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jazzkeller und jazz ". ...alkohol in rauhen mengen,heiße rhythmen, erotik, minderjährige, exzesse, rauchgeschängerte luft..." das sind einige der gebrauch liebsten phrasen, die die presse bei der be­ schreibung von jazzkellern immer wieder an wendet und die sich die masse der leser gewis ser blätter der schlagzeilenpresse ungeeignet hat.

diese musik nachahmten. Durch Ken Colyer,Chris Barber, Acker Bilk, Papa Bue u.a. wurde der auf europäische gefilde "umgebaute" revivaljazz dar breiten masse zugeführt, die ihn willig annahm. Der revivaljazz war und ist nicht mehr als ein abglanz des traditionellen jazz. Jazz muß, wenn er echt sein soll aus der gefühlsund gedankenweit des musikers, die von der umweit geformt wird, entstehen und stellt somit eine lehensäußerung dar. Jeder wird aber einsehen, daß die gefühls- und gedankenweit der neger, die vor rund 70 jahren auf den baumwollplantageh härteste arbeit leisten mußten eine völlig andere war, als die der menschen unserer heu tigen zeit, was sich allein schon aus der tat­ sache ergibt, daß die umweit eine riesige ände rung erfahren hat. Somit kann der |revivaljazz gar kein wirklicher jazz sein, da er musikali lisch authentisch ist und deshalb keine lebens äußerung beinhalten kann.

Wie steht es um diese meinung? Wird sie nur durch die Schlagzeilen der (minderwertigen ?) presse provoziert oder ist sie vielleicht richtig? Trifft sie nur auf einen bestimmten teil zu? Um diese fragen klaren zu können müssen die entstehung und entwicklung der jazzkeller und des jazzkellertums betrachtet werden. Um 1900 In ßtoryville, dem "district", blühte der New Orleans Jazz und sollte bis 1917, als New Or­ leans zum kriegshafen erklärt wurde, seinen höhepunkt erreichen. Wo wurde jazz gespielt? Lassen wir einen New Orleans Veteranen zu wort kommen, der es wissen muß, Bunk Johnson:

Tatsächlich zeigt dies auch die entstehungsge­ schichte des revivaljazz. Nach dem kommerziel­ len swing (allgemein als jazz anerkannt}, der der breiten masse zugänglich und verständlich war, entwickelte sich der Bebop, dessen niveau für dieselbe masse zu hoch war. Schnell fanden sich plattenfirmen und "producer", die mit dem jazz weiterhin ein gutes geschäft machen woll­ ten; erprobte Veteranen des traditionellen jazz wurden an die front geschickt; man betrachte nur die ruhrselige und so publikumswirksame ge schichte von Bunk Johnson, der von einer baumwollplantage geholt, mit einem gebiß und einer trompete versehen die aktien des "oldtimejazz" sofort steigen ließ.

"Ja, so war das damals in New Orleans, der crescent city ! Überall bars und die vielen kleinen kneipen, in denen bloß ein klavier stand. Sie hießen Honky Tonk oder Barrelhouse und hatten immer einen Pianisten engagiert.Vür spielten mit ihm bis zum frühen morgen..." Die jazzlokale wenn man davon überhaupt reden kann, waren wirtschaften, in denen mehr oder­ weniger zweifeihafte"damen" ihr gewerbe be­ trieben, mit rauschgift gehandelt und sonsti­ ge widerrechtliche geschäfte betrieben wurden. Dennoch war die musik, die gespielt wurde nicht nur eine lärmkulisse, sondern sie drück te aus, was 'alle empfanden. Alle, das heißt auch die zwielichtigen gestalten. So schlechte Charaktere sie auch haben mochten, sie alle liebten den jazz und konnten nicht ohne ihn leben. Ob bei hochzeiten oder begräbnissen und natürlich erst recht in den kneipen,in denen man die nacht verbrachte wurde jazz gespielt. Um 1945 - I960 In den vierziger jahren wurde durch Lu Watters Turk Murphy, Bunk Johnson, George Lewis, Baby Dodds und viele andere der Dixieland-bzw der New Orleans-stil wiederbelebt. In Europa fan­ den sich schnell anhänger, die ebenso schnell

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Noch schlimmer als im Ursprungsland des jazz war seine kommerzialisierung in Europa. Bald genügte nicht allein die musikalische renais sance mehr, auch was die Umgebung,in der jazz gespielt wurde,anbetraf, mußten alte zustände herbeigeführt werden. Die Stimmung und atmo­ sphäre des "districts" wurde übernommen, blieb aber ebenso wie die musik bloße nachahmung und farce. Ideal vereinigen ließen sich alle Be­ standteile, die ein "Barrelhouse" hatte in jazzkellern. Bald spalteten sich die besucher der "jazzkel­ ler" in zwei gruppen: die echten freunde des jazz, oder um den aller dings schon abgenutzten ausdruck "jazzfans" zu

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