Gesundheitsschädliche Brunnen in Burgfarrnbach

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Nach einer Häufung von Typhuserkrankungen im Spätherbst 1879, einige mit tödlichem Ausgang, untersuchte der Bezirksarzt Dr. Christoph Fronmüller sen. Hausbrunnen in Burgfarrnbach.[1] Obwohl zu jener Zeit der Erreger des Typhus noch nicht bekannt war (1880 entdeckt von Eberth und Koch), so hatte der Bezirksarzt Dr. Fronmüller fäkal verunreinigtes Trinkwasser als einen wesentlichen Verbreitungsweg längst erkannt.

Brunnen im Anwesen Haus Nr. 43

Anfangs untersuchte er den Hausbrunnen im Anwesen Haus-Nr. 43 (später Graf-Pückler-Limpurg-Straße 92, heute abgerissen) mit dem Befund: „Das […] Wasser ist trüb, von gelblicher Farbe, faulig schmeckend und von üblem Geruch; es ist daher als in höherm Grad gesundheitsschädlich zu betrachten. Die Verunreinigung ist durch eine in der Nähe befindliche, etwas höher gelegene Dungstätte, vsp. durch deren Ausfluß […] verursacht.“ Daher stellte er mit Schreiben vom 4. November 1879 beim Königlichen Bezirksamt den Antrag, den Brunnen amtlich zu schließen, bis er saniert, auf das Sorgfältigste gereinigt und die benachbarte Dungstätte möglichst mit einer haltbaren „Cementierung“ ausgebessert wird.

Nach Rücksprache mit dem Bürgermeister Zimmermann ordnete der Bezirksamtmann Glaser am 6. November auf Grundlage von Art. 67 Absatz 2 des Polizeistrafgesetzbuchs für Bayern (PStGB)[2] die Schließung des Foerder’schen Brunnens an, „bis die faulenden Brunnenhölzer durch normale ersetzt und der Brunnen aufs Sorgfältigste gereinigt seyn wird.“ Des Weiteren wurde aufgrund Art. 73 PStGB und Ziffer 2 der Ortsvorschriften vom 3. April 1875 angeordnet, „daß diese Dunggrube binnen acht Tagen in eine den Bestimmungen der allegirten ortspolizeilichen Vorschrift entsprechende Verfassung gesetzt, d. h. wasserdicht hergestellt und von Mauern isoliert wird.“ Diese Anordnung ging an den Bürgermeister, der beauftragt wurde dem Herrn Foerder „sofort Eröffnung zu machen“, die Aushängung des Pumpgestänges zu veranlassen und die Anlegung des gemeindlichen Siegels vorzunehmen.

Am 8. November berichtete der Bürgermeister an das Bezirksamt den Vollzug; das Schreiben trug auch die Unterschrift von Georg Foerder. Zwei Tage später erschien dieser beim Bezirksamt in Fürth und brachte vor, dass er bereit sei den Brunnen instand zu setzen. Foerder weiter: „Was dagegen die Abtrittsgrube [Die Dungstätte diente also auch als Abtrittsgrube!] anbelangt, so bin ich zu unvermögend, um dieselbe mit einer Cementschicht zu versehen, wodurch der verlangte wasserdichte Abschluss erzielt würde.“ Die Dungstätte sei ausgepflastert und dürfte den Anforderungen entsprechen.

Daraufhin erhielt der „Distrikts-Bautechniker“ Schwemmer den Auftrag, ein Gutachten abzugeben, was im vorliegenden Fall mit möglichster Schonung des Besitzers zu geschehen habe. Dieses lieferte er am 24. November 1879 ab. Nach seinen Feststellungen lag der Brunnen „nur 5,0 Meter von der fast vollständig verfallenen Dungstätte entfernt“, sein Wasserspiegel befand sich 4,9 Meter unter der Dungstättenoberfläche. Eine Brunnenverunreinigung durch die Dungstätte sei daher nicht ausgeschlossen und eine Sanierung dieser „sicher am Platze“. Zudem wäre diese mit ganz geringem Kostenaufwand zu erreichen, indem eine 0,2 m dicke Lettenschicht eingebaut würde. Auch den Antransport von Wasserletten könne der Gütler Foerder selbst mit seinem Fuhrwerk besorgen. Für die Ausführung sollten 8 Wochen gewährt werden, innerhalb dieser Zeit auch die Brunnensanierung erfolgen kann.

