Wiedervereinigung Deutschlands

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Höfefest 2018 Dieser Artikel war Thema beim Fürther Höfefest vom 21. - 22. Juli 2018. Unter dem Titel "200 Jahre an einem Wochenende" bot die Veranstaltung Einblick in mehr als 50 Fürther Höfe, davon 20 als Themenhöfe mit einem geschichtlichen Thema.
Dieser Artikel entstand im Rahmen des Fürther Stadtjubiläums "200 Jahre eigenständig" im Jahr 2018

Die Wiedervereinigung Deutschlands machte sich auch in Fürth bemerkbar, wenn auch nicht in dem Ausmaß bzw. Zuspruch wie in den Metropolstädten wie z.B. Nürnberg. Kurz nach Grenzöffnung kamen die sichtbaren Anzeichen über die ehem. Grenzübergänge bei Hof, Weiden und Lichtenfels nach Fürth in Form von den DDR-Fahrzeugen Trabant und Wartburg. Nach Abholung des Begrüßungsgeldes von 100 DM pro Person im damaligen Sozialrathaus in der Hirschenstraße 27 wurde das Geld, wie in den meisten anderen Städten Westdeutschlands, meist für Elektrogeräte und Kleidung ausgegeben.

Insbesondere für die Firma Quelle war die Grenzöffnung Fluch und Segen gleichzeitig. Die Geschäftsleitung investierte massiv in den neuen Bundesländern, u.a. in einem neuen Versandzentrum in Leipzig, das jedoch nie seine volle Kapazität erreichte, so dass viele Investitionen sich bis zum Aus der Firma Quelle im Jahr 2009 nicht mehr refinanzierten.


Auswirkungen in Fürth

Die Nürnberger Nachrichten berichteten am 13. November 1989, dass jeder fünfte DDR Bürger sich auf West-Besuch aus ist. Die ersten DDR-Besuche kamen bereits kurz nach Maueröffnung. Am Samstag, den 11. November 1989 traf es die Stadtverwaltung völlig unvorbereitet. Bereits um 9 Uhr standen die ersten Besucher vor dem Sozialrathaus und nahmen das Begrüßungsgeld entgegen. Die Stadt hatte eigens hierzu das Sozialamt von 9 bis 16 Uhr geöffnet, und rund 500 Besucher machten von diesem Service an diesem Tag in Fürth gebrauch. Auch am Sonntag riß der Andrang nicht ab. Bereits um 7 Uhr wurde erneut das Sozialrathaus geöffnete, damit die Wartenden nicht in der Kälte stehen mussten. Gegen 8 Uhr brachten Helfer des Roten Kreuzes heißen Tee, eine Stunde später gaben die fünf städtischen Mitarbeiter erneut das Begrüßungsgeld aus, dieses Mal für ca. 600 Personen. Da die finanziellen Vorräte des Sozialrathauses nur begrenzt waren, half die Stadtsparkasse unbürokratisch mit frischen Geldreserven aus. Der Versuch der Polizei bei der Landeszentralbank an frisches Geld zu kommen, war zuvor an der Sonntagsruhe gescheitert. Auch die Hauptpost in Fürth öffnete am Sonntag, da die völlig überlaufenen Nürnberger Zahlstellen für Übersiedler überlastet waren, so dass bereits am Sonntag auch die Hauptpost mit sechs Schaltern als Zahlstelle dienen konnte. Als die Antragsformulare ausgingen, fuhr eigens ein Postbeamter nach Neustadt a.d. Aisch um Nachschub zu holen. Mit Sonderbusen wurden die neuen Bürger aus Nürnberg nach Fürth gebracht, um die Zahl der Flüchtlinge im Stadt- und Landkreis zu verteilen. Bis Montag waren so bereits über 2.000 Übersieder im Stadt- und Landkreis verteilt worden, zum Teil in Notunterkünften bzw. in Notaufnahmelager in der Jahnturnhalle bzw. In der Böcklerhalle.

Auch die Städte im Landkreis hatten bereits an dem ersten Wochenende nach der Maueröffnung zahlreichen Besuch von DDR-Bürgern. Mit Omnibussen, Wartburgs und Trabants wurden diese aus Nürnberg umgeleitet nach Zirndorf, Stein und Cadolzburg, da die Aufnahme- und Auszahlungsstellen in Nürnberg mit der Auszahlung des Begrüßungsgeldes nicht mehr nachkamen. Auch diese Städte wurden von dem Ansturm völlig überrascht. In Cadolzburg erfuhr man erst von dem Ansturm, als die ersten DDR-Bürger bereits vor dem Rathaus standen - in wurden allein am Samstag 167.000 DM Begrüßungsgeld ausgezahlt, allerdings hatte man zuvor Probleme an das Geld im Tresor heranzukommen, da dieser bedingt durch ein Zeitschlosses nicht geöffnet werden konnte.

