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Alle sind sich einig :

Ferienarbeit schlägt Brücken Einblick in andere Berufe ergänzt die Schulbildung - Arbeit hebt das Selbstbewußtsein

Eure Schülerzeitung hat au« der Vielzahl der arbeitenden Studenten einige Schüler auf ih­ ren Ferienarbeitsplätzen besucht und sie nach ihren Eindrücken, die sie van ihrer Beschäftigung gewonnen haben, befragt.

Unter den Ferienarbeitern ist Klaus Herpfer von der ORF ein alter Hase, der seinen Job von Grund auf kennt. Seit fünf Jahren ar­ beitet er in den Sommerferien bei einer Für­ ther Spielwarenfabrik als Transportarbeiter, das heißt, er schafft Kisten, die fertige Ein­ zelteile enthalten, von ihren Produktions­ stätten zu den Arbeitsplätzen, wo sie zu einem Spielzeug zusammenmontiert werden. Unser Reporter traf ihn in der Mittagspause. ..Ich arbeite in den Ferien, um mir einen An­ zug zu verdienen. Es gibt so etliche kleine Luxusgegenstände, wie z. B. einen Belich­ tungsmesser. den ich mir gerne einmal zu­ legen möchte", meinte Klaus auf die Frage nach dem Grund seines Arbeitens. ..Ich schaffe hier seit dem ersten Ferientag und bleibe bis eine Woche vor Schulbeginn. Die Beschäftigung gefällt mir gut. ich habe fast die gesamte Produktion des'Werkes im Kopf. Und mit meinen Kollegen komme ich bestens aus“ sagte Klaus, wobei die am Tisch sitzen­ den Kollegen schmunzelnd bemerkten Jetzt dreht er aber gewaltig auf". Ob es an der Schule nicht doch schöner sei, lautete die verfängliche Frage unseres Reporters, doch Klaus antwortete: ..Wenngleich die Anstren­ gungen dort größer sind und der Verdienst gleich Null ist, gehe ich doch lieber zur Schule. Man kann seine Nachmittage frei einteilen und seine ..Aufgaben" auch ein­ mal im Bad erledigen. Wenn man 54 Stun­ den in der Woche arbeitet, weiß man diese Erleichterung gewaltig zu schätzen!“ Mit seinem Verdienst ist Klaus Herpfer zu­ frieden, denn die Überstunden werden gut bezahlt. Für ihn, der hier fast schon zum Stammpersonal zählt, erscheint es sehr wich­ tig, daß durch Ferienbeschäftigungen wert­ volle Kontakte zwischen Studenten und Ar­ beitern geschaffen werden.

Arbeitskollegen helfen mit Das laute Hämmern und Pochen eines Stanzund Emailwerkes veranlaßte unseren Repor­ ter, auch hier einmal die weite Fabrikhalle nach Ferienarbeitern durchzukämmen. Und tatsächlich, hinter einer großen Stanzma­ schine entdeckte er den 18-jährigen Helmut W„ einen Schüler des Hum. Gymnasiums. Helmut war leider etwas kamerascheu, so­ daß unser Reporter als Gentleman auf ein ,.Konterfei“ verzichtete. Ob es für ihn als Schüler nicht schwer sei, dauernd dieselbe Maschine zu betätigen, fragte der Zeitungs­ mann. „Am Anfang schon“, gab Helmut zu. „es ist nicht leicht, sich von so einem Mon ­ strum das Arbeitstempo diktieren zu lassen. Aber meine Arbeitskollegen sind prächtige Kerle, die helfen mir. wenn ich mal nicht nachkomme." Seine Achtung vor ihnen stei­ ge von Tag zu Tag. und andererseits hätten sie auch manche Vorurteile, die sie bisher

V. 1. n. r: Günther Pink, St- P. Dr. Heckmann, Sigrid Nieper, Klaus Herpfer Bilder: Alfred Wehner Montage.- Jürgen Ziefer gegen die ..verbummelten" Gymnasiasten gehegt hatten, aufgegeben. ..Meine Ferien­ fahrt habe ich mir diesmal wenigstens ehr­ lich verdient", meinte stolz Helmut, und diese Ansicht teilte auch unser Reporter.

