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Leutnant M anfred Rudloff

Ich habe meinen Beruf gefunden Vor rund vier Jahren bestand ich in Melsungen, einer kleinen Kreisstadt bei Kassel, mein Abitur. W ie jeder Abiturient war ich glücklich, daß ich es geschafft hatte. Aber in der Leere, die nach jedem Abschluß eintritt, tauchte die Frage auf: .W as nun?“ Meine Neigungen gehörten dem Lehrerberut. Pädagoge wollte ich werden, und wie jeder junge Mensch nahm ich mir vor, das besser zu machen, was mir an meinen eigenen Lehrern nicht gefallen hatte. So immatrikulierte ich in Marburg und begann, Naturwissenschaften zu studieren. Eine Fülle von Stoff kam auf mich zu, ich hörte Biologie und Chemie, Geographie, Philosophie, Psychologie und Pädagogik. In den Semesterferien mußte ich mir mein Geld als W erk­ student verdienen, da mein Vater im Felde geblieben war Es war im 4. Semester, ich saß auf meinem Arbeitsplatz im chemischen Institut und diskutierte mit meinen Kolle­ gen dnrilKgr n h ete. Fachlehrer heute wirklich noch Pädagoge sein kann. In den zwei Stunden Unterricht einer Woche kann man bei den heutigen Lehrplänen nur Wissen vermitteln. W ir stellten uns die Frage: W o ist es heute überhaupt noch möglich, auf den einzelnen Schüler einzugehen und ihm in seiner allgemeinen Weiterentwick­ lung zu helfen? W o habe ich den jungen Menschen so, daß ich auf seine Erziehung und seine geistige W eiter­ bildung gleichzeitig einwirken kann? Zum erstenmal ver­ glichen w ir an diesem Vormittag den Beruf des Lehrers mit dem eines jungen Offiziers der Bundeswehr, die gerade im Entstehen war. Ich glaubte, daß dort noch eine echte Erziehung möglich sei. Das aber wurde von meinen Kollegen bestritten. Auf alle Fälle entschloß ich mich, mein Studium aufzugeben und Berufsoffizier zu werden. In: Mai 1956 rückte ich als Rekrut in Bremen in die Kaserne ein. Es war kaum etwas da. Ein völliger Neu­ anfang — aber alle hatten einen guten W illen, und wir glaubten an ein gutes Gelingen. Unser Zug bestand aus 18 Offiziersanwärtern, die teils, genau wie ich, dos Studium aufgegeben hatten, teils direkt 1956 vom Abitur kamen. Tagsüber gab es viel zu lernen. Der militärische Alltag forderte die ganzen Kräfte eines jungen Menschen, der 13 Jahre lang die Schulbank edrückt hat. Aber abends ging es auf unseren Stuben eftig rund. W ir stritten uns über die Aufgaben und die Möglichkeiten, die ein O ffizier heute hat. Vieles war natürlich Theorie. Aber in uns entstand doch nach und nach ein abgeschlossenes Bild. Bald waren die 6% M o­ nate der Grund- und Spezialausbildung vorbei. Für uns hieß es: Kisten packen, da w ir nach Husum zur HeeresOffizierschule versetzt worden waren. Hier kamen w ir mit gleichgesonnenen Kameraden von anderen Truppen­ gattungen zusammen, und w ir stellten fest, daß sie die leichen Fragen hatten wie wir. Im Hörsaal saßen die ahnenjunker der Grenadiere zusammen mit denen der

Panzer, Artillerie, der Fla, Pioniere, Panzergrenadiere und Fernmeldetruppe. W ir erhielten Unterricht über Kriegsgeschichte, Taktik, Versorgungsfragen, über die ein­ zelnen Truppengottungen, Sport und innere Führung, dem Fach, das sid» mit der Erziehung und der Methodik der Ausbildung im soldatischen Bereich der heutigen Zeit beschäftigt. Viele Fragen, die w ir in Bremen nicht beant­ worten konnten, wurden hier geklärt. Nach dem Dienst gingen w ir gemeinsam in eine nette Tanzstunde und fuhren o ft an den Strand nach Westerland und an d ie ^ Ostsee. In Husum absolvierten w ir die eigentliche O ffi­ ziersprüfung und wurden als Fähnrich zu den Truppen­ schulen versetzt. Mich verschlug es zur Fernmeldeschule nach Sonthofen im Allgäu. Dort bekamen w ir neben den obengenannten Fächern noch eine fernmeldetechnische Ausbildung. Nach Feierabend konnte man den hoffnungs­ vollen OffiziernachvWrftS nur Tn den Bergen oder an einem der schönen Bergseen finden. Die sechs Monate Schulzeit vergingen wie im Fluge, und w ir wurden als fertig ausgebildete Leutnante zur Truppe geschickt. Meine erste Aufgabe war die Führung eines Rekruten­ zuges. Als Zugführer hatte ich die volle Verantwortung für die soldatische Ausbildung dieser jungen Menschen. Es durfte nach einem Jahr auf keinen Fall heißen: Das Jahr beim M ilitä r war für uns eine verlorene Zeit. Es war für mich eine wahre Freude, mit diesen jungen Menschen zusammenzuarbeiten. Schon nach einem Vierteljahr wurde ich von diesem Zug weg in die Unteroffiziersausbildung versetzt. Hier hatte ich einen noch größeren Grad der Verantwort­ lichkeit. Es war meine Aufgabe, den zukünftigen Zug­ führern gute Unteroffiziere, verläßliche Hilfen in der Ausbildung der Rekruten, heranzubilden. Bei meiner Ein­ stellung hatte ich zwar gehofft, später einmal als Lehr­ offizier eingesetzt zu werden, glaubte aber nie, daß mein Wunsch schon nach so kurzer Dienstzeit in Erfüllung gehen würde. Der Dienst ist streng und korrekt. Aber dieser Rahmen gewährt mit großer Sicherheit einen Erfolg für die eige­ nen Bemühungen. Kein Beruf kann so vielseitig sein wie der eines Berufsoffiziers. Der junge Leutnant trägt eine hohe Verantwortung für Menschen, er ist gleichzeitig Lehrer in Staatsbürgerkunde, Technik, Geräte- und Waffenlehre, Geländekunde, Sport, soldatischen Fächern und Allgemeinwissen. Mein Ziel ist es, Truppenoffizier oder Lehroffizier an einer Schule zu werden, und ich glaube bestimmt, daß ich dieses gesteckte Ziel bald erreichen werde. Ich habe mich oft mit Kameraden unterhalten, die wie ich das Studium aufgegeben haben — aber keiner bereut diesen Schritt, sondern jeder steht mit Freude in seinem Beruf. (SZ 2)