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== Entstehung ==
 
== Entstehung ==
Die bäuerliche Prägung Fürths bestimmte lange das Stadtbild, ehe im 16. Jahrhundert das Handwerk und die Gewerbetreibenden im Ortsbild dominanter wurden. Diese Entwicklung ging einher mit der Ansiedlung von Glaubensflüchtlingen aus den Niederlanden und Frankreich und dem Zuzug von Juden, deren Ansiedlung u. a. in Nürnberg untersagt war. Letzteres war zumindest von dem Bamberger Domprobst und dem Ansbacher Marktgraf gewünscht bzw. bewusst als Ansiedlungspolitik betrieben worden, um z. B. die Einnahmen von Schutzgeldzahlungen zu erhöhen oder das Wachstum des Ortes durch Handel zu fördern.<ref>Bernd Windsbacher: Geschichte der Stadt Fürth, C.H. Beck, München, 2007, S. 31</ref>  
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Die bäuerliche Prägung Fürths bestimmte lange das Stadtbild, ehe im 16. Jahrhundert das Handwerk und die Gewerbetreibenden im Ortsbild dominanter wurden. Diese Entwicklung ging einher mit der Ansiedlung von Glaubensflüchtlingen aus den Niederlanden und Frankreich und dem Zuzug von Juden, deren Ansiedlung u. a. in Nürnberg untersagt war. Letzteres war zumindest von dem Bamberger Domprobst und dem Ansbacher Marktgraf gewünscht bzw. bewusst als Ansiedlungspolitik betrieben worden, um z. B. die Einnahmen von Schutzgeldzahlungen zu erhöhen oder das Wachstum des Ortes durch Handel zu fördern.<ref name="Windsbacher">Bernd Windsbacher: Geschichte der Stadt Fürth, C. H. Beck, München, 2007, S. 31</ref>  
    
Steinerne Zeitzeugen der bäuerlich geprägten Zeit sind heute noch die bestehenden Bauernhöfe, z. B. im Bereich der [[Gustavstraße]] der [[Rednitzhof|Rednitz]]- und [[Traubenhof]]. Mit den Zuwanderungswellen kamen ebenfalls neue Gewerbearten und Berufsgruppen nach Fürth, so z. B. die Gewerbearten der Gieß- und Kohlehütten sowie Messingbetriebe, Tabakanbau, Uhr- und Brillenmacher. Am förderlichsten für das Wirtschaftsleben war, insbesondere im 18. Jahrhundert, die Konkurrenz zu Nürnberg.  Durch eine restriktive Auslegung der Zunftordnung wurde sowohl den Juden als auch vielen anderen Handwerkern die Ausübung ihrer Tätigkeit in der Reichsstadt Nürnberg untersagt, so dass diese sich in Fürth – vor den Toren Nürnbergs – ansiedelten und damit das städtische Wirtschaftsleben deutlich beförderten. Diese berufliche Verdrängung der landwirtschaftlichen Betriebe spiegelte sich auch in der Entwicklung des Gänsbergs wieder, in dem die bäuerlichen Betriebe zunehmend räumlich aus dem Siedlungskern an den Rand verdrängt wurden.  
 
