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===Genaueres über das Unglück aus der Rieß-Chronik===
 
===Genaueres über das Unglück aus der Rieß-Chronik===
 
Über den Brand im Pulvermagazin (Munitionsfabrik) am 25. April 1917 und die Ursachen berichtete Paul Rieß in seiner Chronik im Stadtarchiv (S. 89 f.):  
 
Über den Brand im Pulvermagazin (Munitionsfabrik) am 25. April 1917 und die Ursachen berichtete Paul Rieß in seiner Chronik im Stadtarchiv (S. 89 f.):  
Es war ¾ 10 Uhr als sich die Kunde von einem schrecklichen, grässlichen Explosionsunglück im hiesigen Pulvermagazin an der Schwabacher Straße mit Windeseile in der Stadt verbreitete. Die Feuerwehren von Fürth und Nürnberg und die Sanitätsmannschaften eilten zur Unfallstelle. Ebenso viele Ärzte. Großfeuer war gemeldet. Vor der Feuerwehrzentrale wurden die Pferde von gerade vorbeifahrenden Fuhrwerken ausgespannt, um die Geräte der Wehr zu befördern.  
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Es war ¾ 10 Uhr als sich die Kunde von einem schrecklichen, grässlichen Explosionsunglück im hiesigen Pulvermagazin an der Schwabacher Straße mit Windeseile in der Stadt verbreitete. Die Feuerwehren von Fürth und Nürnberg und die Sanitätsmannschaften eilten zur Unfallstelle. Ebenso viele Ärzte. Großfeuer war gemeldet. Vor der Feuerwehrzentrale wurden die Pferde von gerade vorbeifahrenden Fuhrwerken ausgespannt, um die Geräte der Wehr zu befördern.
Über die Entstehung des Unglücks wurde berichtet: In einem Arbeitssaal, in dem zirka 60 meist weibliche Personen mit dem Füllen von Schrapnells beschäftigt waren, war kurz nach der Frühstückspause auf ungeklärte Weise Feuer ausgebrochen. Es tat einen dumpfen Knall und der ganze Saal stand im Nu in hellen Flammen. Der Vorarbeiter des Saales schrie: „Retten“ und sprang durch ein Fenster. Eine Arbeiterin ihm nach. Die Anderen drängten der Tür zu, die unglücklicherweise nach innen aufging und so den Anstürmenden den Ausgang versperrte. Von den 60 Beschäftigten gelang es nur 9 dem rasenden Element zu entrinnen. 10 konnten mit zum Teil sehr schweren Brandwunden noch lebend den Flammen entrissen werden. Sie wurden mit Sanitäts- und Handwagen in die städtischen Krankenhäuser nach Fürth und Nürnberg verbracht. 43 Personen fanden sofort den Feuertod, schrecklich verbrannt, zu unkenntlichen Klumpen verkohlt, wurden sie später aus dem rauchenden Trümmern hervorgezogen. Darunter befand sich ein Soldat, der kurz zuvor den Saal erst betreten hatte, um sich das Füllen anzusehen.  
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Über die Entstehung des Unglücks wurde berichtet: In einem Arbeitssaal, in dem zirka 60 meist weibliche Personen mit dem Füllen von Schrapnells beschäftigt waren, war kurz nach der Frühstückspause auf ungeklärte Weise Feuer ausgebrochen. Es tat einen dumpfen Knall und der ganze Saal stand im Nu in hellen Flammen. Der Vorarbeiter des Saales schrie: „Retten“ und sprang durch ein Fenster. Eine Arbeiterin ihm nach. Die Anderen drängten der Tür zu, die unglücklicherweise nach innen aufging und so den Anstürmenden den Ausgang versperrte. Von den 60 Beschäftigten gelang es nur 9 dem rasenden Element zu entrinnen. 10 konnten mit zum Teil sehr schweren Brandwunden noch lebend den Flammen entrissen werden. Sie wurden mit Sanitäts- und Handwagen in die städtischen Krankenhäuser nach Fürth und Nürnberg verbracht. 43 Personen fanden sofort den Feuertod, schrecklich verbrannt, zu unkenntlichen Klumpen verkohlt, wurden sie später aus dem rauchenden Trümmern hervorgezogen. Darunter befand sich ein Soldat, der kurz zuvor den Saal erst betreten hatte, um sich das Füllen anzusehen.
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Bei der Bergung der Verwundeten und Toten spielten sich herzergreifende Szenen ab. Das Gebäude wurde vom Feuer vollständig zerstört. Undenklich groß wäre das Unglück geworden, wenn das Feuer auf ein anstoßendes Gebäude, in dem eine Unmasse fertiger Granaten gelagert war, übergegriffen hätte.
 
