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Der jüdische '''Schulhof''' - Israelitischer Schulhof in Fürth war das Gemeindezentrum der altehrwürdigen [[Fiorda|Jüdischen Gemeinde Fürth]].
 
Der jüdische '''Schulhof''' - Israelitischer Schulhof in Fürth war das Gemeindezentrum der altehrwürdigen [[Fiorda|Jüdischen Gemeinde Fürth]].
 
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[[Datei:1 Gänsberg-Plan roh Schulhof.jpg|330px|right|Gänsbergplan; Schulhof ist gelb markiert]]
 
== Begriff ==
 
== Begriff ==
Schulhof hieß er da die jiddisch Bezeichnung der [[Synagoge]], "Schul" ist, hebräisch "Beth ha knesset" - "Haus der Vesammlung". Die "Schul" ist Bet- und Gotteshaus, Lehr- und Versammlunghaus.
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Schulhof hieß er, da die jiddische Bezeichnung der [[Synagoge]] „Schul“ ist, hebräisch „Beth ha knesset“ (בית הכנסת) - „Haus der Versammlung“. Die „Schul“ ist Bet- und Gotteshaus, Lehr- und Versammlungshaus.
    
== Lage ==
 
== Lage ==
Der Schulhof erstreckte sich von der [[Königstraße]] zur [[Mohrenstraße]]. Der Schulhof war mit einer Mauer umgeben und wurde an beiden Straßen mit Toren begrenzt, die nur Nachts verschlossen wurden.
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Der Schulhof erstreckte sich von der [[Königstraße]] zur [[Mohrenstraße]]. Der Schulhof war mit einer Mauer umgeben und wurde an beiden Straßen mit Toren begrenzt, die nur nachts verschlossen wurden. Diese beiden Eingangsportale wurden im Jahr 1853 gebaut<ref>siehe: [[Hugo Barbeck]] in seinem Buch: „[[Geschichte der Juden in Nürnberg und Fürth (Buch)|Geschichte der Juden in Nürnberg und Fürth]]“, S. 91</ref>.
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Die Seitengasse die über den Schulhof zwischen der [[Königstraße]] und der [[Mohrenstraße]] führte, nannte man deshalb auch '''Israelitischer Schulhof''', die Umbenennung erfolgte am [[14. Mai]] [[1889]].
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Die Seitengasse, die über den Schulhof zwischen der [[Königstraße]] und der [[Mohrenstraße]] führte, nannte man deshalb auch '''Israelitischer Schulhof''', die Umbenennung erfolgte am [[14. Mai]] [[1889]].
    
== Geschichte ==
 
== Geschichte ==
[[Bild:Pogromnacht.jpg|thumb|right|Ruine des Schulhofs nach der Pogromnacht]]
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[[Bild:Pogromnacht.jpg|mini|right|Ruine des Schulhofs nach der Pogromnacht]]
 
Der Schulhof entstand ab [[1617]] mit dem Bau der ersten Synagoge, die später sogenannte Altschul, der Hauptsynagoge und Lehrstätte des Oberrabbiner. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus das jüdische Gemeindezentrum mit allem was zum jüdisch Sein gehört.
 
