumann und sagte ihm: "Kennst Du mich nimmer; Du weißt doch, was los ist. Das in der Wirtschaft Bayer mit den Christenmädels, das hört jetzt auf." Baumann erwiderte, er wisse von nichts, woraufhin der Täter ihn ohrfeigte. Als dieser hinfiel, trat er auf den am Boden liegenden Baumann ein. Ein Jude namens Friedmann, der helfen kommen wollte, wurde von dem Täter mit den Worten "Rühr Dich ja nichts, sonst kommst Du auch dran." zurückgewiesen. Andere Juden schlug er mit einem Gummiknüppel oder einer Rute. Andere SA-Leute misshandelten Juden, indem sie sie über Tische springen liessen. Ein weiterer Täter begab sich ebenfalls ins Berolzheimerianum und misshandelte Juden durch Stöße oder Tritte mit dem Fuß. Wieder ein anderer Täter erhielt den Auftrag von einem SA-Mann, den Juden Heinrich Wild zu holen. Wild folgte ihnen ohne Widerspruch. Im Berolzheimerianum schnitten sie Wild mit einer Nagelschere mit den Worten "Jetzt kommen Deine Kommunistenlocken herunter!" einen großen Teil der Haare ab.</br> Der stellvertretende Gauleiter Holz hatte einen Täter mit der "Arisierung" beauftragt und war seit Mai 1938 daran beteiligt, ebenso ein Grundstücksmakler. Jüdische Grundstückseigentümer wurden aufs Rathaus geladen oder dorthin von SA-Leiten gebracht. Die Täter nötigten die Juden, ihr Grundeigentum durch Verträge der Gauleitung zu 10 % des Einheitswertes anzubieten. Willigten sie ein, wurde alles sofort notariell beurkundet, weigerten sie sich, wurden sie in den Keller gebracht und dort von SA-Leuten misshandelt. Dies betraf u.a. Otto Berlin, [[Josef Midas]], [[Lothar Midas]], Ida Herzfelder, Theodor und Eduard Herzfelder, [https://www.geni.com/people/Max-Ellern-Eichmann/6000000006412257065 Max] und [https://www.geni.com/people/Martin-Ellern-Eichmann/6000000056822433896 Martin] Eichmann. Im Rathaus wurden mehr als 200 Urkunden erstellt, dabei wurden ca. 510 jüdische Grundstücke "arisiert". Für die "Arisierung" gab es bis zum 3. Dezember 1938 - Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens - keine rechtliche Grundlage. Ziel des Vorgehens der Täter war die Vermehrung des Vermögens der Gauleitung Franken. Die Differenz zwischen dem an die Juden zu entrichtenden Kaufpreis und dem Preis, den "arische" Erwerber zahlen sollten, sollte dem Sonderkonto Holz gutgeschrieben werden. Die Maklergebühren sollten von den Verkäufern getragen werden. Bei Grundstücken, die von "Ariern" von Juden vor dem 9. November 1938 erworben worden waren, wurde der Kaufpreis nachträglich herabgesetzt, so daß der Käufer nur 10 % an den jüdischen Verkäufer, die restlichen 90 % an die Gauleitung zu zahlen hatte.<ref>NaziCrimesAtlas zu Thema Fürth zitiert: Staatsarchiv Nürnberg - GStAnw beim OLG Nürnberg 145 - Berichtsheft (8 Bl.), Staatsarchiv Nürnberg - GStAnw 2596/I-V - 5 Bde.; Hauptakten (607 Bl.), Handakt (ca. 200 Bl.), Hand-, Sammelakten (ca. 300 Bl.), Staatsarchiv Nürnberg - GStAnw beim OLG Nürnberg 222 - Berichtsakt (141 Bl.)</ref>
====Zeitgenössisches Zeugnis über den Novemberpogrom aus den Sammlungen Alfred Wieners und seiner Kollegen am JCIO in Amsterdam in Deutschland und Österreich<ref>[https://www.pogromnovember1938.co.uk/viewer/ The Wiener Library]</ref>====