Steinerne Zeitzeugen der bäuerlich geprägten Zeit sind heute noch die bestehenden Bauernhöfe, z. B. im Bereich der [[Gustavstraße]] der [[Rednitzhof|Rednitz]]- und [[Traubenhof]]. Mit den Zuwanderungswellen kamen ebenfalls neue Gewerbearten und Berufsgruppen nach Fürth, so z. B. die Gewerbearten der Gieß- und Kohlehütten sowie Messingbetriebe, Tabakanbau, Uhr- und Brillenmacher. Am förderlichsten für das Wirtschaftsleben war, insbesondere im 18. Jahrhundert, die Konkurrenz zu Nürnberg.  Durch eine restriktive Auslegung der Zunftordnung wurde sowohl den Juden als auch vielen anderen Handwerkern die Ausübung ihrer Tätigkeit in der Reichsstadt Nürnberg untersagt, so dass diese sich in Fürth – vor den Toren Nürnbergs – ansiedelten und damit das städtische Wirtschaftsleben deutlich beförderten. Diese berufliche Verdrängung der landwirtschaftlichen Betriebe spiegelte sich auch in der Entwicklung des Gänsbergs wieder, in dem die bäuerlichen Betriebe zunehmend räumlich aus dem Siedlungskern an den Rand verdrängt wurden.  
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Siedlungskerne der Altstadt waren zunächst der [[Königshof Fürth|Königshof]] und die [[Michaeliskirche]], die sich auf der Terrasse im Zusammenfluss von [[Rednitz]] und [[Pegnitz]] befanden. Die Grenzen der mittelalterlichen Siedlung verliefen vermutlich zwischen der heutigen [[Ammonstraße]], der oberen [[Fischerberg|Fischergasse]] und [[Waagstraße|Waaggasse]]. Die genaue südliche Abgrenzung ist umstritten, lag aber vermutlich hinter der ehem. [[Synagoge]] im Bereich der heutigen [[Lilienstraße]].  
 
Siedlungskerne der Altstadt waren zunächst der [[Königshof Fürth|Königshof]] und die [[Michaeliskirche]], die sich auf der Terrasse im Zusammenfluss von [[Rednitz]] und [[Pegnitz]] befanden. Die Grenzen der mittelalterlichen Siedlung verliefen vermutlich zwischen der heutigen [[Ammonstraße]], der oberen [[Fischerberg|Fischergasse]] und [[Waagstraße|Waaggasse]]. Die genaue südliche Abgrenzung ist umstritten, lag aber vermutlich hinter der ehem. [[Synagoge]] im Bereich der heutigen [[Lilienstraße]].  
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Der Chronist Wilhelm Funk schrieb in den Fürther [[Fürther Geschichtsblätter|Heimatblättern]] [[1952]], dass die Besiedlung des Gänsbergs vermutlich erst im 17. Jahrhundert erfolgte.<ref>Wilhelm Funk: Zur Stadtentwicklung von Fürth. Königshof - Markt - Stadt. In: Fürther Heimatblätter, 1952/1, S. 1 - 20</ref> Die Ortsentwicklung erfuhr jedoch eine jähe Zäsur durch die nahezu vollständige Zerstörung der Siedlung am [[8. September]] [[1634]] während des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] durch das kroatische Regiment. Bis auf wenige Häuser aus Stein, wie z. B. die [[Michaeliskirche]], das [[Geleitshaus]] und die [[Synagoge]], wurden nahezu alle Häuser in Fürth vollständig zerstört. Auch die Bevölkerung halbiert sich fast auf knapp 800 Menschen.<ref>Bernd Windsbacher: Geschichte der Stadt Fürth, C.H. Beck, München, 2007, S. 31</ref> Erst mit dem Friedenschluss [[1648]] begann in Fürth der Wiederaufbau, wobei sich dabei die massive Bauweise mittels Steinen im Hausbau durchsetzte.  
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Der Chronist Wilhelm Funk schrieb in den Fürther [[Fürther Geschichtsblätter|Heimatblättern]] [[1952]], dass die Besiedlung des Gänsbergs vermutlich erst im 17. Jahrhundert erfolgte.<ref>Wilhelm Funk: Zur Stadtentwicklung von Fürth. Königshof - Markt - Stadt. In: Fürther Heimatblätter, 1952/1, S. 1 - 20</ref> Die Ortsentwicklung erfuhr jedoch eine jähe Zäsur durch die nahezu vollständige Zerstörung der Siedlung am [[8. September]] [[1634]] während des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] durch das kroatische Regiment. Bis auf wenige Häuser aus Stein, wie z. B. die [[Michaeliskirche]], das [[Geleitshaus]] und die [[Synagoge]], wurden nahezu alle Häuser in Fürth vollständig zerstört. Auch die Bevölkerung halbiert sich fast auf knapp 800 Menschen.<ref name="Windsbacher"/> Erst mit dem Friedenschluss [[1648]] begann in Fürth der Wiederaufbau, wobei sich dabei die massive Bauweise mittels Steinen im Hausbau durchsetzte.
    
