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Anders ist die Situation jetzt, Anfang der 1920er Jahre: Fürths unabhängiger [[Stadtrat]] liebäugelt offen mit den Plänen des Nürnberger Oberbürgermeisters. Zusammen mit Fürths 70.000 Einwohnern könnte [[Nürnberg]] (mit damals 361.000 Einwohnern) München einholen und dessen Sonderstellung in Frage stellen. Separatistische Franken sehen mit einem Leuchten in den Augen die Gelegenheit, der bayerischen Landeshauptstadt einen fränkischen Gegenpol entgegenzusetzen. Selbst der Fürther Oberbürgermeister Dr. [[Robert Wild|Wild]] gab seinen anfänglichen Widerstand rasch auf. Was in Fürth zu heftigen Diskussionen führte interessierte in der ehemalig freien Reichsstadt in arroganter Manier fast keinen. Man möchte die ungeliebte "Westvorstadt" am liebsten still und heimlich schlucken, von ihr profitieren und sie mundtot à la Südstadt vegetieren lassen. Und die Mehrheit der Fürther einschließlich ihrer Stadtverwaltung war klar dafür! - Fürth war in großer Gefahr!  
 
Anders ist die Situation jetzt, Anfang der 1920er Jahre: Fürths unabhängiger [[Stadtrat]] liebäugelt offen mit den Plänen des Nürnberger Oberbürgermeisters. Zusammen mit Fürths 70.000 Einwohnern könnte [[Nürnberg]] (mit damals 361.000 Einwohnern) München einholen und dessen Sonderstellung in Frage stellen. Separatistische Franken sehen mit einem Leuchten in den Augen die Gelegenheit, der bayerischen Landeshauptstadt einen fränkischen Gegenpol entgegenzusetzen. Selbst der Fürther Oberbürgermeister Dr. [[Robert Wild|Wild]] gab seinen anfänglichen Widerstand rasch auf. Was in Fürth zu heftigen Diskussionen führte interessierte in der ehemalig freien Reichsstadt in arroganter Manier fast keinen. Man möchte die ungeliebte "Westvorstadt" am liebsten still und heimlich schlucken, von ihr profitieren und sie mundtot à la Südstadt vegetieren lassen. Und die Mehrheit der Fürther einschließlich ihrer Stadtverwaltung war klar dafür! - Fürth war in großer Gefahr!  
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Da schlug die Stunde des bereits im Jahr [[1918]] gegründeten "Verein(s) zur Wahrung der Interessen der Stadt Fürth" kurz "Treu Fürth" unter ihren Wortführern, dem Pfarrer und [[Stadtrat]] [[Paul Fronmüller]], dem Vorsitzenden der israelitischen Realschulen in Fürth Isaak Löw Weiskopf sowie [[Babette Bauer]]: [[Bild:Einverleibung Fürth.jpg|mini|right|Postkarte zum Thema Zusammenschluss Fürth und Nürnberg um 1920]]
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Da schlug die Stunde des bereits im Jahr [[1918]] gegründeten "Verein(s) zur Wahrung der Interessen der Stadt Fürth" kurz "Treu Fürth" unter ihren Wortführern, dem Pfarrer und [[Stadtrat]] [[Paul Fronmüller]], dem Vorsitzenden der israelitischen Realschulen in Fürth [[Isaak Löb Weiskopf|Isaak Löw Weiskopf]] sowie [[Babette Bauer]]: [[Bild:Einverleibung Fürth.jpg|mini|right|Postkarte zum Thema Zusammenschluss Fürth und Nürnberg um 1920]]
    
== Volksbegehren gegen den Zusammenschluss Fürth und Nürnberg ==
 
== Volksbegehren gegen den Zusammenschluss Fürth und Nürnberg ==
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[[Bild:Treu Fürth Werbung.jpg|mini|right|Zeitungsanzeige von Treu Fürth gegen die sog. "Eingemeindung Fürths nach Nürnberg" vom 21. Januar 1922]]Bei den Gemeindewahlen am [[15. Juni]] [[1919]] gelang es dem Verein, durch eine bürgerliche Einheitsliste ("Selbständigkeit") ihre Wortführer in den [[Stadtrat]] zu bekommen (2 Sitze von 41 Stadträten). Die Einheitsliste verfolgte eine sehr bürgerliche Politik im Sinne des gewerblichen Mittelstandes, bedingt durch ihre Mitgliederstruktur - jedoch frei von jeder Parteipolitik.  
 