Bei der Bergung der Verwundeten und Toten spielten sich herzergreifende Szenen ab. Das Gebäude wurde vom Feuer vollständig zerstört. Undenklich groß wäre das Unglück geworden, wenn das Feuer auf ein anstoßendes Gebäude, in dem eine Unmasse fertiger Granaten gelagert war, übergegriffen hätte.
 
Das Feuer konnte jedoch auf seinen Herd beschränkt werden. In der Nähe befindliches Pulver und gefüllte Granaten wurden mit Lebensgefahr von den Wehrleuten und Arbeitern in sicheres Gewahrsam gebracht. Kurz nach 12 Uhr erschien der Kommandierende General, Exzellenz Freiherr von Könitz, an der rauchenden Unglücksstätte und verweilte längere Zeit dort. In unserer Stadt sah man mittags in allen Straßen Leute beisammen stehen, die das Unglück lebhaft besprachen. Die Anteilnahme der gesamten Bevölkerung an der furchtbaren Katastrophe war groß. Die Verunglückten und Toten waren zum großen Teil Angehörige von Kriegern. Zwei Kinder, deren Vater am Tag darauf ins Feld gehen musste, verloren ihre Mutter. Ein junger Soldat, welcher sich erst Kriegstrauen ließ und wieder an die Front muss, seine Gattin usw. […]
 
Das Feuer konnte jedoch auf seinen Herd beschränkt werden. In der Nähe befindliches Pulver und gefüllte Granaten wurden mit Lebensgefahr von den Wehrleuten und Arbeitern in sicheres Gewahrsam gebracht. Kurz nach 12 Uhr erschien der Kommandierende General, Exzellenz Freiherr von Könitz, an der rauchenden Unglücksstätte und verweilte längere Zeit dort. In unserer Stadt sah man mittags in allen Straßen Leute beisammen stehen, die das Unglück lebhaft besprachen. Die Anteilnahme der gesamten Bevölkerung an der furchtbaren Katastrophe war groß. Die Verunglückten und Toten waren zum großen Teil Angehörige von Kriegern. Zwei Kinder, deren Vater am Tag darauf ins Feld gehen musste, verloren ihre Mutter. Ein junger Soldat, welcher sich erst Kriegstrauen ließ und wieder an die Front muss, seine Gattin usw. […]
 
In Anbetracht des großen Brandunglücks, von dem unsere Stadt heimgesucht wurde, unterblieb die Anordnung, dass die Gebäude beflaggt und die Glocken geläutet wurden. Nur die staatlichen Gebäude hatten geflaggt.
 
In Anbetracht des großen Brandunglücks, von dem unsere Stadt heimgesucht wurde, unterblieb die Anordnung, dass die Gebäude beflaggt und die Glocken geläutet wurden. Nur die staatlichen Gebäude hatten geflaggt.
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Unterm 26. April vermerkt Rieß: Die 43 Leichen der armen Opfer des Brandunfalls wurden in vergangener Nacht in einem Möbelwagen nach dem Friedhof geschafft und in der dortigen alten Leichenhalle auf Stroh gelegt. Da die meisten Leichen durch Verkohlen sehr entstellt sind, nur einige sind an Ringen oder Stoffresten noch erkennbar, wurden diejenigen, die Angehörige vermissen, von der Polizei aufgefordert, sich ungesäumt im Rathaus Zimmer Nr. 80 einzufinden, damit Namen der Leichen festgestellt werden können. Heute Vormittag weilte eine Kommission vom Kgl. Kriegsministerium an der Unfallstelle. Von den im städtischen Krankenhaus untergebrachten Personen sind im Laufe der vergangenen Nacht 8 unter grässlichen Schmerzen ihren Verletzungen erlegen.  
 
Unterm 26. April vermerkt Rieß: Die 43 Leichen der armen Opfer des Brandunfalls wurden in vergangener Nacht in einem Möbelwagen nach dem Friedhof geschafft und in der dortigen alten Leichenhalle auf Stroh gelegt. Da die meisten Leichen durch Verkohlen sehr entstellt sind, nur einige sind an Ringen oder Stoffresten noch erkennbar, wurden diejenigen, die Angehörige vermissen, von der Polizei aufgefordert, sich ungesäumt im Rathaus Zimmer Nr. 80 einzufinden, damit Namen der Leichen festgestellt werden können. Heute Vormittag weilte eine Kommission vom Kgl. Kriegsministerium an der Unfallstelle. Von den im städtischen Krankenhaus untergebrachten Personen sind im Laufe der vergangenen Nacht 8 unter grässlichen Schmerzen ihren Verletzungen erlegen.  
 