Die erste größere Ortserweiterung erfolgte bereits [[1672]]. Dabei wurden Flächen des Ansbacher Markgrafen südlich des [[Geleitshaus]]es überwiegend an Juden verkauft, so dass bis [[1720]] das Gelände bis zur heutigen [[Gartenstraße]] nahezu vollständig bebaut war. Der Wiederaufbau erfolgte in einem geschlossenen System, in dem sich benachbarte Häuser häufig eine Brandmauer teilten. Die Bebauung war in einer typisch „fränkisch engen Reihe“ erfolgt, die lediglich schmale Zwischenräume für den Brandschutz und den Regenablauf zuließen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wird statt des geschlossenen Systems im Städtebau das offene System Fuß fassen, dessen Ansätze heute noch in der Villenbebauung in der [[Hornschuchpromenade]] zu erkennen sind.  
 
Die erste größere Ortserweiterung erfolgte bereits [[1672]]. Dabei wurden Flächen des Ansbacher Markgrafen südlich des [[Geleitshaus]]es überwiegend an Juden verkauft, so dass bis [[1720]] das Gelände bis zur heutigen [[Gartenstraße]] nahezu vollständig bebaut war. Der Wiederaufbau erfolgte in einem geschlossenen System, in dem sich benachbarte Häuser häufig eine Brandmauer teilten. Die Bebauung war in einer typisch „fränkisch engen Reihe“ erfolgt, die lediglich schmale Zwischenräume für den Brandschutz und den Regenablauf zuließen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wird statt des geschlossenen Systems im Städtebau das offene System Fuß fassen, dessen Ansätze heute noch in der Villenbebauung in der [[Hornschuchpromenade]] zu erkennen sind.  
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== Wohn- und Arbeitsplatz Gänsberg ==
 