* ''In Fürth sind die Juden ins Theater getrieben, der Zuhörerraum verdunkelt und ein Teil der Anwesenden auf der erhellten Bühne verprügelt.''<ref>siehe dazu die zeitgenössischen Zeugnisse und Berichte über den Novemberpogrom in Deutschland und Österreich aus den Sammlungen Alfred Wieners und seiner Kollegen am JCIO in Amsterdam, hier: [https://www.pogromnovember1938.co.uk/viewer/rest/pdf/mets/93796.xml/93796.pdf?watermarkText=The+Wiener+Library B.116.] Bericht über Vorkommnisse in der Reichspogromnacht zu Fürth</ref>
* The Wiener Library: [https://www.pogromnovember1938.co.uk/viewer/fulltext/93926/de/ Report regarding the November Pogrom in various towns in Franconia] darunter etliche Zeugnisse aus Fürth
* The Wiener Library: „[https://www.pogromnovember1938.co.uk/viewer/fulltext/93742/de/ Report by Dr. Franz Bergmann, Amsterdam, regarding the November Pogrom events in Nuremberg]“. Die Stadt X = Fürth, u.a. werden die Umstände im [[Jüdisches Krankenhaus|Jüdischen Krankenhaus]] Fürth geschildert mit den Misshandlungen des frisch operierten [[Fritz Lorch]], infolge dessen sich seine Operationswunde wieder öffnete und er daran starb.
* The Wiener Library: „[https://www.pogromnovember1938.co.uk/viewer/fulltext/93837/de/ Report regarding the run up to the November Pogrom, the event itself and its aftermath in Frankonia]“. Neben Schilderungen von Verwüstungen wird auch der Tod von [[Fritz Lorch]] erwähnt, hier aber als Schlaganfallfolge.
*  The Wiener Library: „[https://www.pogromnovember1938.co.uk/viewer/fulltext/79395/de/ Report regarding mistreatment and arrests during the November Pogrom]“. Der Tod von [[Fritz Lorch]] wird hier mit Embolie gedeutet.


== Literatur ==
== Literatur ==
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* [[Manfred Mümmler]]: ''Der Pogrom zu Fürth. Die Nacht vom [[9. November|9.]] auf den [[10. November]] [[1938]]''. In: Fürther Heimatblätter, [[1988]]/4, S.101 - 112
* [[Manfred Mümmler]]: ''Der Pogrom zu Fürth. Die Nacht vom [[9. November|9.]] auf den [[10. November]] [[1938]]''. In: Fürther Heimatblätter, [[1988]]/4, S.101 - 112
* Manfred Mümmler: ''Der Progrom 1938'' in [[Fürth 1933 - 1945 (Buch)|Fürth 1933 - 1945]]. Emskirchen: Verlag Maria Mümmler, 1995, 224 S., ISBN 3-926477-13-X; Seite 148 ff
* Manfred Mümmler: ''Der Progrom 1938'' in [[Fürth 1933 - 1945 (Buch)|Fürth 1933 - 1945]]. Emskirchen: Verlag Maria Mümmler, 1995, 224 S., ISBN 3-926477-13-X; Seite 148 ff
* Lothar Berthold, Peter Krauss, Andy Reum, Josh Reuter (Redaktion): ''„Kristallnacht“ in Fürth'' In: Sondernummer der Fürther Freiheit, Fürth: (ehemals Wissenschaftlich-Publizistischer Verlag) heute: „Städtebilderverlag Fürth“, Postfach 1212, 90702 Fürth V.i.S.d.P.: Andy Reum, Erlanger Str. 71, 8510 Fürth - [http://www.fen-net.de/michael.stelter/hinweis.html im Internet]
* Lothar Berthold, Peter Krauss, Andy Reum, Josh Reuter (Redaktion): ''„Kristallnacht“ in Fürth'' In: Sondernummer der Fürther Freiheit, Fürth: (ehemals Wissenschaftlich-Publizistischer Verlag) heute: „Städtebilderverlag Fürth“, Postfach 1212, 90702 Fürth V.i.S.d.P.: Andy Reum, Erlanger Str. 71, 8510 Fürth - [http://www.fen-net.de/michael.stelter/hinweis.html online]
* Eckert, Alfred: In welchem Ghetto warst Du denn als Kind, Mutti? - Zum Gedenken an den 70. Jahrestag der ersten Deportationen von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern aus Fürth und Franken. In: Altstadtbläddla, Altstadtverein St. Michael Fürth, Ausgabe 45, 2011/12