[[Bild:Treu Fürth Werbung.jpg|mini|right|Zeitungsanzeige von Treu Fürth gegen die sog. "Eingemeindung Fürths nach Nürnberg" vom 21. Januar 1922]]Bei den Gemeindewahlen am [[15. Juni]] [[1919]] gelang es dem Verein, durch eine bürgerliche Einheitsliste ("Selbständigkeit") ihre Wortführer in den [[Stadtrat]] zu bekommen (2 Sitze von 41 Stadträten). Die Einheitsliste verfolgte eine sehr bürgerliche Politik im Sinne des gewerblichen Mittelstandes, bedingt durch ihre Mitgliederstruktur - jedoch frei von jeder Parteipolitik.  
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Zumindest im 20-köpfigen Ausschuss, der den engeren Vorstand aus seinen eigenen Reihen wählte, waren fast ausschließlich Selbständige, Angestellte oder Beamte.<ref>Nordbayerische Zeitung vom 09. April 1929 und 04. April 1930</ref> Im Vorstand und Ausschuss wie in den Vorstandschaften des Innungsausschusses und des Haus- und Grundbesitzervereins fand man zum Teil stets die gleichen Personen: Stadtrat und Pfarrer [[Paul Fronmüller]], Kaufmann Isaak Löw Weiskopf, [[Stadtrat]] und [[Metzger]] Adam Schildknecht, Stadträtin [[Babette Bauer]], Bäckermeister Ebersberger, Schneidermeister Hans Fuß, Fabrikant Wirth, Bezirksoberlehrer Meerwald, Bäckermeister und [[Stadtrat]] Helmreich und Baumeister Egelseer.  
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Zumindest im 20-köpfigen Ausschuss, der den engeren Vorstand aus seinen eigenen Reihen wählte, waren fast ausschließlich Selbständige, Angestellte oder Beamte.<ref>Nordbayerische Zeitung vom 09. April 1929 und 04. April 1930</ref> Im Vorstand und Ausschuss wie in den Vorstandschaften des Innungsausschusses und des Haus- und Grundbesitzervereins fand man zum Teil stets die gleichen Personen: Stadtrat und Pfarrer [[Paul Fronmüller]], Kaufmann Isaak Löw Weiskopf, [[Stadtrat]] und [[Metzger]] Adam Schildknecht, Stadträtin [[Babette Bauer]], Bäckermeister Ebersberger, Schneidermeister Hans Fuß, Fabrikant Wirth, Bezirksoberlehrer Meerwald, Bäckermeister und [[Stadtrat]] Helmreich und Baumeister [[Conrad Egelseer|Egelseer]].  
    
Programmatisch war Treu Fürth im Gegensatz zu manch anderen Parteien nicht antisemitisch, stand aber in starker Opposition zur [[SPD]] in Fürth, insbesondere in der Fragestellung der [[Eingemeindung]] Fürths nach [[Nürnberg]]. Durch die Weltwirtschaftskrise [[1929]] - [[1932]] stiegen in Fürth die Kosten der Wohlfahrtsfürsorge auf mehr als 5 Mio. Reichsmark, was der Verein "Treu Fürth" als "''Fluch der Parteienwirtschaft''" anprangerte.<ref>Nordbayerische Zeitung vom 25. Mai 1932</ref>
 
Programmatisch war Treu Fürth im Gegensatz zu manch anderen Parteien nicht antisemitisch, stand aber in starker Opposition zur [[SPD]] in Fürth, insbesondere in der Fragestellung der [[Eingemeindung]] Fürths nach [[Nürnberg]]. Durch die Weltwirtschaftskrise [[1929]] - [[1932]] stiegen in Fürth die Kosten der Wohlfahrtsfürsorge auf mehr als 5 Mio. Reichsmark, was der Verein "Treu Fürth" als "''Fluch der Parteienwirtschaft''" anprangerte.<ref>Nordbayerische Zeitung vom 25. Mai 1932</ref>
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Am [[5. April]] [[1939]] löste sich der Verein Treu Fürth auf, obwohl führende Treu-Fürth-Anhänger, wie z. B. der [[Stadtrat]] und Pfarrer [[Paul Fronmüller]] durchaus offen mit dem NS-Regime sympathisierten. Die Nähe zum NS-Regime schien den Verein zumindest eine Zeitlang vor der Auflösung zu schützen, da die meisten politischen Parteien und Initiativen, sowie Vereine und Organisationen bereits im März/April [[1933]] im Rahmen der sog. "Gleichschaltung" aufgelöst wurden. [[Adolf Scheidig]], Stellv. Vorsitzender des Vereins, lud zur Auflösung in die Gaststätte [[Grüner Baum]] ein. Nach einer Dankesrede an die aktiven Mitglieder und der erst kurz vorher verstorbenen [[Babette Bauer]], beantragte der Kaufmann und Mitglied des Vereins [[Karl Hunger]] die Auflösung des Vereins gem. § 9 der eigenen Satzung. Gemäß der lokalen Berichterstattung erhielt der Antrag auf Liquidation des Vereins eine 2/3 Mehrheit. Das noch vorhandene Vermögen des Vereins in Höhe von 1.290 Mark wurde in drei Summen aufgeteilt. Jeweils 500 Mark erhielt der Verein "[[Alt-Fürth]]" sowie das [[Stadtmuseum|Heimatmuseum]]. Die restlichen 290 Mark erhielt das [[Waisenhaus]]. Der laut Presse offensichtlich noch anwesende Dr. [[Schwammberger]] dankte den Spendern und "''sprach den Wunsch aus, sie mögen im Verein "Alt-Fürth" ihre Heimatliebe weiterhin beweisen.''"<ref>Stadtarchiv Fürth: Zeitgenössische Sammlung: Treu Fürth wurde aufgelöst, Zeitungsartikel vom 9. April 1939</ref>  
 