Der Kgl. Bezirksamtmann Glaser wies nun den Bürgermeister von Burgfarrnbach am 16. Dezember 1879 an, dem Ökonom Foerder das Gutachten des Distriktbautechnikers bekannt zu geben und die vorgeschlagenen, wenig kostspieligen Maßnahmen binnen 8 Wochen auszuführen, widrigenfalls das Bezirksamt Strafeinschreitung veranlassen und die erforderlichen Maßnahmen auf seine Kosten von Amts wegen vollstrecken wird. Mit Datum vom 23. Dezember antwortete die Gemeindeverwaltung Burgfarrnbach, „daß der Auftrag […] nicht gegeben werden konnte, da derselbe auch an Typhus erkrankt war u. am 21. d. M. in das Universitätshospital geschafft werden mußte.“ Umgehend, am 29. Dezember, instruierte Bezirksamtmann Glaser den Bürgermeister, die „diesamtl. Marginalverfügung vom 16. d. Mts.“ der Ehefrau oder einem sonst vorhandenen Stellvertreter „geeignete Eröffnung zu machen u. wie geschehen hierher zu berichten“. Nach Vorladung durch den Bürgermeister am 4. Januar 1880 gab Anna Foerder zu Protokoll: „Mein Mann, Georg Förder, ist auch von der Krankheit, die die Lämmermannsche Familie dahinraffte, befallen worden und befindet sich bereits seit 2 ½ Wochen im k. Universitätsspital zu Erlangen. Ich weiß jetzt noch nicht, ob u. wann derselbe wieder entlassen werden wird. Ich selbst bin gänzlich hilflos, fast nicht im Stande, mein weniges Vieh zu erhalten u. zu versehen u. bitte daher es möge von der uns ertheilten Auflage, unsere Dungstätte in den beschriebenen Stand zu setzen, vorläufig u. wenigstens so lange, bis mein Mann wieder aus dem Spital entlassen u. arbeitsfähig ist, gefälligst Umgang genommen werden.“

Wieder ging der Auftrag an den Bezirksarzt unter „Lokalaugenschein“ zu klären, ob dem Antrag der Gütlersfrau stattgegeben werden kann. So begab sich Dr. Fronmüller am 13. Januar 1880 nach Burgfarrnbach, zunächst zum Foerder’schen Anwesen. Da erfuhr er von Frau Anna Foerder, ihr Mann lag noch immer im Krankenhaus, dass sie nunmehr die Abtrittgrube bei günstiger Witterung auf eine vom - noch immer unbrauchbar gemachten - Brunnen entfernte Stelle des Grundstücks verlegen will, was von ihm als zweckmäßig erachtet wurde. Aufgrund der Ortsbesichtigung sah es Dr. Fronmüller aber als dringend geboten an, das Zimmer der verstorbenen Familie Lämmermann einer gründlichen Desinfektion zu unterziehen, wozu er in seinem Bericht an das Bezirksamt vom 15. Januar detailreiche Vorgaben machte. Daraufhin erhielt der Bürgermeister am 21. Januar 1880 die bezirksamtliche Verfügung:

  1. Auf die sofortige Herstellung der Dunggrube gem. Verfügung vom 16. Dezember vorigen Jahres wird vorerst nicht weiter bestanden, jedoch soll dieselbe nach erfolgter Wiedergenesung des Gütlers Foerder mit Wiederbeginn der Bauzeit sofort zur Ausführung gelangen.
  2. Längstens binnen 8 Tagen ist eine Desinfektion des gesamten Zimmers der Lämmermann’schen Familie nach den bezirksärztlichen Maßregeln von der Gütlersfrau, ggf. unter Leitung des praktischen Arztes Dr. Bauer in Burgfarrnbach, ausführen zu lassen, der Vollzug genau zu überwachen und binnen 10 Tagen Bericht zu erstatten.

Schließlich meldete der Bürgermeister, die Desinfektion des Zimmers sei genau in der vorgeschriebenen Weise bis zum 30. Januar zur Vollendung gelangt.

Neue oder Weber’sche Ziegelei und Wolf’sche Wirtschaft

Bei seinem Ortstermin vom 13. Januar 1880 begab sich Dr. Fronmüller in die neue Ziegelei am Weg nach Veitsbronn, wo nach Angabe des Burgfarrnbacher Arztes Dr. Bauer der Ziegler Jakob Ammon und ein Knecht an Typhus gestorben waren. Er ließ sich von der Witwe Ammon und einer weiteren Hausbewohnerin den benutzten Brunnen zeigen, der aber weit vom Abort gelegen war. Bei der Untersuchung des Wassers wurde bemerkt, dass es in Geruch und Geschmack auffällig karbolsäureartig (phenolhaltig) war. Wie sich schließlich herausstellte, mündete eine Zuleitung in den Brunnen, die den Steinkohlenlagerplatz der Ziegelei entwässerte. Dass aus Steinkohlen gezogene Bestandteile, die auch toxische Stoffe enthalten, dem Brunnenwasser zugeführt werden, wurde von Dr. Fronmüller als sehr gesundheitsschädlich erachtet.

