Finkenschlag: Unterschied zwischen den Versionen

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Jedes Jahr bestimmten die Bewohner in demokratischen Wahlen ihre politische Führung, das ''Komitee''. Ähnlich wie eine Stadtverwaltung regelten der Vorsitzende und seine Mitarbeiter das Alltagsleben im Camp. Es wurden Volks- und Berufsschulen eingerichtet, das Kulturamt organisierte Konzerte, Theatervorführungen und schuf eine Bibliothek, der Sportverein Makabi Fürth spielte in der jüdischen Fußball-Liga etwa mit Kadima Schwabach, Hapoel Ansbach sowie Hakoach Hof um die Meisterschaft. Für die frommen Juden wurden eine Synagoge, ein Ritualbad, eine koschere Küche und eine Religionsschule eröffnet.
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Das Camp Finkenschlag wurde vom Komitee-Vorsitzenden [[Emil Kroo]] geführt. Der 1917 im tschechischen Städtchen Munkacs Geborene hatte als Zwangsarbeiter in Ungarn überlebt und konnte sich nach der Befreiung in die jüdischen Auffanglager der US-amerikanischen Besatzungszone Deutschlands flüchten. Auf seine Initiative hin wurde in einer Forchheimer Textilfabrik eine Weberei für die Juden vom Finkenschlag eröffnet. Rund 60 jüdische Lehrlinge aus dem Fürther Lager erlernten dort das Weberhandwerk. Daneben wurden im Lager verschiedene handwerkliche Lehrgänge angeboten, etwa für Chauffeure, Näherinnen und Automechaniker. Mit einer Berufsausbildung erhöhten sich für die jüdischen DPs die Chancen auf eine Einreiseerlaubnis in die klassischen Emigrationsländer. Für nicht wenige begann ein neues Leben in Australien, den USA oder in Kanada, für die meisten aber im neu gegründeten Staat Israel. Emil Kroo zog nach Schließung des Camps über einen Zwischenaufenthalt in New York in die kanadische Provinz Quebec.<ref>Jim G. Tobias: ''Eine jüdische Stadt in Fürth''. In: Fürther Nachrichten vom 28. August 2019</ref>
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Das Camp wurde im Sommer 1949 aufgelöst, die Häuser wurden nach Renovierungsarbeiten an die früheren Eigentümer zurückgegeben. Ein Teil der jüdischen Bewohner blieb aber in Fürth und wurde in die hiesige Gemeinde aufgenommen.<ref>Nachrichten für den jüdischen Bürger Fürths im August 1949</ref> Zusammen mit den überlebenden oder aus der Emigraton zurückgekehrten Juden bildeten die Bewohner vom Finkenschlag die Keimzelle der jüdischen Nachkriegsgemeinde in Fürth.
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==Lokalberichterstattung==
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* Jim G. Tobias: ''Eine jüdische Stadt in Fürth''. In: Fürther Nachrichten vom 28. August 2019 (Druckausgabe) bzw. ''Camp am Finkenschlag: Eine jüdische Stadt in Fürth''. In: nordbayern.de vom 31. August 2019 - [https://www.nordbayern.de/region/1.9261393 online abrufbar]
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==Siehe auch==
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Version vom 17. April 2020, 15:12 Uhr

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Blick über den Finkenschlag, Sept. 2019
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Finkenschlag ist der Name einer Straße im Fürther Stadtteil Schwand. Der Name ist ein Phantasiename und wurde ca. 1930 für den neuen Stadteil vergeben. Dort befindet sich auch die Sporthalle des LAC Quelle Fürth.


Das Camp Finkenschlag

Zwischen 1946 und 1949 entstand in der von der US-Militärregierung beschlagnahmten Arbeitersiedlung Eigenes Heim im Finkenschlag eine autonome jüdische Gemeinschaft auf Zeit. In diesem Camp Finkenschlag wurden für einige Jahre bis zu 800 jüdische Heimatlose untergebracht, sogenannte Displaced Persons (DPs), entwurzelte, verschleppte Menschen.

Jedes Jahr bestimmten die Bewohner in demokratischen Wahlen ihre politische Führung, das Komitee. Ähnlich wie eine Stadtverwaltung regelten der Vorsitzende und seine Mitarbeiter das Alltagsleben im Camp. Es wurden Volks- und Berufsschulen eingerichtet, das Kulturamt organisierte Konzerte, Theatervorführungen und schuf eine Bibliothek, der Sportverein Makabi Fürth spielte in der jüdischen Fußball-Liga etwa mit Kadima Schwabach, Hapoel Ansbach sowie Hakoach Hof um die Meisterschaft. Für die frommen Juden wurden eine Synagoge, ein Ritualbad, eine koschere Küche und eine Religionsschule eröffnet.

Das Camp Finkenschlag wurde vom Komitee-Vorsitzenden Emil Kroo geführt. Der 1917 im tschechischen Städtchen Munkacs Geborene hatte als Zwangsarbeiter in Ungarn überlebt und konnte sich nach der Befreiung in die jüdischen Auffanglager der US-amerikanischen Besatzungszone Deutschlands flüchten. Auf seine Initiative hin wurde in einer Forchheimer Textilfabrik eine Weberei für die Juden vom Finkenschlag eröffnet. Rund 60 jüdische Lehrlinge aus dem Fürther Lager erlernten dort das Weberhandwerk. Daneben wurden im Lager verschiedene handwerkliche Lehrgänge angeboten, etwa für Chauffeure, Näherinnen und Automechaniker. Mit einer Berufsausbildung erhöhten sich für die jüdischen DPs die Chancen auf eine Einreiseerlaubnis in die klassischen Emigrationsländer. Für nicht wenige begann ein neues Leben in Australien, den USA oder in Kanada, für die meisten aber im neu gegründeten Staat Israel. Emil Kroo zog nach Schließung des Camps über einen Zwischenaufenthalt in New York in die kanadische Provinz Quebec.[1]

Das Camp wurde im Sommer 1949 aufgelöst, die Häuser wurden nach Renovierungsarbeiten an die früheren Eigentümer zurückgegeben. Ein Teil der jüdischen Bewohner blieb aber in Fürth und wurde in die hiesige Gemeinde aufgenommen.[2] Zusammen mit den überlebenden oder aus der Emigraton zurückgekehrten Juden bildeten die Bewohner vom Finkenschlag die Keimzelle der jüdischen Nachkriegsgemeinde in Fürth.


Lokalberichterstattung

  • Jim G. Tobias: Eine jüdische Stadt in Fürth. In: Fürther Nachrichten vom 28. August 2019 (Druckausgabe) bzw. Camp am Finkenschlag: Eine jüdische Stadt in Fürth. In: nordbayern.de vom 31. August 2019 - online abrufbar

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Jim G. Tobias: Eine jüdische Stadt in Fürth. In: Fürther Nachrichten vom 28. August 2019
  2. Nachrichten für den jüdischen Bürger Fürths im August 1949

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