== Wohn- und Arbeitsplatz Gänsberg ==
Infolge der großen Zuwanderung wuchs das „''nach der Einwohnerzahl nur mittelgroße Fürth … in seinem städtebaulichen Habitus als Teil der Agglomeration in großstädtische Dimensionen hinein''.<ref>Heinrich Habel: Denkmäler in Bayern – Stadt Fürth V.61. Karl-M.-Lipp-Verlag, München, 1994, S. XVII</ref>Das heißt, dass die zum Teil drastische Bevölkerungsvermehrung mit der Wohnraumbeschaffung in vielen Fällen kaum mithalten konnte. Dies galt insbesondere für die sozial schwächeren und ärmeren Schichten der Bevölkerung, die für die Produktion von Gütern in zum Teil extrem prekären Arbeitsverhältnissen ihr Auskommen verdienen mussten. Wohnten um [[1700]] noch ca. 6.000 Menschen in Fürth, waren es keine 100 Jahre später bereits doppelt soviele Menschen. Bis [[1900]] hatte sich die Bevölkerung innerhalb von nur 200 Jahren fast verzehnfacht. Der Zuzug der Menschen wirkte sich u.a. in der Stadtentwicklung vor allem baulich dadurch aus, dass eine massive Verdichtung der bestehenden Siedlung am Gänsberg vollzogen wurde. In vielen Hinterhöfen entstanden zusätzliche Gebäude, bestehende Gebäude wurden aufgestockt und selbst die Haupthäuser der Eigentümer wurden so umgebaut, so dass sie weitere Mieter aufnehmen konnten. Auf diese Art wurden besonders im späten 17. und im 18. Jahrhundert viele Grundstücke in ihrer Bausubstanz verändert um Raum zu schaffen. Schon [[1799]] stellte der Zeitgenosse J. K. Bundschuh das alte Fürth als völlig übervölkerte Ansiedlung dar: „''Die große Anzahl der Einwohner (steht) in keinem Verhältnisse mit der Häuserzahl – so wohnen gewöhnlich fünf, sechs, zwölf bis fünfzehn Familien in einem Hause und im sogenannten langen Hause sogar 36 Haushaltungen''.“<ref>Heinrich Habel: Denkmäler in Bayern – Stadt Fürth V.61. Karl-M.-Lipp-Verlag, München, 1994, S. XVII</ref>  Gemeint war hier das „Lange Haus“ an der [[Baldstraße]] aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, einem Vorläufer der Mietskaserne, dass allerdings um [[1900]] durch eine Mietshausgruppe ersetzt wurde.  
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Infolge der großen Zuwanderung wuchs das „''nach der Einwohnerzahl nur mittelgroße Fürth … in seinem städtebaulichen Habitus als Teil der Agglomeration in großstädtische Dimensionen hinein''."<ref name="Habel">Heinrich Habel: Denkmäler in Bayern – Stadt Fürth V.61. Karl-M.-Lipp-Verlag, München, 1994, S. XVII</ref> Das heißt, dass die zum Teil drastische Bevölkerungsvermehrung mit der Wohnraumbeschaffung in vielen Fällen kaum mithalten konnte. Dies galt insbesondere für die sozial schwächeren und ärmeren Schichten der Bevölkerung, die für die Produktion von Gütern in zum Teil extrem prekären Arbeitsverhältnissen ihr Auskommen verdienen mussten. Wohnten um [[1700]] noch ca. 6.000 Menschen in Fürth, waren es keine 100 Jahre später bereits doppelt soviele Menschen. Bis [[1900]] hatte sich die Bevölkerung innerhalb von nur 200 Jahren fast verzehnfacht. Der Zuzug der Menschen wirkte sich u.a. in der Stadtentwicklung vor allem baulich dadurch aus, dass eine massive Verdichtung der bestehenden Siedlung am Gänsberg vollzogen wurde. In vielen Hinterhöfen entstanden zusätzliche Gebäude, bestehende Gebäude wurden aufgestockt und selbst die Haupthäuser der Eigentümer wurden so umgebaut, so dass sie weitere Mieter aufnehmen konnten. Auf diese Art wurden besonders im späten 17. und im 18. Jahrhundert viele Grundstücke in ihrer Bausubstanz verändert um Raum zu schaffen. Schon [[1799]] stellte der Zeitgenosse J. K. Bundschuh das alte Fürth als völlig übervölkerte Ansiedlung dar: „''Die große Anzahl der Einwohner (steht) in keinem Verhältnisse mit der Häuserzahl – so wohnen gewöhnlich fünf, sechs, zwölf bis fünfzehn Familien in einem Hause und im sogenannten langen Hause sogar 36 Haushaltungen''.“<ref name="Habel"/>  Gemeint war hier das „Lange Haus“ an der [[Baldstraße]] aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, einem Vorläufer der Mietskaserne, dass allerdings um [[1900]] durch eine Mietshausgruppe ersetzt wurde.  
    
Maßgeblich für die Baudichte im Stadtkern waren letztendlich eine Korrelation des hohen Bodenwertes und der Anspruch einer hohen Rentabilität bei optimaler „Mietshausbauweise“. Deshalb wurde abhängig vom Grundstücksanteil der Gärten und Hofräume stets die größtmögliche Verdichtung angestrebt. Tendenziell bestand von Seiten des Eigentümers der Anspruch die hohen Erschließungskosten niedrig zu halten, wodurch schmale und tiefe Baufelder und der Bau von Rückgebäuden einen hohen Stellenwert genoss. Dabei spielte die Funktion eines Gebäudes keine Rolle. Ein weiterer begünstigender Faktor der dichten Bebauung mag auch der fehlende öffentliche Nahverkehr dargestellt haben, die die Erschließung von Wohnraum und Arbeitsplatz notwendig machte. Eine Trennung von Arbeitsplatz und Wohnraum war bis weit in das 19. Jahrhundert nicht üblich, so dass die Menschen stets dort wohnten, wo sie arbeiteten.
 