Bier schmeckt prima Im Hof der Oberrealschule war gerade eine Firma damit beschäftigt, den Oberrealschü­ lern einen neuen, asphaltglatten Schulhof zu bauen. Dort, wo für manchen Schüler der Geruch vermoderter Bücher zu schweben scheint, roch es nach Teer, nach Kiesstaub, nach Benzin. Unter den Arbeitern, die an der Teerspritze schafften, fiel unserem Reporter ein Gesicht auf, das er schon öfters gesehen hatte. Natürlich, das war doch Günter Fink aus der fünften Klasse der ORF, der hier, mit Schlapphut, Arbeitshandschuhen und Drillichhose bewaffnet, den Teerschlauch hielt. In der Mittagspause stellte er sich dann auch bereitwillig zu einem Interview. Im Kreise seiner Arbeitskollegen erzählte er: ..Dieses Leben ist entschieden anders als das. welches ich an der Schule führe. Ich brau­ che mich geistig nicht anzustrengen, dafür werden die Muskeln um so mehr bean­ sprucht. Man wird sehr schmutzig bei dieser Arbeit, der klebrige Teer ist kaum von der Haut wegzubringen.“ Mit seinen Arbeits­ kollegen kommt Günther Fink prima aus. „Es schadet den Studenten gar nichts, wenn sie einmal im Leben unsere schwere Arbeit ver­ richten“, meinten seine Kollegen, „dann er­ fahren sie, wie der Arbeiter sein Geld ver­ dient". Günther arbeitete, um sich ein Moped zu kaufen. „Es ist immer gut, sich in der praktischen Arbeit auszukennen, denn man kann nie wissen, wie man sie später brau­ chen kann", meinte Günther. Und als sich unser Reporter auf sein Stahlroß schwang (zu einem Redaktionswagen hat es die Schü­ lerzeitung noch nicht gebracht) rief ihm Günther nach: „Aber Du, das Bier in der Mittagspause, das schmeckt einfach prima.“

Berufsleben schöner als die Schule Nicht nur Jungen, sondern auch Mädchen verdienen sich in den Ferien etwas Geld. Sie arbeiten natürlich in weniger anstren­

genden Berufszweigen. (In Amerika haben sie es leicht: dort sind sie als Kindermäd­ chen. als „Baby-sitters“. gesuchte Fachkräf­ te!) Unser Reporter besuchte Sigrid Nieper, die im analytischen Labor der Firma Sie­ mens in Nürnberg arbeitete. „Ich habe nicht gearbeitet, um mir etwas Geld zu verdienen, sondern um mich auf meinen zukünftigen Beruf vorzubereiten.“ Sigrid will später Chemie studieren. „Das Leben an der Schule gefällt mir nicht so gut als die Tätigkeit im Beruf, denn hier habe ich das Gefühl, nicht nur zu lernen, sondern etwas zu schaffen, mitzuhelfen am Werk einer großen Gemein­ schaft."

Dr. Heckmann: Ferienarbeit nicht nachteilig für die Schule Unser Reporter fragte auch den Vertrauens­ lehrer für Berufsberatung an der Oberreal­ schule Fürth. Dr. Heckmann, nach seiner Einstellung zu den Ferienarbeiten der Schü­ ler.

„Ich beurteile Ferienarbeiten, soweit sie die Kräfte der Schüler nicht überfordern, als außerordentlich günstig für den Schüler", sagte Dr. Heckmann. „Die Studenten sehen dabei, was in der Praxis getan wird. Sie lernen auch die physischen Schwierigkeiten der Arbeit am eigenen Leib kennen. Erst wer einmal sein Geld selbst mühevoll ver­ dient hat, weiß dessen Wert einzuschätzen“. Auf die Frage, ob sich die Ferienarbeit nach­ teilig auf die Einstellung zur Schule aus­ wirke. meinte Dr. Heckmann, ihm seien der­ artige Fälle nicht bekannt. Nach der harten körperlichen Arbeit ginge man um so lieber wieder zur Schule. Der Stolz über das ein­ mal selbst verdiente Geld hebe das Selbst­ bewußtsein der Schüler, und die Gelegen­ heit, einmal mit Leuten aus anderen Berufs­ schichten Zusammenarbeiten, weite den Ho­ rizont. Alfred J. Wehner

Ein Hinweis: nähere Auskünfte über die Umfrage und die Einzelergebnisse können jederzeit bei der Redaktion eingeholt werden (Tel. 7 35 74).

Jahrgang 3/1

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