Kaufhaus Tietz

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Das ehemalige Kaufhaus Tietz am Kohlenmarkt.

Das Fürther Kaufhaus Tietz - Warenhaus Tietz wurde 1900 am Kohlenmarkt 4 erbaut und eröffnet. Das Fürther Warenhaus Tietz wurde unter dem renommierten Architekten Adam Egerer erbaut, ihm musste das 1835 erbaute Waßmuthsche Haus weichen, dass die Wirtschaft "Zum Walfisch" beherbergte.

Die Devise der Warenhäuser war: billig verkaufen, um viel zu verkaufen, und viel verkaufen, um billig zu verkaufen. Beliebt waren auch in Fürth die sogenannten "Weißen Wochen". Das waren verkaufsärmere Wintertage, an denen das Kaufhaus Kunden mit tollen Angeboten bei Haushaltswaren, z.B. Bettwäsche, Gardinen, elektrische Geräte, anlockte.

Gründung und Vorkriegsjahre bis 1938

1897 kaufte Julius Tietz das Grundstück samt Gebäude und lies auf dem Grundstück das neue Kaufhaus bauen. Hierzu stellte Julius Tietz im Mai 1897 beim Stadtmagistrat den Antrag, das erworbene Waßmutsche Haus abzureißen und anschließend einen Neubau zu errichten. Geplant war eines der ersten Kaufhäuser in Bayern von der Firma Hermann Tietz und Co. (später Hertie) in Fürth zu erbauen. Der Bruder des Firmengründers, Hermann Tietz, errichtet das Kaufhaus u.a. in Fürth, um die Warenhäuser in Süddeutschland zu etablieren. Neben dem Kaufhaus in Fürth mit 900 qm Verkaufsfläche existierten somit weitere Kaufhäuser in Nürnberg und Bamberg mit jeweils ca. 1.900 qm Verkaufsfläche und in München mit 3.500 qm Verkaufsfläche. Das Kaufhaus in Fürth fällt mit den 900 qm eher etwas bescheiden aus, da es im Gegensatz zu den anderen Kaufhäusern der Fa. Tietz nur die Bewohner der Stadt Fürth direkt ansprach, also ein kleineres Einzugsgebiet hatte. In den dreißiger Jahren umfasste das Kaufhaus Tietz knapp 50 Beschäftigte.

Julius Tietz, der Bruder von Hermann Tietz und ab 1886 Teilhaber an dessen Firma in Nürnberg, ging nach seiner Zeit in Fürth nach Berlin. An der Potsdamer Straße 18 eröffnete er in Berlin erneut ein Kaufhaus, dass er bis zu seinem Tod 1907 betrieb. Seine Witwe Jenny Tietz (geb. Tietz) übernahm die Geschäfte ebenfalls bis zu ihrem Tod am 8. Januar 1912. Nach dem Tod wurden die Warenhäuser in eine neue Tietz-Konzern-Gruppe übergeführt, in die Erbengemeinschaft "Fa. Hermann Tietz & Co. Nachfolger". Die Filiale in Fürth wurde ab 1912 durch eine Geschäftsleitung in Nürnberg geführt.

In Fürth war zu dieser Zeit der Inhaber der Jude Hans Levy, dessen Vater Ludwig Levy 1905 die Firma Tietz mit gegründet hatte. 1929 übernahm Hans Levy die Geschäfte, der später seinen Namen in Hans Ludwig änderte. Auch seinen jüdischen Glauben legte er ab und wurde Katholik. Bis 1933 war Ludwig im väterlichen Geschäft in leitender Stellung tätig, und führte das Unternehmen, dass nach wie vor der Erbengemeinschaft "Fa. Hermann Tietz & Co. Nachfolger" gehörte, bestehend aus den Arztgattinnen Regine Klopstock, geb. Tietz, und Selma Cohn, geb. Tietz, sowie den Kaufmannsgattinnen Hedwig Dzialozinski, geb. Tietz, sowie Else Dzialozinski, geb. Tietz, alle vier in Berlin wohnhaft. Lediglich die Betriebsführung wurde von Hermann Tietz auf Ludwig übertragen, bis zu seinem Tod im Jahr 1922. Anschließend übernahm seine Witwe Lousie Levy die Geschäftsführung.

Zeit zwischen 1938 und 1945

1927 heiratete Louise Levy Theodor Harnter, auf dessen Namen ab 1933 die Geschäftshäuser liefen. Damit konnten die Unternehmen vor dem Zugriff der Nationalsozialisten "gerettet" werden, da nun die Geschäfte in Fürth und Nürnberg formal in deutschen Händen lag. Trotzdem hatte in der Zeit von 1938 bis 1945 das Kaufhaus massiv unter dem Nationalsozialismus zu leiden. Im Rahmen der Boykottmaßnahmen war das Kaufhaus ebenso betroffen, wir durch die Arisierungswelle ab 1938 durch die NSDAP in Fürth/ Franken. Für die Nationalsozialisten waren die Kaufhäuser - trotz Eigentümerwechsel - weiterhin jüdische Geschäfte, so dass diese mehrfach boykottiert wurden. Eine Arisierung konnte jedoch aus formalen Gründen verhindert werden. Eine ehem. Mitarbeiterin berichtete folgendes über die Zeit während des Nationalsozialismus: "Ja, wir sind sehr boykottiert worden. Am schlimmsten waren die Frauen. Da gab es Frauenschaften von der Partei. Die standen an den Eingängen und haben zu jedem gesagt „Man kauft nicht beim Juden.“ Ganz schlimm war es an den Parteitagen. Die Parteitage waren immer im September. Jedes Jahr. Und an den Parteitagen, als so viele auswärtige Leute kamen, wurden wir schwer boykottiert. Das war das Schlimmste für uns. Da postierten sich die Frauenschaften vor den Eingängen. Und jeder, der hinein wollte, wurde angesprochen „Sie kaufen beim Juden“."