Maßgeblich für die Baudichte im Stadtkern waren letztendlich eine Korrelation des hohen Bodenwertes und der Anspruch einer hohen Rentabilität bei optimaler „Mietshausbauweise“. Deshalb wurde abhängig vom Grundstücksanteil der Gärten und Hofräume stets die größtmögliche Verdichtung angestrebt. Tendenziell bestand von Seiten des Eigentümers der Anspruch die hohen Erschließungskosten niedrig zu halten, wodurch schmale und tiefe Baufelder und der Bau von Rückgebäuden einen hohen Stellenwert genoss. Dabei spielte die Funktion eines Gebäudes keine Rolle. Ein weiterer begünstigender Faktor der dichten Bebauung mag auch der fehlende öffentliche Nahverkehr dargestellt haben, die die Erschließung von Wohnraum und Arbeitsplatz notwendig machte. Eine Trennung von Arbeitsplatz und Wohnraum war bis weit in das 19. Jahrhundert nicht üblich, so dass die Menschen stets dort wohnten, wo sie arbeiteten.
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Die Folgen der Verdichtung waren fatal. Die verbliebenen Höfe und Zwischenräume zwischen einzelnen Gebäuden waren häufig zu klein, um deren Funktion als Belüftung und Belichtung gerecht zu werden. Die Rückgebäude der Altstadt waren meist schmucklose Kleinhäuser aus Backstein in regloser Stellung, einzig mit dem Ansinnen, die ehemalige Hoflage auszufüllen. Ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde das klassische Wohnhaus durch sog. Mietshäuser abgelöst, während man gleichzeitig bemüht war die Zusammensetzung der Bewohner nach sozialen Kriterien zu unterscheiden.  
 