* Eckert, Alfred: In welchem Ghetto warst Du denn als Kind, Mutti? - Zum Gedenken an den 70. Jahrestag der ersten Deportationen von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern aus Fürth und Franken. In: Altstadtbläddla, Altstadtverein St. Michael Fürth, Ausgabe 45, 2011/12
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==Weblinks==
==Weblinks==
* Edgar Rosenberg: "Kristallnacht Memories" [https://haitiholocaustsurvivors.wordpress.com/anti-semitism/kristallnacht/kristallnacht-memories-of-edgar-rosenberg/ online verfügbar] aus Fürth
* Edgar Rosenberg: "Kristallnacht Memories" [https://haitiholocaustsurvivors.wordpress.com/anti-semitism/kristallnacht/kristallnacht-memories-of-edgar-rosenberg/ online] aus Fürth
* "Die Reichspogromnacht 1938: Gewalt gegen Juden in Franken" mit 14 Bildern [https://www.nordbayern.de/region/die-reichspogromnacht-1938-gewalt-gegen-juden-in-franken-1.2493740 Nordbayern] vom 9. November 2016
* "Die Reichspogromnacht 1938: Gewalt gegen Juden in Franken" mit 14 Bildern, Onlineportal nordbayern.de, Verlag Nürnberger Presse, vom 9. November 2016 ([https://www.nordbayern.de/region/die-reichspogromnacht-1938-gewalt-gegen-juden-in-franken-1.2493740 Online]) - ''allerdings mit etlichen Recherchefehlern''<ref>z. B. Streicher hielt eine Kundgebung ab am 10. August 1938 zum Beginn des Abrisses der Hauptsynagoge (nicht der Synagoge in der Essenweinstraße); von Obernitz war in Fürth und nicht in Nürnberg</ref>
* Chajms Sicht: Unfassbare Bilder der Pogromnacht - [https://www.sprachkasse.de/blog/tag/fuerth/ online abrufbar]
* Chajms Sicht: Unfassbare Bilder der Pogromnacht, Chajm Guski - [https://www.sprachkasse.de/blog/2018/11/10/unfassbare-bilder-der-pogromnacht/ Online]
* Solveig Grothe: ''Was ist das Besondere an den neuen Bildern aus der "Kristallnacht"?'' in: [https://www.spiegel.de/geschichte/reichspogromnacht-1938-neue-fotografien-aus-der-kristallnacht-aufgetaucht-dokumente-des-grauens-a-772f8be4-461d-4ad9-99f6-8974e18293fb SPIEGEL] vom 11. November 2022
* Solveig Grothe: ''Was ist das Besondere an den neuen Bildern aus der "Kristallnacht"?'' in: [https://www.spiegel.de/geschichte/reichspogromnacht-1938-neue-fotografien-aus-der-kristallnacht-aufgetaucht-dokumente-des-grauens-a-772f8be4-461d-4ad9-99f6-8974e18293fb SPIEGEL] vom 11. November 2022
* ''Unseen Kristallnacht photos published 84 years after Nazi pogrom'' in: [https://www.theguardian.com/world/2022/nov/09/unseen-kristallnacht-photos-published-84-years-after-nazi-pogrom The Guardian] vom 9. November 2022
* ''Unseen Kristallnacht photos published 84 years after Nazi pogrom'' in: [https://www.theguardian.com/world/2022/nov/09/unseen-kristallnacht-photos-published-84-years-after-nazi-pogrom The Guardian] vom 9. November 2022
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== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]
* [[Fiorda]]
* [[Fiorda]]
* [[Synagogendenkmal]]
* [[Synagogendenkmal]]
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{{Bilder dieses Ereignisses}}
{{Bilder dieses Ereignisses}}


[[Kategorie: Religiöse Einrichtungen]]
[[Kategorie:Religiöse Einrichtungen]]
[[Kategorie: Innenstadt]]
[[Kategorie:Innenstadt]]
[[Kategorie: Fiorda]]
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