Der Schulhof entstand ab [[1617]] mit dem Bau der ersten Synagoge, die später sogenannte Altschul, der Hauptsynagoge und Lehrstätte des Oberrabbiner. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus das jüdische Gemeindezentrum mit allem was zum jüdisch Sein gehört.
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Im Schulhof gab es zu der "Altschul" von 1617, da die Gemeinde schnell weiter wuchs die "Neuschul" von [[1697]] und die privaten Stiftungen "[[Talmudschule|Klausschul]]" von [[1708]] und die "Mannheimer Schul" von [[1896]].
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Im Schulhof gab es zu der „[[Altschul]]“ von 1617, da die Gemeinde schnell weiter wuchs die „[[Neuschul]]“ oder „[[Kaalsschul]]“ von [[1697]] und die privaten Stiftungen [[Talmudschule|Klausschul]]von [[1708]] und die „[[Schulhof 5 1/2|Mannheimer Schul]]“ von [[1896]].
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Im Schulhof waren neben den Synagogen mit den Talmudschulen des Weiteren noch Gemeindekanzlei mit Bibliothek, Rabbinerwohnung, Hausmeisterwohnung, Scharre ([[Wikipedia:Schächten|Schächterei]]) und [[Wikipedia:Mikwe|Mikwe]] (Ritualbad). Auch gab es einen koscheren Fleischer.
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Die [[Nationalsozialisten]] zerstörten die Gebäude während und kurz nach dem [[Wikipedia:Novemberpogrome 1938|Novemberpogrom]] von [[1938]], nachdem sie in der Nacht des 10. November die Gebäude in Brand steckten. Nach der Räumung der Trümmer war im Bereich des Schulhofs nur noch eine große Freifläche zu finden, da der "Schulhof" gebrandschatzt und abgerissen worden war.  
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Im Schulhof waren neben den Synagogen desweiteren noch Gemeindekanzlei mit Bibliothek, Rabbinerwohnung, Hausmeisterwohnung, Scharre (Schächterei) und Mikwe (Ritualbad).  
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Aller Grundbesitz der jüdischen Gemeinde Fürth wurde am [[10. November]] [[1938]] de facto enteignet (Kaufpreis für beide Friedhofe und alle Gebäude: 100 RM), sie musste die Kosten der Übertragung in Höhe von 236,50 RM übernehmen, die Grundstücke fielen an die Stadt Fürth. Im Krieg wurde ein Luftschutzbunker auf der Freifläche errichtet.<ref>[[Der alte jüdische Friedhof in Fürth (Buch)]], S. 52.</ref> Nach dem Krieg wurde die Gemeinde "entschädigt".
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Nach dem November-Pogrom von [[1938]] war im Bereich des Schulhof eine große Freifläche geschaffen, da der "Schulhof" abgebrannt und abgerissen worden war. Die Jüdische Gemeinde Fürth wurde enteignet und mußte für die Enteignung noch zahlen, das Grundstück fiel an die Stadt Fürth. Nach dem Krieg wurde die Gemeinde "entschädigt".
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Über die Vorgehensweise bei den Zerstörungen im jüdischen Schulhof gibt es noch genauere Kenntnisse aufgrund der Prozesse gegen die Verantwortlichen in der Nachkriegszeit. Als Handelnde nach der Synagogen-Brandstiftung betätigten sich bei der Beseitigung - auch des Hausmeisterhauses - Angehörige der damaligen Feuerpolizei. Das geht aus der Spruchkammer-Akte über OB Jakob hervor: neben Brandingenieur Johannes Rachfahl, Hauptbrandmeister Xaver Dimper und sein Kollege Pressel. Die zwei Feuerwehrleute mussten von der Feuerwache einen Kanister Benzin holen und legten dann in der Wohnung des Hausmeisters Robert Oppel im I. Stock ebenfalls Feuer, also im Gebäude gegenüber der noch brennenden Synagoge.  
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Das ganze Gelände sollte demnach freigemacht werden.  
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Im Zuge der [[Flächensanierung]] wurde das Areal völlig verändert und überbaut.
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Im Zuge der [[Flächensanierung]] in den 1970er Jahren wurde das Areal völlig verändert und überbaut. An der Stelle des ehemaligen Eingangstors an der Königstraße befindet sich heute der Neubau [[Königstraße 54]].
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== Prägende Gebäude, Bauwerke und Baudenkmäler ==
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Da es heute keinen Schulhof mehr gibt, wird der Gebäudebestand nicht zusätzlich mit "(ehemals)" im Lemma gekennzeichnet!
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{{Bedeutende Gebäude dieser Straße}}
    