Die Folgen der Verdichtung waren fatal. Die verbliebenen Höfe und Zwischenräume zwischen einzelnen Gebäuden waren häufig zu klein, um deren Funktion als Belüftung und Belichtung gerecht zu werden. Die Rückgebäude der Altstadt waren meist schmucklose Kleinhäuser aus Backstein in regloser Stellung, einzig mit dem Ansinnen, die ehemalige Hoflage auszufüllen. Ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde das klassische Wohnhaus durch sog. Mietshäuser abgelöst, während man gleichzeitig bemüht war die Zusammensetzung der Bewohner nach sozialen Kriterien zu unterscheiden.  
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Die enge Verzahnung der unterschiedlichen Funktionen verursachte weitere Probleme. Bedingt durch den geringen Platz wurden auch zunehmend hauswirtschaftliche Tätigkeiten im Wohnbereich wie Wäschetrocken oder Holzspalten in den Wohnraum verdrängt mit der Konsequenz, dass die unzureichende Belüftung in den Gebäuden zusätzlich die mangelhaften Wohnsituationen verschärfte. Mit dem Funktionswechsel im privaten ging häufig aber auch ein Funktionswechsel im gewerblichen Bereich einher. Spätestens ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden viele Gebäude im Erdgeschoss häufig als Gewerberaum genutzt – mit der Tendenz der zunehmenden Vergrößerung der Flächen. Eine reglementierende Bauordnung, die man in dem Zusammenhang hätte vermuten können, wird aber erst gegen [[1900]] erlassen und greift faktisch erst gegen Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]]. Viele Arbeitsstätten befanden sich in Wohnungen oder zumindest im Bereich der Mietshäuser, da  Wohnen- und Arbeitsstätte in der frühindustriellen Zeitphase nahezu identisch waren. Dr. Adolf Mair schrieb in der Topo- und Ethnographie des Physikatsbezirks Fürth [[1861]], dass „''als Eigentümlichkeit Fürths genannt werden muss, dass selbst lärmende Gewerbe, z.B. Schreiner, Drechsler, in den höchsten Etagen wohnen … die Arbeitslokale sind meist zu klein, zu niedrig und schlecht… [es] darf nicht wundern, wenn man erwägt, dass mit Mühe passende zu erstellen sind und meist gewöhnliche Zimmer dazu eingerichtet werden''“<ref>Mair, A., Ott, H.: Fürth zu Beginn des Industriezeitalters. Hrsg. vom Geschichtsverein Fürth e. V., Fürth, 1989/ 1861, S. 52</ref>. Auch die Einrichtung von Industriebetrieben in diesem Kernbereich war keine Seltenheit. Hinter den einheitlichen Fronten eröffneten sich im Blockinneren meist kleinteilige und individuelle Hofbebauungen, die zum Teil unhaltbare Zustände für die Bewohner schufen. Nur wenige Betriebe mussten auf Grund ihrer Gefährdungssituation sich außerhalb des Stadtgebietes ansiedeln.
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Die enge Verzahnung der unterschiedlichen Funktionen verursachte weitere Probleme. Bedingt durch den geringen Platz wurden auch zunehmend hauswirtschaftliche Tätigkeiten im Wohnbereich wie Wäschetrocken oder Holzspalten in den Wohnraum verdrängt mit der Konsequenz, dass die unzureichende Belüftung in den Gebäuden zusätzlich die mangelhaften Wohnsituationen verschärfte. Mit dem Funktionswechsel im privaten ging häufig aber auch ein Funktionswechsel im gewerblichen Bereich einher. Spätestens ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden viele Gebäude im Erdgeschoss häufig als Gewerberaum genutzt – mit der Tendenz der zunehmenden Vergrößerung der Flächen. Eine reglementierende Bauordnung, die man in dem Zusammenhang hätte vermuten können, wird aber erst gegen [[1900]] erlassen und greift faktisch erst gegen Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]]. Viele Arbeitsstätten befanden sich in Wohnungen oder zumindest im Bereich der Mietshäuser, da  Wohnen- und Arbeitsstätte in der frühindustriellen Zeitphase nahezu identisch waren. Dr. Adolf Mair schrieb in der Topo- und Ethnographie des Physikatsbezirks Fürth [[1861]], dass „''als Eigentümlichkeit Fürths genannt werden muss, dass selbst lärmende Gewerbe, z.B. Schreiner, Drechsler, in den höchsten Etagen wohnen … die Arbeitslokale sind meist zu klein, zu niedrig und schlecht… [es] darf nicht wundern, wenn man erwägt, dass mit Mühe passende zu erstellen sind und meist gewöhnliche Zimmer dazu eingerichtet werden''.“<ref>Mair, A., Ott, H.: Fürth zu Beginn des Industriezeitalters. Hrsg. vom Geschichtsverein Fürth e. V., Fürth, 1989/1861, S. 52</ref> Auch die Einrichtung von Industriebetrieben in diesem Kernbereich war keine Seltenheit. Hinter den einheitlichen Fronten eröffneten sich im Blockinneren meist kleinteilige und individuelle Hofbebauungen, die zum Teil unhaltbare Zustände für die Bewohner schufen. Nur wenige Betriebe mussten auf Grund ihrer Gefährdungssituation sich außerhalb des Stadtgebietes ansiedeln.
    
Eine Untersuchung der Wohnverhältnisse aus dem Jahr [[1907]] belegt eindrucksvoll, dass um die Jahrhundertwende nach wie vor 35% aller Fürther Betriebe in Nebenräumen von Wohnungen untergebracht waren, die häufig in den älteren und kleinindustriell durchsetzten Vierteln in den unteren Geschossen existierten. Von 1.930 Wohnungen waren 14 % mit einer gewerblichen Nutzung in den Nebenräumen und Rückgebäude zu finden, während weitere 41 % der gewerblich genutzten Räume sich in den Obergeschossen befanden. Allerdings sind diese Zahlen schon damals kritisiert und als geschönt bewertet worden, da laut Definition die Überbelegung erst dann der Fall war, wenn in einem heizbaren Raum mehr als vier Personen wohnten bzw. in zwei Zimmer mehr als sieben und in drei mehr als zehn Personen wohnten. Damit lag die Bewohnerzahl je Hausgrundstück um [[1900]] bei 24,8 Personen pro Anwesen. Lediglich Berlin mit 77 und München mit 37 Personen pro Anwesen lagen deutlich darüber.
 