Über die "Freizügigkeit" gegenüber den DDR-Besuchern kam gleich zu Beginn erste Kritik auf. Bürgermeister Horst Weidemann entgegnete dieser Kritik bei einer Veranstaltung des "Bund der Heimatvertriebenen" mit folgenden Worten: Keine Mark, die wir jetzt für unsere Brüder und Schwestern von Drüben aufwenden, ist zuviel ausgegeben. Die Veranstaltung mit dem Motto "40 Jahre Bundesrepublik - das ganze Deutschland ist unser Vaterland" bekäme durch die aktuellen Ereignisse eine völlig neue Bedeutung.[1] Personalreferent der Stadt Fürth, Dr. Richard Zottmann, entgegnete allerdings bei einer Veranstaltung der freien Wohlfahrtsverbände am gleichen Tag, dass er eine gewisse Skepsis bzgl. der Euphorie über die Grenzöffnung habe: "Angesichts zunehmender sozialer Probleme drohe die Begeisterung in Enttäuschung umzuschlagen. Wenn der Alltag einkehrt, werde der Überschwang rasch vergessen sein... Die Übersiedler stellen uns vor völlig neue Probleme. Niemand könne ein Interesse an einem nie versiegenden Einreisestrom haben, zumal die Bundesrepublik darauf überhaupt nicht vorbereitet ist. Schnell könne aus der momentanen Sympahtiewelle Ablehnung werden.... Erst wenn wirklich nich mehr umkehrbare Reformen stattfinden, wird sich die Situation bessern."[2]

In ersten Interviews mit den Besuchern gaben viele an, dass sie bereits Nachts um 2 oder 3 Uhr in die Autos stiegen und gegen Westen fuhren, da in den Radios von bis zu 10 Stunden Stau die Rede war. Der Grenzübertritt gestaltete sich aber in der Regel als unproblematisch, so dass die ersten Besucher bereits gegen 8 Uhr in der Mittelfränkischen Region eingetroffen waren. Zuvor wurden diese bereits weitergeleitet, da die Städte Hof, Weiden, Bayreuth, Kulmbach etc. völlig überfüllt waren. Als ersten Eindruck hier im Westen gaben viele Besucher an: Hier ist es irgendwie bunter, die Häuser sind sauberer. Zum ersten Besuch gehörte nach Ausssage eines DDR-Besuchers in Fürth aber auch: In Nürnberg wollen wir Bekannte besuchen und Sachen einkaufen. Außerdem möchte ich unbedingt einmal so richtig schön Hamburger essen.

Auch an dem zweiten Wochenende nach der Öffnung der Mauer, wurden wieder viele Besucher aus der DDR erwartet, diese Mal wollte ich aber die Stadtverwaltung auf den Ansturm vorbereiten. Allerdings kam es hier zunächst zu einer Auseinandersetzung zwischen den Stadtverwaltungen Nürnbergs und Fürths. Nürnberg hatte die Stadt Fürth wissen lassen, dass sie die Hilfe aus Fürth nicht bräuchte, da sie den Ansturm der DDR-Besucher alleine bewerkstelligen könnten. Bürgermeister Wiedemann entgegnete seinen Nürnberger Kollegen, dass er dies für unmöglich halte, zumal der 1. FC Club in Gera für ein Spiel in Nürnberg am kommenden Wochenende 10.000 Freikarten verteilt hatte. "Die Nürnberger konnten schon am vergangen Wochenende den Anstrum nicht bewältigen und baten uns um Hilfe ... wie wollen sie nun alleine mit zusätzlichen 10.000 Personen fertigwerden?" Derartige Überheblichkeiten fand der Bürgermeister einfach "großkotzig" - er wisse zwar, dass die Nürnberger keine Wert darauf legen, dass wir etwas für sie tun, aber er fühle sich zu Nachbarschaftshilfe verpflichtetet, so die damalige Berichterstattung in den Fürther Nachrichten.[3] Deshalb wurden auf Weisung der Stadtverwaltung erneut das Sozialrathaus in der Hirschenstraße 27 zur Auszahlung des Begrüßungsgeldes am Samstag und Sonntag geöffnet. Zusätzlich öffnete die Stadtsparkassenfiliale im ehem. City-Center und die Hauptpost am Bahnhofsplatz. DDR-Besucher, die bereits zum 2. Mal nach Westdeutschland kamen, erhielten erneut ein Begrüßungsgeld in Höhe von 40 bzw. 20 DM. Um einen Verkehrschaos entgegenwirken zu können, wurden im Verkehrsgroßraum Nürnberg-Fürth-Erlangen rund 1.000 Familenkarten kostenlos ausgegeben. Ebenfalls zur Diskussion stand die Öffnung der Einzelhandelsgeschäfte in der Fürther Innenstadt. Begonnen hatte die Diskussion die Händler der Nürnberger Innenstadt, die ihre Geschäfte vorallem auch am Sonntag öffnen wollten. Auch der Fürhter Einzelhandelsverband begrüßte die Öffnung der Geschäfte, allerdings sagte der damalige Sprecher des Einzelhandelverbands Hans-Jürgen Haken, dass nicht alle öffnen werden, da die Nachfrage fast ausschließlich auf Südfrüchte, Textilien und technischen Geräten bestünde.[4]