== Gedenken ==
 
== Gedenken ==
Heute erinnert daran nur noch, seit [[1986]] das [[Synagogendenkmal]] in der [[Geleitgasse]], am westlichen Rand des früheren Schulhof an dieses Zentrum der Jüdischen Kultur und Glaubens in Fürth.
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[[Datei:NFJB 1954 Spiro zu Schulhof.png|250px|right|David Spiro zu Gedenken am Schulhof in: "Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths", 1954]]
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Rabbiner [[David Spiro]] regte 1954 an, den zerstörten Ort des ehemaligen Schulhofs zum Andenken als Grünfläche mit einem Gedenkstein (םצבה, Mazewa) zu gestalten.<ref>David Spiro: "Boruch Haschem" in: [[Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths]], Ausgabe 1954, Seite 3f</ref> Damit wäre die Würde gewahrt und ebenso die Heiligkeit, die nach der Zerstörung und Verwüstung weiterbesteht. In den [[Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths]] schrieb er 1954: Wir kamen "''zu dem Entschluß den verwahrlosten Schulhof in eine Andenkungsstätte für die ums Leben gekommenen Kedoschim, gewesene Mispallim von diesen Botei T´fillos, - zu verwandeln. Es soll eine Grünfläche auf den ganzen Platz angelegt werden und eine Mazewa, ein "Monument lesecher Olam" (לזכר עולם, ewiges Andenken) aufgestellt werden. Das Monument wird gleichzeitig dienen als Mahnung für Generationen, gegen das größte Verbrechen, gegen den schrecklichsten Vandalismus in der menschlichen Geschichte. Mit dem Realisieren dieser Idee wird die Kehilla sich ein ruhmreiches Kapitel in ihrer Tätigkeit verschreiben.''"<ref>David Spiro: "Boruch Haschem" in: [[Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths]], Ausgabe 1954, Seite 4</ref>
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Heute erinnert an dieses Zentrum der Jüdischen Kultur und Glaubens in Fürth seit [[1986]] nur noch das [[Synagogendenkmal]] in der [[Geleitgasse]], etwas westlich außerhalb des früheren Schulhofs. Die heutige platzartige Erweiterung der Geleitsgasse, auf der sich das Denkmal befindet, überschneidet sich nur auf Randbereichen in wenigen Quadratmetern mit dem ehemaligen Schulhof (v.a. im Bereich der ehemaligen Klausgasse bzw. Klaussynagoge).
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[[Datei:JM-Tafel-7.jpg|mini|right|Tafel 7]]
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Seit [[2007]] erinnert auch in der [[Königstraße]] am ehemaligen Eingang - heute etwa zwischen Königstraße 54/56 -  die ''Tafel 7 - Ehemaliger Eingang zum israelitischen Schulhof'', der [[Fürther Jubiläumsmeile]] des [[Geschichtsverein Fürth|Geschichtsvereins]] an diesen untergegangen bedeutenden historischen Ort in der Fürther Geschichte.
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Im [[Jüdisches Museum Franken|Jüdischen Museum]] lässt sich seit [[2022]] eine animierte Darstellung des Schulhofs mit einer VR-Brille virtuell erkunden.<ref>Sabine Rempe: ''Viel mehr als die Shoah''. In: Fürther Nachrichten vom 27. September 2021</ref>
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== »Vergegenwärtigung« ==
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Hier kann per horizontaler Mauszeigerbewegung ein historisches S/W-Foto mit einer kolorierten Fassung überlagert und damit gefühlsmäßig näher an die Jetztzeit herangeholt werden.
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{{ImageSlider|Bild1=Eingang zur Synagoge A2977d.jpg|Bild2=Eingang zur Synagoge A2977d koloriert.jpg|width=900px}}
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* Foto: Eingang zum Schulhof (Synagogenhof), Aufnahme von ca. 1935 (Urheber: Ferdinand Vitzethum, Kolorierung: [[Robert Söllner]])
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== Literatur ==
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* ''Juden''. In: [[Adolf Schwammberger]]: ''[[Fürth von A bis Z]]. Ein Geschichtslexikon''. Fürth: Selbstverlag der Stadt Fürth, 1968, S. 186-189
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* ''Schulhäuser''. In: [[Adolf Schwammberger]]: ''[[Fürth von A bis Z]]. Ein Geschichtslexikon''. Fürth: Selbstverlag der Stadt Fürth, 1968, S. 331 f.