Eine Untersuchung der Wohnverhältnisse aus dem Jahr [[1907]] belegt eindrucksvoll, dass um die Jahrhundertwende nach wie vor 35% aller Fürther Betriebe in Nebenräumen von Wohnungen untergebracht waren, die häufig in den älteren und kleinindustriell durchsetzten Vierteln in den unteren Geschossen existierten. Von 1.930 Wohnungen waren 14 % mit einer gewerblichen Nutzung in den Nebenräumen und Rückgebäude zu finden, während weitere 41 % der gewerblich genutzten Räume sich in den Obergeschossen befanden. Allerdings sind diese Zahlen schon damals kritisiert und als geschönt bewertet worden, da laut Definition die Überbelegung erst dann der Fall war, wenn in einem heizbaren Raum mehr als vier Personen wohnten bzw. in zwei Zimmer mehr als sieben und in drei mehr als zehn Personen wohnten. Damit lag die Bewohnerzahl je Hausgrundstück um [[1900]] bei 24,8 Personen pro Anwesen. Lediglich Berlin mit 77 und München mit 37 Personen pro Anwesen lagen deutlich darüber.
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[[Datei:A1722 Gänsbergabriss.jpg|thumb|right|Stand der Abrissarbeiten um 1973]]
 
[[Datei:A1722 Gänsbergabriss.jpg|thumb|right|Stand der Abrissarbeiten um 1973]]
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Die Diskussion bzgl. einer Sanierung der Altstadt hatte [[1956]] die [[FDP]] im [[Stadtrat]] begonnen. Insbesondere der [[FDP]] [[Stadtrat]] und Anwohner des Gänsbergs [[Hans Lotter]] hatte die Diskussion um den Abriss der Altstadthäuser angeheizt. "''Von der Altstadt aus entwickelte sich das heutige Bild der Stadt, jahrhundertelang lag dort das Zentrum unseres Gemeinwesens … Heute verfallen Gebäude, ohne Möglichkeit, dem Einhalt zu gebieten. Es ist ein Wohnen dort in drangvoller Enge mit all den bekannten unerfreulichen Folgeerscheinungen für Gesundheit, Familie und Hausfrieden. Die Verhältnisse sind rückständig, die Straßen dem Verkehr nicht gewachsen.''"<ref>Fürther Nachrichten, Befragung bei den Altstädtlern - Des alten Gänsbergs verheißungsvolle Zukunft. Vom 2. August 1958</ref> Der Umstand, dass das nötige Geld für eine Sanierung fehlte, und die vorherrschende Wohnungsnot die Sanierung verhindere, lies Lotter das Projekt der Sanierung wie folgt titulierten: „''… das [geht] über die Kraft einer Generation''“<ref>Fürther Nachrichten, Lebhafte Diskussion bei der FDP um das Problem der Sanierung der Altstadtverhältnisse, vom 31. Oktober 1956</ref> – und er sollte damit recht haben, auch wenn das noch zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen konnte. Zwar fiel Lotters Idee bei der Stadt auf offene Ohren, aber der Kulturreferent Dr. [[Schwammberger]] drückte sich dies bzgl. wie folgt dazu aus: das Vorhaben wäre wie „Wasser in den Fürther Wein gießen“, da die Sanierung letztendlich nur eine finanzielle Frage darstellen würde und vor allem zum aktuellen Zeitpunkt – bei noch über 2.000 fehlenden zusätzlichen Wohnungen und Wartezeiten von über 10 Jahren auf die Zuteilung einer Wohnung – wäre der Abriss des Gänsbergs grob fahrlässig. Die Fürther Nachrichten berichten am [[31. Oktober]] [[1956]]: „Leider eben das alte Lied: die Notwendigkeit der Altstadtsanierung wird von jedermann erkannt, dringend ist sie auch, weil ja eine Reihe von noch bewohnten Häusern schon so baufällig sind, dass sie schon längst geräumt werden müssten, doch fehlt es an dem nötigen Geld, um diesen Plan in absehbarer Zeit durchzuführen. “<ref>Fürther Nachrichten, Lebhafte Diskussion bei der FDP um das Problem der Sanierung der Altstadtverhältnisse, vom 31. Oktober 1956</ref>
