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==Volkssänger in Wirtschaften==
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Mitte des 19. Jahrhunderts zogen Bänkelsänger und Deklamatoren als besondere Typen von Wirtschaft zu Wirtschaft. Einer von ihnen war Stümpfla, der Volkssänger.
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Von Beruf war er Schuster und reparierte Schuhe und Stiefel. Nach 16 Uhr putzte er sich auf das originellste heraus, nahm die Gitarre zur Hand und wanderte von Wirtschaft zu Wirtschaft. Er wurde überall freudig begrüßt. Er brachte stets neue Lieder und Schnurren, die er während der Arbeit in seiner Werkstatt gereimt hatte. Seine Couplets über aktuelle und politische Begebenheiten kamen beim Publikum an, insbesondere bei den geselligen Vereinen in deren Stammkneipen. Das dankbare Auditorium gab dem Stümpfla gutes Geld. Stümpfla wurde mit Gedichten vom Fürther Volksdichter Drechslermeister Johann Jobst Vollmer unterstützt.
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Ignaz Stümpfle wohnte in der Schindelgasse. Er war als Handwerksbursche nach Fürth gekommen und hatte als fleißiger Gesell die Zustimmung seines Meisters gefunden, dessen schon etwas überständige Tochter zu heiraten. An den Wochenenden betätigte er sich als „Volkssänger“. Unter der Woche befasste er sich nicht nur damit, die Schuhe seiner Kundschaft zu flicken und zu besohlen, sondern er war höchst interessiert an allem, was sich so in der Stadt ereignete. Er griff zur Feder und brachte das, was er an Neuigkeiten und Bürgerklatsch hatte erfahren können, in nicht gerade kunstvolle, aber heiter bis ironisch gestimmte „Verschli“. Jeden Samstag und Sonntag, angetan mit seinem besten Gewand, einen keineswegs neuen Zylinderhut auf dem Kopf, und seine Gitarre in der Hand, suchte er die Wirtschaften der unteren Stadt auf und trug mit wohlklingendem Tenor und immer nach der gleichen Volksmelodie seine gereimten Verse als „Singendes Tagblättla“ vor.
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Seinen Namen trug er nicht zu Unrecht, denn alles war stumpf, rund und plump an der kleinen gedrungenen Gestalt. Er sang seine humorvollen, ein wenig holprigen und nicht gerade dezenten Spottverse und war als „Alleinunterhalter“ recht beliebt.
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Da der Stümpfle aber gelegentlich eine recht spitze Feder hatte und seine Zuhörer auch nicht empfindlich waren, ging er manchmal zu weit. Dies war der Fall mit einem Liedvers, mit dem die jüdische Jugend der Stadt lächerlich gemacht werden sollte. Eine andere Version lautete, er habe eine Travestie der Zedlitzschen Dichtung „Napoleons nächtliche Heerschau“ vorgetragen, die sich in der Spitze gegen die Judenschaft richtete. Doch der Schuss ging nach hinten los. Die Fürther, die seit eh und je ein gutes Verhältnis zu den jüdischen Mitbürgern hatten, lehnten die Verunglimpfung ab. Oberrabbiner Dr. Isaak Loewi, dem die Sache zu Ohr gekommen war, ließ Stümpfle zu sich kommen. Auf die Frage „Nun, Meister, wie geht es denn immer““ antwortete dieser „Schlecht, bei diesen schlechten Zeiten“. „Aber Sie singen in den Gasthäusern doch so schöne Lieder und verdienen dabei auch etwas“ sagte Loewi. Stümpfle verstand die Anspielung und verstummte verlegen. Darauf fragte Loewi: „Haben Sie Zeit und Lust zur Arbeit, lieber Meister? Ich hätte was für Sie“. Stümpfle bejahte und der Oberrabbiner sagte: „Das freut mich. Dort steht ein ganzer Korb voll defekter Stiefel und Schuhe unserer Schuljugend. Das gibt Ihnen längere Zeit Arbeit und wir wollen Sie gut bezahlen“. Der Schuster bedankte sich beschämt für den umfangreichen Auftrag und zog mit dem Korb ab.
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Der Meister Stümpfle begnügte sich fortan mit weniger aggressiven Reimen, aber er sang noch viele Jahre lang zu seinem Nutzen und zur Freude der Zuhörer.
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Quelle: Fürther Tagblatt vom 3.5.1927, Artikel von Georg Wüstendörfer.
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==Einzelnachweise==
 
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