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* ''Schulhof''. In: [[Adolf Schwammberger]]: ''[[Fürth von A bis Z]]. Ein Geschichtslexikon''. Fürth: Selbstverlag der Stadt Fürth, 1968, S. 332
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* [[Manfred Mümmler|Manfred Mümmler]]: ''Der Pogrom zu Fürth. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938''. In: [[Fürther Heimatblätter]], 1988/4, S.101 - 112
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* Gisela Naomi Blume: ''Mikwen in Fürth - "Die Kellerquellenbäder der Israelitinnen". Mikwe im Haus Schulhof 5, Bärmann-Fränkel'sche Klaus (um 1694)''. In: [[Fürther Geschichtsblätter]], 2/2011, S.46 - 49
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* Gisela Naomi Blume: ''Mikwen in Fürth - "Die Kellerquellenbäder der Israelitinnen". Mikwe im Gebäude Schulhof 2, Neuschul, Kaalschul''. In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2011, S.63 - 69
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* Gisela Naomi Blume: ''Mikwen in Fürth - "Die Kellerquellenbäder der Israelitinnen". Nur geplante Mikwe im Haus Schulhof 1, Scharre bis 1804''. In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2011, S.70 - 71
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* Gisela Naomi Blume: ''Mikwen in Fürth - "Die Kellerquellenbäder der Israelitinnen". Nur geplante Mikwe im Haus Königstraße 48''. In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2011, S.74 - 75
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* Gisela Naomi Blume: ''Mikwen in Fürth - "Die Kellerquellenbäder der Israelitinnen". Mikwe im Gebäude Schulhof 5 1/2, Mannheimer Schul''. In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2011, S.76 - 77
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==Lokalberichterstattung==
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* Sabine Rempe: ''Viel mehr als die Shoah''. In: Fürther Nachrichten vom 27. September 2021, S. 29 (Druckausgabe)
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== Siehe auch ==
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* [[Synagoge]]
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* [[Synagogendenkmal]]
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* [[Klausgässla]]
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* [[Staudengasse (ehemals)]]
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* [[Fiorda]]
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* [[Fürther Jubiläumsmeile]]
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* [[Gänsberg]]
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==Weblinks==
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* Jüdisches Museum Franken: 3D-Modell des Schulhofes / digitale Panoramaversion [https://www.juedisches-museum.org/schulhof-modell/aussen/index.html online]
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* Der Fürther „Schulhof“ in: "HaGalil.com - Jüdisches Leben online" [https://www.hagalil.com/2019/04/fuerth-3/ online]
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== Einzelnachweise ==
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<references/>
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Seit [[2007]] erinnert auch in der [[Königstraße]] gegenüber des ehemaligen Eingangs die Tafel 7 - Ehemaliger Eingang zum israelitischen Schulhof, der [[Fürther Jubiläumsmeile]] des [[Geschichtsverein Fürth|Geschichtsvereins]] an diesen untergegangen bedeutenden historischen Ort in der Fürther Geschichte.
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== Bilder ==
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{{Bilder dieser Straße}}
    
[[Kategorie: Fiorda]]
 
[[Kategorie: Fiorda]]
[[Kategorie: Plätze,Straßen,Anlagen (ehemals)]]
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[[Kategorie:Straßen (ehemals)]]
[[Kategorie: Innenstadt]]
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[[Kategorie: Altstadt]]
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