An dem 2. Wochenende brach dann doch das erwartete Verkehrschaos ein. Bereits am Freitag kamen mit Sonderzügen mehrere 1.000 DDR-Besucher in die Region. Zuvor wurde in der örtlichen Presse berichtet, dass die grenznahen Städte wie Hof, Bayreuth oder Weiden bereits "leergekauft" waren, so dass nun viele DDR-Besucher weiter Richtung Osten und Süden fahren - also auch Richtung Nürnberg und Fürth. Das Bay. Rote Kreuz rief die Bevölkerung auf, Notquartiere zur Verfügung zu stellen, da die 100 Notbetten in der Jahnturnhalle bei weitem nicht ausreichen würden.[5]

Symbolische Wiedervereinigung Nürnbergs und Fürth

Wiedervereinigungsfeier Nürnbergs und Fürth an der "ehem." Stadtgrenze, 1990
Pressemitteilung zur "Wiedervereinigung beider Städte"

Den letzten, wenn auch nicht wirklich ernst gemeinten, Versuch der "Wiedervereinigung" beider Städte unternahmen die Grünen im Jahr 1990 anlässlich der Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990. Hierzu luden die Grünen-Kreisverbände der Städte Fürth und Nürnberg zu einer Vereinigung der beiden Städte an die "ehem. Stadtgrenze" ein mit Freibier - um Nürnberg in Fürth-Ost umzutaufen. Das Motto der Veranstaltung lautete: "Jetzt wächst zusammen, was immer schon daneben war."[6] Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang, dass die Patrizier Brauerei hierzu ein 50-Liter-Fass Bier spendierte.[7]

Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung sagte anlässlich des 1000-jährigen Jubiläums der Stadt Fürth im Jahr 2007: Fürth habe in der Region zu einer selbständigen Stadt heranwachsen können und fühle sich heute neben Nürnberg sehr wohl. Sein Amtskollege aus Nürnberg, Oberbürgermeister Ulrich Maly erwiderte: Es ist gut, dass die Nürnberger ihre Identität in Nürnberg haben und die Fürther in Fürth.[8]

Lokalberichterstattung

  • di/hk: Mit Improvisation über Runden gerettet - Großer Ansturm aus der DDR auf Begrüßungsgeld überraschte am Wochenende die Behörden. Postler und Sozialamtsmitarbeiter opferten ihre Freizeit - VAG setzte Sonderbusse ein - Disziplin in den Ausgabestellen. In: Fürther Nachrichten vom 13. November 1989, S. 37
  • hei: Am Sonntag wird wieder ausbezahlt. In: Fürther Nachrichten vom 16. November 1989, S. 47

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. di: Mit neuer Hoffnung - aktuelle Lage in DDR bestimmte die Reden. In: Fürther Nachrichten vom 13. November 1989, S. 37
  2. di: Ausreisestrom beunruhigt Wohlfahrtsverbände - Große Aufgabe aber keine Lobby. In: Fürther Nachrichten vom 13. November 1989, S. 39
  3. hei: Am Sonntag wird wieder ausbezahlt - Post, Sparkasse und das Sozialamt öffnen. In: Fürther Nachrichten vom 16. November 1989, S. 47
  4. hei: Am Sonntag wird wieder ausgezahlt. In: Fürther Nachrichten vom 16. November 1989, S. 47
  5. fn: Quatiere gesucht - Sonderdienst für Besucher aus der DDR. In: Fürther Nachrichten vom 17. November 1989, S. 37
  6. Die Grünen, Kreisverband Fürth & Nürnberg, Pressemitteilung vom 1. Oktober 1990
  7. Die Grünen, Kreisverband Fürth, Rundbrief Januar 1991, S. 24
  8. Bay. Fernsehen - im Internet (Stand: 21.12.12, 20:37 Uhr)

Bilder