Ab September 1933 führte Hermann Sprickmann-Kerkerinck den Nachlass der Tietz´schen Erben, der eigens hierfür durch die Familienmitglieder in Berlin bevollmächtigt war.

Die Zeit ab 1945

Nach dem 2. Weltkrieg konnte Hermann Sprickmann-Kerkerinck erneut Treuhänderisch den Nachlass übernehmen. Es folgen weitere Wechsel der Besitzer: ab 1949 übernahmen Theo Hartner und seine Frau Margarete Pfeifer aus Velden die Geschäfte in Fürth. Zuvor war der Teilhaber des Kaufhauses verstorben. Bis in die 1970er Jahre führte Pfeifer und Ihr Sohn, der Rechtsanwalt Hans-Wolfgang Pfeifer, die Geschäfte, bevor das Unternehmen erneut den Eigentümer wechselte. Ernst G. Hartner, Sohn von Theo Hartner, übernahm die Geschäfte und baute das Gebäude für spätere Nutzer um. Zuvor war das Kaufhaus am Kohlenmarkt am 30. Juni 1968 geschlossen worden, da es in der "alten Form nicht mehr rentabel weiterzuführen war". Mit der Schließung des Kaufhauses ging auch die Schließung des Restaurants für ca. 100 Personen im 2. OG einher, dass zunächst ab 1950 im 1. OG war, aber 1952 in den 2. OG verlegt wurde. Erschwerend kam hinzu, dass bereits seit 1966 eine Veränderungssperre für das Altstadtsanierungsgebiet 2 durch die Stadt ausgesprochen wurde, so dass das Gebäude zunächst keiner größeren Veränderung zugeführt werden durfte. Ab 1968 übernahm das Erdgeschoss eine Lebensmittelfiliale, im 1. OG befand sich ab Februar 1977 eine Spielothek, im 2. OG eine Diskothek und ein Tanzcafé.

Weitere Zwischennutzung des seit 2003 leerstehenden Gebäudes war zeitweise eine Cocktailbar, ein Reisebüro, eine Tanzschule und im Jahre 2007 der Jubiläumsladen der Stadt Fürth zum 1000 jährigen Stadt-Jubiläum.

Im Juli 2009 wurde bekannt, dass neuer Eigentümer und Nutzer die Raiffeisen-Volksbank in Fürth ist, die das Gebäude generalsanierte und am 25. September 2010 wiedereröffnete. Das repräsentativ restaurierte Gebäude fungiert seitdem als Zentrale der Raiffeisen-Volksbank Fürth.

Beschreibung des Baudenkmals

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Dreiseitig freistehender, dreigeschossiger Mansarddachbau in Ecklage, mit Sandsteinfassaden und Ziergiebel, Neubarock, von Adam Egerer, bez. 1900; Teil des Ensembles Altstadt. Das dreigeschossige Geschäftshaus in barockisierenden Formen ist von drei Seiten freistehend und wurde mit einer Sandsteinfassade und einem Mansardendach errichtet. Das Erdgeschoss und der erste Stock sind mit Arkaden zusammengefasst und haben zwei rundbogige Eingänge. Um für die Waren besser werben zu können wurden große Fensterfronten eingelassen. Die Dachzone war ursprünglich deutlich reicher gestaltet, heute sind lediglich noch Obelisken erhalten geblieben. 1986/87 wurde erstmals das Gebäude restauriert. Erst im Jahr 2009 wurde das Gebäude generalsaniert und viele Bausünden der 1980er Jahre wieder beseitigt. Im Innenbereich existierte ein kleiner Lichthof, der allerdings in der Folge wieder entfernt wurde. Details hierzu liegen nicht vor. Häufig wird eine Abbildung des Lichthofes der Firma Fiedler mit dem Lichthof der Fa. Tietz verwechselt. Der Fehler schlich sich offensichtlich bei einer Falschzuordnung des Bildes ein und wurde in der Folge einfach mehrfach in der einschlägigen Literatur übernommen. In einem längeren Schriftwechsel und einer offenen Diskussion auf der entsprechenden FürthWiki Seite konnte dieser Irrtum aufgelöst werden. Hierzu gab es eigens in den Fürther Nachrichten am 29. August 2016 einen Artikel, in dem der Sachverhalt klar gestellt wurde.

Literatur

  • Peter Frank: Das Kaufhaus Weißer Turm (KWT), vormals Warenhaus Tietz, in Fürth, am Kohlenmarkt. Der erste Warenhausbau in Bayern und seine wechselvolle Geschichte. In: Fürther Geschichtsblätter, 2/2005, S. 39 - 49

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