In der Magistratssitzung am 26. April führte Oberbürgermeister Dr. Wild aus, dass durch einen noch nicht aufgeklärten Pulverbrand eine außerordentlich große Anzahl von blühenden Menschenleben verstarb. […] All diese verbrannten und verunglückten Personen haben in Fürth bzw. In den umliegenden Städten bzw. Ortschaften ihren Wohnsitz. Dr. Wild erklärte, dass auf dem Friedhof ein Ehrengrab direkt neben den gefallenen Kriegern, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, bereitgestellt wird und die Beisetzung auf Kosten der Stadt in feierlicher Weise vorgenommen werde.
 
In der Magistratssitzung am 26. April führte Oberbürgermeister Dr. Wild aus, dass durch einen noch nicht aufgeklärten Pulverbrand eine außerordentlich große Anzahl von blühenden Menschenleben verstarb. […] All diese verbrannten und verunglückten Personen haben in Fürth bzw. In den umliegenden Städten bzw. Ortschaften ihren Wohnsitz. Dr. Wild erklärte, dass auf dem Friedhof ein Ehrengrab direkt neben den gefallenen Kriegern, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, bereitgestellt wird und die Beisetzung auf Kosten der Stadt in feierlicher Weise vorgenommen werde.
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Die Namen der Opfer des Brandunglücks führt Rieß auf Seite 91 auf. Am 1. Mai wurde das 53. Opfer, die 23-jährige Wally Bezold, beigesetzt. Am 2. Mai starb im Krankenhaus das 54. Opfer der Brand-Katastrophe, der 17-jährige Arbeiter Robert Hofmann. Die Leiche wurde am 8. Mai im Massengrab bestattet.
 
Die Namen der Opfer des Brandunglücks führt Rieß auf Seite 91 auf. Am 1. Mai wurde das 53. Opfer, die 23-jährige Wally Bezold, beigesetzt. Am 2. Mai starb im Krankenhaus das 54. Opfer der Brand-Katastrophe, der 17-jährige Arbeiter Robert Hofmann. Die Leiche wurde am 8. Mai im Massengrab bestattet.
 
Ein Zeitungsartikel auf Seite 94 nennt nach Untersuchung, angeordnet vom bayer. Kriegsministerium, als Ursache des Unglücks im Munitionsbetrieb des Artilleriedepots Fürth: beim Einpressen eines Röhren-Pulverbündels in eine Feldpatronenhülse müsse die Entzündung entstanden sein. Künftig werden gefahrvolle Arbeitsstellen verschalt. Alle Arbeitsräume erhalten mehrere Ausgänge mit leicht zu öffnenden, nach außen aufschlagenden Doppeltüren, sowie nahe zum Boden reichende Fenster, die durch einen leichten Druck der Hand nach auswärts geöffnet werden können.
 
Ein Zeitungsartikel auf Seite 94 nennt nach Untersuchung, angeordnet vom bayer. Kriegsministerium, als Ursache des Unglücks im Munitionsbetrieb des Artilleriedepots Fürth: beim Einpressen eines Röhren-Pulverbündels in eine Feldpatronenhülse müsse die Entzündung entstanden sein. Künftig werden gefahrvolle Arbeitsstellen verschalt. Alle Arbeitsräume erhalten mehrere Ausgänge mit leicht zu öffnenden, nach außen aufschlagenden Doppeltüren, sowie nahe zum Boden reichende Fenster, die durch einen leichten Druck der Hand nach auswärts geöffnet werden können.
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Dem Chronikband des Georg Paul Rieß von 1917 (7. Jahr seiner Aufzeichnungen) liegt auf Seite 90 ein DIN A 4-Blatt bei, datiert vom 14.02.2001 und gefertigt von einem Walter Lutz. Er hält darin die Erinnerungen seiner Mutter Josephine Prexler fest, die in der Munitionsfabrik als Angestellte beschäftigt war. Festgehalten wird, dass Frau Prexler immer von einem Brand und nie von einer Explosion sprach. Bevor sie sich durch eine gesonderte Tür ihres Arbeitsraumes nach außen in Sicherheit bringen konnte, hatte sie andere durch Warnrufe „Es brennt“ alarmiert.
 
Dem Chronikband des Georg Paul Rieß von 1917 (7. Jahr seiner Aufzeichnungen) liegt auf Seite 90 ein DIN A 4-Blatt bei, datiert vom 14.02.2001 und gefertigt von einem Walter Lutz. Er hält darin die Erinnerungen seiner Mutter Josephine Prexler fest, die in der Munitionsfabrik als Angestellte beschäftigt war. Festgehalten wird, dass Frau Prexler immer von einem Brand und nie von einer Explosion sprach. Bevor sie sich durch eine gesonderte Tür ihres Arbeitsraumes nach außen in Sicherheit bringen konnte, hatte sie andere durch Warnrufe „Es brennt“ alarmiert.
 
Erstellt am 23.09.2019, Peter Frank
 
Erstellt am 23.09.2019, Peter Frank
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