Am [[5. April]] [[1939]] löste sich der Verein Treu Fürth auf, obwohl führende Treu-Fürth-Anhänger, wie z. B. der [[Stadtrat]] und Pfarrer [[Paul Fronmüller]] durchaus offen mit dem NS-Regime sympathisierten. Die Nähe zum NS-Regime schien den Verein zumindest eine Zeitlang vor der Auflösung zu schützen, da die meisten politischen Parteien und Initiativen, sowie Vereine und Organisationen bereits im März/April [[1933]] im Rahmen der sog. "Gleichschaltung" aufgelöst wurden. [[Adolf Scheidig]], Stellv. Vorsitzender des Vereins, lud zur Auflösung in die Gaststätte [[Grüner Baum]] ein. Nach einer Dankesrede an die aktiven Mitglieder und der erst kurz vorher verstorbenen [[Babette Bauer]], beantragte der Kaufmann und Mitglied des Vereins [[Karl Hunger]] die Auflösung des Vereins gem. § 9 der eigenen Satzung. Gemäß der lokalen Berichterstattung erhielt der Antrag auf Liquidation des Vereins eine 2/3 Mehrheit. Das noch vorhandene Vermögen des Vereins in Höhe von 1.290 Mark wurde in drei Summen aufgeteilt. Jeweils 500 Mark erhielt der Verein "[[Alt-Fürth]]" sowie das [[Stadtmuseum|Heimatmuseum]]. Die restlichen 290 Mark erhielt das [[Waisenhaus]]. Der laut Presse offensichtlich noch anwesende Dr. [[Schwammberger]] dankte den Spendern und "''sprach den Wunsch aus, sie mögen im Verein "Alt-Fürth" ihre Heimatliebe weiterhin beweisen.''"<ref>Stadtarchiv Fürth: Zeitgenössische Sammlung: Treu Fürth wurde aufgelöst, Zeitungsartikel vom 9. April 1939</ref>  
 
[[Datei:Fürther Block ev 1972.jpg|miniatur|rechts|Neugründung 1952 unter dem Namen "Kommunalpolitische(r) Verein Treu Fürth - Fürther Block e. V."]]
 
[[Datei:Fürther Block ev 1972.jpg|miniatur|rechts|Neugründung 1952 unter dem Namen "Kommunalpolitische(r) Verein Treu Fürth - Fürther Block e. V."]]
Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] gründete sich der Verein Treu Fürth erneut, dieses Mal unter dem Namen "[[Fürther Block e. V.|Kommunalpolitischer Verein Treu Fürth - Fürther Block e. V.]]". [[1952]] gelang ihnen erneut der Einzug ins [[Stadtrat 1952 - 1956|Stadtparlament]] mit 15,6 %. Nach einigen internen Querelen und einem mangelnden eigenem politischen Profil schied der Fürther Block [[1972]] endgültig aus dem [[Stadtrat]] aus. Einzelne Mitglieder wechselten anschließend zur [[FDP]]. In der Folge löste sich der Verein endgültig auf.
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Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] gründete sich der Verein Treu Fürth erneut, dieses Mal unter dem Namen "[[Fürther Block e. V.|Kommunalpolitischer Verein Treu Fürth - Fürther Block e. V.]]". [[1952]] gelang ihnen erneut der Einzug ins [[Stadtrat 1952 - 1956|Stadtparlament]] mit 15,6 %. Nach einigen internen Querelen und einem mangelnden eigenen politischen Profil schied der Fürther Block [[1972]] endgültig aus dem [[Stadtrat]] aus. Einzelne Mitglieder wechselten anschließend zur [[FDP]]. In der Folge löste sich der Verein endgültig auf.
    
==Literatur==
 
==Literatur==
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==Siehe auch==
 
==Siehe auch==
 
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* [[Isaak Löb Weiskopf]]
 
* [[Eingemeindung Fürths nach Nürnberg|Eingemeindung]]
 
* [[Eingemeindung Fürths nach Nürnberg|Eingemeindung]]
 +
* [[Stadtrat 1919 - 1922]]
 +
* [[Stadtrat 1922 - 1925]]
 
* [[Paul Fronmüller]]
 
* [[Paul Fronmüller]]
 
* [[Hans Lohnert]]
 
* [[Hans Lohnert]]
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==Einzelnachweise==
 
==Einzelnachweise==
 
<references/>
 
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== Bilder ==
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{{Bilder dieses Vereins}}
    
[[Kategorie:Vereine (ehemals)]]
 
[[Kategorie:Vereine (ehemals)]]
 
[[Kategorie:Geschichte]]
 
[[Kategorie:Geschichte]]
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