Weiter erhielt er vor Ort von glaubwürdigen Personen noch die Mitteilung, dass überhaupt in Burgfarrnbach die Ableitung von Grundwasser aus Kellern mittels Kanal in Hausbrunnen vorkomme. So sei dies beispielsweise im Haus der Wolf’schen Wirtschaft neben dem ehemaligen Füllweiher am Bahnhof der Fall. Dr. Fronmüller muss entsetzt gewesen sein; so führte er in seinem Bericht vom 15. Januar aus: „Selbstverständlich ist, daß auf diese Weise nicht nur das Schlammwasser bei dem Reinigen der Keller, Ausflüße von Fäßern mit scharfen Säuren, mit alkalischen Flüssigkeiten, Abfluß von faulenden Kartoffeln und Gemüse, aufgestelltes Rattengift u. s. w. in den Brunnenschacht gelangen kann. Namentlich soll diese kaum glaubliche, mir in meiner langen Praxis noch nie vorgekommene, unsinnige Einrichtung in neueren Bauten des Ortes angebracht sein.“ Er schlug dem Bezirksamt vor, diese Angelegenheit einer amtlichen Untersuchung zu unterziehen und diese Kanäle zu verbieten.

Der Bürgermeister, wegen anderer Sachen am 20. Januar im Bezirksamt, wurde zum bezirksärztlichen Schreiben befragt. Dieser erklärte, dass der Brunnen in der Weber’schen Ziegelei ausschließlich nur zum Betrieb der Ziegelei bestimmt sei, nicht aber für den Gebrauch der Bewohner. Über die Ableitung von Grundwasser aus Kellern in Hausbrunnen wüsste er nichts, aber insbesondere hinsichtlich der Wolf’schen Hauses werde er sich erkundigen und schleunigst berichten. Zwei Tage später schreibt der Bürgermeister, er habe unter Beiziehung des Maurermeisters Max Weber (dem Ziegeleibesitzer!) die Wolf’sche Wirtschaft überprüft. Ein Ablaufkanal in den Brunnen fand sich nicht vor, aber im Keller war eine Senkgrube vorhanden, deren Wasseransammlung öfter ausgetragen werden müsse.

Untersuchungen des Distriktbaurats Schwemmer vom 30. Januar 1880

Aufgrund des Bezirksarztberichts vom 15. des Monats erteilte der Vorstand Glaser dem Baurat Schwemmer den Auftrag zu untersuchen, ob bei mehreren Anwesen in Burgfarrnbach wirklich Kanäle in Hausbrunnen ableiten. In seinem Bericht vom 31. Januar über seine am Vortag durchgeführten Erhebungen teilte er mit, dass er 22 Hauskeller untersucht hat, in deren Nähe sich Brunnen befanden.

In keinem der Keller fand eine Ableitung von zweitweise auftretenden Grundwasser in die Brunnen statt, außer beim Bauer’schen Anwesen (Gemeinschaftseigentum von Gastwirt Joh. Bauer/Postbotenwitwe Bauer) und aus dem in den Boden versenkten Schürraum der Weber’schen Ziegelei. Über die Situation im Anwesen Bauer, dem Haus Nr. 110 (heute Würzburger Straße 488), hatte schon der Bürgermeister am 22. Januar berichtet, der ebenfalls diesen - gerade trockenen - Kanal feststellte, der Aussage der Ehefrau Bauer aber keinen Glauben schenkte, die behauptete, bei steigendem Wasser würde dieses nach oben getragen, und das Kgl. Bezirksamt bat, den Kanal beseitigen zu lassen.
Beim Wirt Wolf schien die Sache so gewesen zu sein, dass eine Verbindung der Kellersenkgrube zum nur 4,5 m entfernten Brunnen bestanden haben muss, jedoch in neuester Zeit entfernt wurde.

Mehrere Keller wurden von Schwemmer angetroffen, in denen Wasser vorhanden war, das in die unter Kellersohle versenkten Gruben gesammelt und von Zeit zu Zeit ausgetragen wurde. Aufgrund der festgestellten Verhältnisse sah er die angelegten Senkgruben in den Kellern als grundsätzlich notwendig an, schlug aber zur Verbesserung vor, diese wasserdicht auszumauern, „um ein Durchsickern des angesammelten u. mit allen möglichen Bestandtheilen geschwängerten Wassers unmöglich zu machen.“


[... wird fortgesetzt]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. siehe Archivakte StadtAFÜ Sign.-Nr. AGr 5/386
  2. Polizeistrafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 26. Dezember 1871 - online