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Die Diskussion bzgl. einer Sanierung der Altstadt hatte [[1956]] die [[FDP]] im [[Stadtrat]] begonnen. Insbesondere der [[FDP]] [[Stadtrat]] und Anwohner des Gänsbergs [[Hans Lotter]] hatte die Diskussion um den Abriss der Altstadthäuser angeheizt. "''Von der Altstadt aus entwickelte sich das heutige Bild der Stadt, jahrhundertelang lag dort das Zentrum unseres Gemeinwesens … Heute verfallen Gebäude, ohne Möglichkeit, dem Einhalt zu gebieten. Es ist ein Wohnen dort in drangvoller Enge mit all den bekannten unerfreulichen Folgeerscheinungen für Gesundheit, Familie und Hausfrieden. Die Verhältnisse sind rückständig, die Straßen dem Verkehr nicht gewachsen.''"<ref>Fürther Nachrichten, Befragung bei den Altstädtlern - Des alten Gänsbergs verheißungsvolle Zukunft, vom 2. August 1958</ref> Der Umstand, dass das nötige Geld für eine Sanierung fehlte, und die vorherrschende Wohnungsnot die Sanierung verhindere, lies Lotter das Projekt der Sanierung wie folgt titulierten: „''… das [geht] über die Kraft einer Generation''“<ref name="FDP">Fürther Nachrichten, Lebhafte Diskussion bei der FDP um das Problem der Sanierung der Altstadtverhältnisse, vom 31. Oktober 1956</ref> – und er sollte damit recht haben, auch wenn das noch zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen konnte. Zwar fiel Lotters Idee bei der Stadt auf offene Ohren, aber der Kulturreferent Dr. [[Schwammberger]] drückte sich dies bzgl. wie folgt dazu aus: das Vorhaben wäre wie „Wasser in den Fürther Wein gießen“, da die Sanierung letztendlich nur eine finanzielle Frage darstellen würde und vor allem zum aktuellen Zeitpunkt – bei noch über 2.000 fehlenden zusätzlichen Wohnungen und Wartezeiten von über 10 Jahren auf die Zuteilung einer Wohnung – wäre der Abriss des Gänsbergs grob fahrlässig. Die Fürther Nachrichten berichten am [[31. Oktober]] [[1956]]: „Leider eben das alte Lied: die Notwendigkeit der Altstadtsanierung wird von jedermann erkannt, dringend ist sie auch, weil ja eine Reihe von noch bewohnten Häusern schon so baufällig sind, dass sie schon längst geräumt werden müssten, doch fehlt es an dem nötigen Geld, um diesen Plan in absehbarer Zeit durchzuführen.“<ref name="FDP"/>
    
Was folgt ist eine 13-jährige Bausperre für das Sanierungsgebiet Gänsberg, dass jede Form der Sanierung oder Renovierung den Eigentümern versagte. Auch die verfehlte Bundespolitik, die eine Sanierung des Gebietes finanziell nur unterstützte, wenn zuvor die bestehende Bausubstanz beseitigt wurde - führten u.a. in der Folge zum Untergang des Gänsbergs.  
 
Was folgt ist eine 13-jährige Bausperre für das Sanierungsgebiet Gänsberg, dass jede Form der Sanierung oder Renovierung den Eigentümern versagte. Auch die verfehlte Bundespolitik, die eine Sanierung des Gebietes finanziell nur unterstützte, wenn zuvor die bestehende Bausubstanz beseitigt wurde - führten u.a. in der Folge zum Untergang des Gänsbergs.  
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